Aus Erlangen in den Urlaub "gephotoshopped"

9.9.2020, 15:00 Uhr
Aus Erlangen in den Urlaub

© Klaus-Dieter Schreiter

"Einfach nur daran denken, Sie sind in der Karibik", lacht Carsten Galle sein Fotomodell Thorsten Müller an. Der Blick passt, es macht leise klick, und schon ist dieses Bild auf dem Bildschirm des IPads zu sehen. Jetzt wird noch der passende Hintergrund aus einem Bildpool gesucht, und mit einigen kleinen Handgriffen ist die fotografierte Person in der Karibik. Die meisten "Modelle" geben ihm fünf Euro dafür, dass er sie in den Urlaub "gephotoshopped" hat.

"Erlangen geht in den Urlaub 2020", so hat der Erlanger Medienwissenschaftler und Pädagoge Carsten Galle, der seit 1996 zu den freien Kulturschaffenden der Städte Erlangen und Nürnberg zählt, sein Kunstprojekt genannt, mit dem er im öffentlichen Raum zur post-coronalen Wiederbelebung der Erlanger Innenstadt beitragen will.

Ein kleines Foto-Studio hat er dafür an verschiedenen Plätzen in der Innenstadt aufgebaut. Als sogenannter "Eye Catcher" dient eine alte, hölzerne Plattenkamera aus dem Jahre 1920, in die er eine professionelle digitale Vollformat Fotokamera eingebaut hat. Damit fotografiert er die Menschen, das Bild sieht er auf seinem Smartphone und überträgt es schließlich auf ein IPad. Da kann er es entsprechend bearbeiten und einen beliebigen oder eben einen gewünschten Hintergrund einfügen. So entsteht rasch ein schönes "Urlaubsfoto", das er auf einem Fotodrucker flugs ausdrucken kann. Durchaus "lustig" fände es Carsten Galle, wenn die Leute für ihr Wunschbild auch noch eine Urlaubsutensilie mitbrächten, beispielsweise eine Schwimmbrille, eine Badebrille oder dergleichen. Den nötigen Strom für die Installation macht er sich jedenfalls selbst mit einem Solarpanel.

"Besser als gar nichts"

Das ist erst einmal nicht viel. "Aber das ist besser als gar nichts, ich habe sechs Monate gar keine Einnahmen gehabt", erzählt Galle. Nicht einmal die Corona-Soforthilfe hat er erhalten, obwohl er sie zwei Mal beantragt hatte. Hartz IV hat er nicht beantragt, "so bin ich nicht". Das sei eine ganz schwierige Zeit gewesen. Gerettet worden sei er durch eine alte Freundin, die ihm einen Privatkredit gegeben hat.

Bilder einer Ausstellung

In "normalen" Zeiten, in denen Galle bekanntlich auch als "Erlanger Hof und Bromi Fotograf" firmiert, hat er für fünf städtische Organisationen in Erlangen und Nürnberg gearbeitet, unter anderem für die Erlanger Volkshochschule, das Staatstheater Nürnberg und die Tafelhalle. Aber das ist erst einmal vorbei.

Dennoch gibt es Pläne. Galle ist derzeit im Gespräch mit der Erlanger Stadtbibliothek. Gemeinsam brütet man über eine mögliche Ausstellung mit jenen Urlaubsbildern von der Straße. Die Erlaubnis für eine Veröffentlichung der "Werke" hat Galle von den Leuten bereits. Anvisiert wird ein Termin womöglich noch im Herbst 2020 oder eben im Frühjahr 2021.

Die Stadt Erlangen hat Galle 1500 Euro für die Installation gegeben, damit er sie überhaupt verwirklichen kann. Die Menschen auf dem Schlossplatz schauen ihm kritisch bei der Arbeit zu. Dort, sagt er, sei es "eher schwierig", die Passanten für ein Foto zu gewinnen. Weiter im Süden der Fußgängerzone sei das einfacher. Dort hat er an die 15 Personen pro Tag fotografiert. Das große Geschäft ist das nicht wirklich.

 

 

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