Anarchie der Bilder

8.12.2015, 17:15 Uhr
Anarchie der Bilder
Anarchie der Bilder

© Fotos: Rainer Windhorst

Winterausstellung des Kunstvereins Erlangen. Kunstpalais, Marktplatz 1. Bis 3. Januar 2016, Di. bis So. 10–18 Uhr, Mi. 10–20 Uhr. Geschlossen am 24., 25. und 31. Dezember sowie am 1. Januar 2016.

ERLANGEN — Im Gegensatz zur bisher üblichen Praxis wurden in diesem Jahr nur Werke und nicht Künstler juriert. Wer Arbeiten eingereicht hatte, ist in der Ausstellung mit mindestens einer vertreten. Ein Verfahren, das zweifellos dem Charakter des Kunstvereins als Künstlervereinigung Rechnung trägt.

Teilweise Öffnung

Frühere Versuche, die alljährliche Gesamtdarstellung unter ein Generalthema zu stellen, hatten sich als problematisch erwiesen: Vom Thema abweichende Beiträge waren oft in der Mehrheit. Nun ist das Verschiedene Programm geworden. Die teilweise Öffnung der Ausstellung erlaubt zudem andere und durchaus spannende Einsichten auf die Wegmarken der Präsentation.

Ein mögliches Ordnungsprinzip wird schon beim Entree sichtbar im Kontrast zwischen einem stillen und menschenleeren Intérieur von Anna Maria Kursawe und einer schreiend farbigen Fantasiefigur von Philipp Kummer. Einige Schritte weiter stößt man auf ein merkwürdig verschleiertes Bild von Wicky Reindl, auf dem ein weißes Hemd über zwei Schweinchen schwebt. Offensichtlich die Parodie eines Altarbildes und zwar ganz konkret von Tizians „Sixtinischer Madonna“.

Hier werden drei sehr unterschiedliche Möglichkeiten gegenständlicher Malerei miteinander konfrontiert. Und auch in den fünf anschließenden Räumen im Erdgeschoss geht es um Korrespondenzen zwischen Bildern und Bildgruppen, um Gegensätze und Verwandtschaften, um Motivkomplexe und Erinnerungen an deren Tradition. Der folgende Rundgang will keine Gewissheiten vermitteln, aber beispielhaft Annäherungen zwischen disparaten Vorstellungswelten hervorheben. So variiert die Wahrnehmung von „Landschaft“ zwischen einem fotorealistischen Nachtbild von Mathias Otto, der abstrahierend reduzierten Malerei von Klaus Peter Wrede und Barbara Gröne-Trux und der Travestie des Motivs bei Klaus D. Engelke. Die von der Geometrie inspirierte Abstraktion führt bei Gerhard Hotter und Horst Heidolph zu konkurrierenden Bildlösungen.

Die arrangierte Natur der Blumen- und Pflanzenbilder ist durch nachhaltige Banalisierung fast vollständig in Misskredit geraten. Bemerkenswert unter den mehrfachen Versuchen mit diesem Motiv sind vor allem die daran geübten Bildstörungen, wie in Michael Engelhardts „Distelzweig“, der, obwohl titelgebend, im Bild nur eine Nebenrolle spielt, oder in Jutta Cuntzes Verwandlung der Blumenwiese in eine „Tapisserie“.

Humoristische Erzählung

Ein haltbares Motiv aller gegenständlichen Kunst ist immer noch die menschliche Gestalt. Wie kein anderes Motiv lädt sie zur Bildung unterschiedlicher Konzepte ein. Die Figurengruppen von Barbara Lidfors sind zugleich Angehörige eines definierten Innenraums, während die Fotografien von Franziska Döhla die Figur im harten Schwarz-Weiß in Ausschnitte zerlegt.

Ingrid Freys Fayence-Büste verwandelt ihr Modell in eine humoristische Erzählung. Christa Schweins Mädchenporträt ist ein Unikum: Es sieht aus wie die Kopie eines Renaissanceporträts, ist tatsächlich aber eine übermalte Fotografie, wie sie in den Gründerzeiten der Fotografie im 19. Jahrhundert üblich war. Was in den Kabinetten im Erdgeschoss präsentiert wird, lässt sich sozusagen als Grammatik der Bilder verstehen, die in den weitläufigen Räumen des Untergeschosses zu einer ausufernden Erzählung ausgebaut wird: Landschaften als Verlust und Utopie (Hetzler und Wolfram), im Gewand der Pop Art (Ilse Feiner) und als exotische Fremde (Hanusch, Vittinghoff, Hendrike Franz), schließlich als Zitat in Udo Kallers „Fuji bei klarem Wetter“ und Figürliches als Bilderzählung in Ulla Schödels aus 63 Einzelbildern zum „Kleinen Paradies“ montierter Dämonengalerie.

Kraft der Assoziation

Die fröhliche Anarchie der Bilder erreicht ihren Höhepunkt in einer Bilderwand, die alle didaktischen Ordnungsprinzipien hinter sich lässt und allein auf die Kraft der Assoziation vertraut: Wer den Baum der Erfahrung erklommen hat, kann endlich die Leiter wegwerfen.

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