260 Jahre Erlanger Berg: Manchmal fiel das Fest auch aus

21.5.2015, 06:00 Uhr
Die fünfte Jahreszeit: Heute beginnt die Bergkirchweih.

© Foto: Edgar Pfrogner Die fünfte Jahreszeit: Heute beginnt die Bergkirchweih.

Der Eingang des Tucherkellers war zerstört. Auch hier hatte es eine Explosion gegeben. Die Stromleitungen waren nahezu komplett kaputt. Essen war knapp. Und schlimmer: Malz gab es praktisch gar nicht mehr. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs fehlte es am Nötigsten. Doch die Menschen sehnten sich nach Ablenkung. In Erlangen sehnten sie sich vor allem nach ihrer Bergkirchweih.

Am 21. Februar 1946 erklärte der damalige Bürgermeister Anton Hammerbacher: "Mit Rücksicht auf die gegenwärtigen Zeitverhältnisse und den baulichen Zustand der Felsenkeller" könne auch in diesem Jahr keine Bergkirchweih stattfinden. Die Aufräumarbeiten gingen dann allerdings schneller voran als gedacht, so dass der Stadtrat mit Zustimmung der amerikanischen Militärregierung im Mai beschloss, das traditionelle Fest wieder zu feiern.

Schnell wurden neue Stromleitungen verlegt und beim Brauwirtschaftsamt in München extra Malz angefordert. Ein Bierfest ohne Bier wollte trotz aller Not niemand. "Es gab Dünnbier", sagt Historiker Andreas Jakob. "Aber immerhin fand wieder eine Bergkirchweih statt."

Jakob leitet das Erlanger Stadtarchiv und hat sich eingehend mit der Geschichte von Deutschlands ältestem Bierfest auseinandergesetzt. Dieses Jahr feiert die Bergkirchweih ihr 260. Bestehen. Doch das heißt nicht, dass sie 260 Mal stattfand. "Insgesamt ist sie 16-mal ausgefallen", sagt Jakob. Unter anderem im zweiten Weltkrieg, aber auch im ersten Weltkrieg, nach dem Tod des Märchenkönigs Ludwig II. im Jahr 1886 oder aufgrund von Unwettern und Hagelschlägen. "Im 18. Jahrhundert wissen wir es nicht genau, da könnte das Fest noch öfter ausgefallen sein."

260 Jahre Bergkirchweih - eine große Lüge also? Nein, glaubt der Leiter des Stadtarchivs. "Der Alterungsprozess stoppt nicht, wenn man nicht Geburtstag feiert." Ansonsten habe die Bergkirchweih jedes Jahr stattgefunden, "und war immer ein Erfolg". In den Anfangszeiten feierten die Erlanger ihre Kirchweih auf dem heutigen Martin-Luther-Platz, ehe am 21. April 1755 die Ratsherren beschlossen, das Fest hoch auf den Berg vor das Altstädter Schießhaus zu verlegen.

70er Jahre: Veranstalter wollten Plastikkrüge einführen

Von Beginn an stand dabei der Termin fest: Pfingsten. Da dieses ursprünglich christliche Fest aber nicht wie Weihnachten ein festes Datum hat, findet die Bergkirchweih manchmal im Mai, aber auch im Juni statt. Die Temperaturen können also zwischen hochsommerlich oder noch leicht winterlich schwanken. Den Negativrekord hält das Jahr 1961, als das Thermometer beim Bergbegräbnis gerade einmal fünf Grad anzeigte. Doch ob Regen oder Sonne - das Fest steigt unter freiem Himmel.

Nicht in Bierzelten zu feiern ist dabei nur eine von vielen Traditionen. "Im Bier-Bereich hat sich bis heute wenig verändert", sagt Jakob. Seit jeher gibt es Maßkrüge aus Ton. "In den Siebzigerjahren haben die Veranstalter versucht, Plastikkrüge einzuführen. Die haben wunderbar gebrannt." Auch dass die Besucher auf den Kellern ihre Brotzeit mitnehmen dürfen, ist Tradition.

"Verändert hat sich der Rummel-Bereich", sagt der Historiker. Das Dirndl gab es früher nicht. Heute sieht man hingegen viele Frauen im bayerischen Trachtenkleid. "Der Berg hatte auch einen anderen Stellenwert", sagt Jakob. Fleisch gab es in den vergangenen Jahrhunderten nur zu Weihnachten oder auf der Kirchweih. "Die Leute haben sich dann etwas geleistet, haben ein paar Tage nicht aufs Geld geachtet." Damit hatte die Bergkirchweih früher einen höheren Erinnerungswert als heute.

Tatsächlich hat das Bierfest das Kaiserreich, Weltkriege und die NS-Zeit überdauert. Heute jedoch sehen manche die Traditionen in Gefahr. Seit ein paar Jahren strömen immer mehr Jugendliche auf den Berg, um sich hemmungslos zu betrinken. Älteren Generationen ist es abends zu voll und zu laut. "Aber das war schon immer so", sagt Jakob. In einem Leserbrief an die Zeitung stellte ein Erlanger die Frage, "ob die Polizei nicht in der Lage ist, den Unfug der fremden Musiken zu steuern". Das war im Jahr 1890.

"Jede Generation hat ihren Berg", sagt Jakob. Doch auch er mahnt, die Traditionen beizubehalten. "Die Zukunft des Berges liegt in der Vergangenheit." In dieser gab es übrigens immer wieder allerhand Neues. Auch im Jahr 1946. Damals war der von den Amerikanern mitgebrachte Kaugummi, den die Besucher nach Gebrauch häufig einfach unter die Tische und Bänke klebten, der Renner.

Am Donnerstag finden Sie auf nordbayern.de einen Live-Ticker und eine Bildergalerie zum Bergkirchweih-Anstich. Auch über das Wochenende begleiten wir den Berg weiter - mit Splittern, Fotos und Stimmungsberichten der ersten Tage

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