Als das «Fräulein Spaeth» energisch wurde

19.1.2009, 00:00 Uhr
Als das «Fräulein Spaeth» energisch wurde

Die Einführung des Frauenwahlrechtes vor 90 Jahren stellte nicht nur einen Teilsieg im Kampf um die politische Gleichberechtigung der Frau dar, sondern markierte zugleich eine wichtige Etappe in dem bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts laufenden politischen Demokratisierungsprozess in Deutschland.

Frauen machen Wahlkampf

Im Januar 1919 standen zwei Wahlen an: die Wahl zum Bayerischen Landtag am 12. Januar 1919 und die Wahl zur Deutschen Nationalversammlung am 19. Januar 1919. Dadurch wurde es zum ersten Male auch politisch engagierten Erlanger Frauen möglich, öffentlich aufzutreten und jeweils für ihre Partei um Stimmen zu werben.

Gleich zu Beginn des Jahres 1919 begannen in Erlangen die Parteien um die Stimmen der Frauen zu buhlen. In den Fränkischen Nachrichten und dem Erlanger Tagblatt erschienen große Anzeigen: Die Sozialdemokratische Partei, die Deutsche Volkspartei in Bayern (Deutsche Demokratische Partei) und der Deutsch-Nationale Volksverein (Deutsche Mittelpartei) beriefen Versammlungen speziell für Frauen ein.

So erschien am 4. Januar 1919 eine Anzeige im Erlanger Tagblatt, in der ein «Frl. Spaeth» als Rednerin angekündigt wurde in einer «Öffentlichen Frauenversammlung», zu der nur Frauen Zutritt hatten. Besonders «berufstätige Frauen, wie Kontoristinnen, Verkäuferinnen und Dienstmädchen» wurden aufgefordert, sich zahlreich zu beteiligen. Bei der Referentin handelte es sich um Elise Spaeth, erste Erlanger Stadträtin (ab Juni 1919), Begründerin des Erlanger Lehrerinnenvereins und erste Schulleiterin in unserer Stadt. Ihr wurde 1966 in Erlangen-Bruck eine Straße gewidmet.

Hoher Bekanntheitsgrad

Am 9. Januar 1919 warben die Erlanger Sozialdemokraten für eine Frauenversammlung mit Anna Landmann aus Fürth. Für das sozialdemokratische Wahlkomitee unterzeichnete damals Dore (Doris) Ruppenstein, die sich als Motor der Erlanger sozialdemokratischen Frauenbewegung längst einen Namen gemacht hatte.

Als Ehefrau von Andreas Ruppenstein, der bereits 1908 für die Erlanger SPD ins Kollegium der Gemeindebevollmächtigten gewählt worden war, hatte sie ebenfalls einen großen Bekanntheitsgrad in der Hugenottenstadt erreicht.

Bereits am 5. Januar 1919 hatte Doris Ruppenstein im Gasthaus «Goldener Hecht» in der Glockenstraße über «Die neuen Rechte der Hausangestellten (Dienstboten) durch die Aufhebung der Gesindeordnung» referiert - knapp 80 Jahre später widmete die Stadt Erlangen Doris Ruppenstein eine Straße im Röthelheimpark.

Alle Wählerinnen vor Ort

«Die Wahl in Erlangen vollzog sich unter starkem Andrang. Besonders die Wählerinnen, die diesmal zum ersten Male wahlberechtigt waren, hatten sich wohl vollständig zur Wahl begeben», berichtete das Erlanger Tagblatt am 13. Januar 1919. In demselben Bericht wurden auch Angaben über die Anzahl der abgegebenen Stimmen gemacht; sie wurde mit 14 091 angegeben.

Symbolischer Akt

Als am 6. Februar 1919 in der ersten Sitzung der Weimarer Nationalversammlung in einem deutschen Parlament eine Frau das Wort ergriff – die Sozialdemokratin Marie Juchacz, spätere Gründerin der Arbeiterwohlfahrt – war das ein Vorgang von symbolhafter Bedeutung: «Aus einem Objekt der Gesindeordnung war ein Subjekt der Gesetzgebung geworden.» ILSE SPONSEL