Adolf Muschg beim Poetenfest

18.8.2010, 00:00 Uhr
Adolf Muschg beim Poetenfest

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Drei junge Anwälte gründen eine Societät in der fiktiven Schweizer Stadt Münsterburg. Wir schreiben die 60er Jahre: eine Zeit des Umbruchs, der Abkehr vom Alten, der linken Illusionen, der Frauenemanzipation, der sexuellen Revolution, des Rauschkrauts und der außerparlamentarischen Opposition. Natürlich gibt sich Adolf Muschg nicht mit einer Situationsbeschreibung dieser bewegten Epoche zufrieden. Er zeigt, was daraus geworden ist und verwebt seine Geschichte mit der eines alten Hauses, in dem die drei Juristen, zu denen bald auch eine Frau stößt, ihre Büros mit Privaträumen beziehen. Dieses Gemäuer bildet den Rahmen; seine Geschichte ist ein bisschen auch die Geschichte der Schweiz. Mehr soll und darf von der Handlung nicht verraten werden.

In seinem neuen Roman "Sax", aus dem Adolf Muschg auf dem Erlanger Poetenfest lesen wird (und der erst in wenigen Tagen ausgeliefert wird), zeigt der 76-jährige Altmeister jedenfalls noch einmal sein ganzes Repertoire an historischem Wissen - und seine kühne Spekulierlust. Das ist gleichzeitig auch die kleine Schwäche des Romans; dass er in mehreren Handlungssträngen angelegt ist, die nur schwer zusammenzuführen sind. Da werden zum einen die Lebenswege der drei Juristen bis in die Zukunft hinein verfolgt - der Roman endet im Jahr 2013.

Achermann, Asser & Schinz sind drei Charaktere, die unterschiedlicher nicht sein können. Der eine, ein abgesprungener Mönch, der zweite ein jüdischer Freigeist, der letztere ein frustrierter Bankierssohn, wollen im Geist des Kommunismus handeln - der freilich nurmehr als Gespenst herumspukt. So wie die Geister des Hauses, das einmal ein Bordell beherbergt hat und das in seiner langen Geschichte höchst seltsame Bewohner hatte, welche ihrerseits die unterschiedlichsten Geister heraufbeschworen haben.

Muschg spinnt seine Geschichte um den im Jahr 1596 erschlagenen Freiherrn Phillip von Sax, der katholisch geboren und reformiert gestorben ist. Aber noch immer nicht seinen Seelenfrieden gefunden hat. Überhaupt spielt Religion eine große Rolle im Roman. Über die Reformationszeit führt die Reise zur Cyberreligion der Gegenwart. Aber natürlich werden auch der säkulare Schweizer Hang zum Geld und die Ursprünge der Bankenkrise behandelt. Ein durchaus lesenswertes Kapitel.

Dass dabei Bezüge zur gegenwärtigen Situation der Eidgenossenschaft nicht ausbleiben, liegt auf der Hand. Fazit: Es spukt hier an allen Ecken und Enden, nicht nur im Münsterburger Haus "zum Eisernen Zeit". Einer der drei Juristen, der im Lauf der Handlung gestorben ist, wird zuletzt noch einmal aus dem Grab heraus sprechen. Denn darauf müssen sich die Leser einlassen: dass Muschg sich nicht mit dem Erzählen nur einer Geschichte zufrieden gibt. Er spielt mit den Zeiten, den historischen Begebenheiten und scheut sich auch nicht, dadaistische Erzähl-Elemente einzubauen. Muschg kommt schließlich aus Zürich, wo im berühmten Cabaret Voltaire einst Hugo Ball, Hans Arp und Richard Huelsenbeck den Un-Sinn zum Prinzip erhoben haben..

Er nimmt uns mit auf seinen Gedankenflug zum Grab des Freiherrn von Sax, dem einmal das Haus "zum Eisernen Zeit" gehört hatte. Dieser Haudegen hatte einst auch eines der berühmtesten mittelalterlichen Werke, die Manessische Liederhandschrift, als Kriegsbeute mitgehen lassen. Die entrückenden Illustrationen und Texte dieser Liederhandschrift entfalten ihren ganz eigenen Zauber. Welchen? Nun, vielleicht verrät Adolf Muschg das beim Poetenfest in Erlangen.

Adolf Muschg. Sax. C. H. Beck Verlag, 456 Seiten. 22,95 Euro.

 

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