Auslandssemester während Corona: Geht das überhaupt?

23.2.2021, 06:00 Uhr
Die Studentin Lisa Hildebrandt verbringt ihr Auslandssemester in Falun, einer Kleinstadt nordwestlich der schwedischen Hauptstadt Stockholm. 

© Lisa Hildebrandt Die Studentin Lisa Hildebrandt verbringt ihr Auslandssemester in Falun, einer Kleinstadt nordwestlich der schwedischen Hauptstadt Stockholm. 

An ihr Erasmus-Semester erinnern sich die meisten gerne zurück. Ein Semester an einer Universität im Ausland ist eine spannende Erfahrung. Das Drumherum ist mindestens so aufregend wie der Alltag in der Ferne. Die Bekanntschaften, die Studenten zwischen den Vorlesungen oder in der Wohngemeinschaft machen, die Partys, die fremde Stadt und das leckere Essen sorgen für ein meist unbeschwertes halbes Jahr. So war es zumindest vor der Corona-Pandemie.


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In Zeiten des Lockdowns bleibt von dieser Unbeschwertheit wenig übrig. Nicht einmal halb so viele Studierende sind im Wintersemester mit ErasmusPlus – dem Austausch-Programm der Europäischen Union, das Studierende organisatorisch und finanziell unterstützt – von der Uni Erlangen-Nürnberg zu einem Auslandssemester aufgebrochen. Vor einem Jahr waren es noch 415 Teilnehmer, heuer nur 182.

Wer sich doch für den Auslandsaufenthalt entscheidet, muss flexibel sein. Die Buchung von Flügen und das Mieten des Zimmers zögern die Studierenden aktuell so lange wie möglich heraus, da sie bis kurz vor Beginn des Semesters noch nicht sicher sein können, ob sie wirklich einreisen dürfen.

Auch Lisa Hildebrandt musste sich diese Gedanken machen. Die 25-Jährige studiert Politikwissenschaften im Master in Erlangen und hat das vergangene Semester an der Universität in Falun in Schweden verbracht. Falun ist eine Kleinstadt mit ungefähr 40.000 Einwohnern zweieinhalb Stunden nordwestlich von Stockholm. Hildebrandt hat gute Erfahrungen gemacht. Sie hat ab Oktober ein überraschend normales Auslandssemester erlebt.

Party im Wohnheim

Die Uni fand für sie die meiste Zeit vor Ort statt. Viele ihrer Kommilitonen aus Italien durften jedoch nicht anreisen. Sie nahmen online an den Vorlesungen teil. Auch sonst ähneln Hildebrandts Erfahrungen denen anderer aus früheren Semestern. Von der Einführungswoche mit Stadtrallye, Picknicks am Strand und Ausflüge mit dem Mietwagen war alles dabei. Nur die Clubs waren geschlossen, weswegen Partys in Bars oder direkt ins Wohnheim verlegt wurden.

"Ich habe mich nie unsicher gefühlt", sagt Hildebrandt über ihre Zeit in Falun. Abstandsregeln und maximale Personenzahlen in Einkaufsläden wurden in der Stadt eingehalten, eine Maskenpflicht gab es aber nicht. "Die Schweden sind da einfach diszipliniert", meint die Studentin. "Alle hielten sich an die Regeln, auch wenn ich natürlich nicht weiß, ob es nur in der Kleinstadt so gut funktioniert hat."


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Im Laufe des Semesters gab es dann einen Coronafall in ihrem Kurs. Ihre Vorlesungen mussten für eine Weile komplett online stattfinden. Auch in ihrem Wohnheim gab es Fälle und einige ihrer Nachbarn waren in Quarantäne. Trotzdem ist Hildebrandt "sehr glücklich, dass das Semester so stattfinden konnte". Eine zweite Chance hätte sie wohl auch nicht bekommen, denn sie wird voraussichtlich noch dieses Jahr ihr Studium beenden.


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Andere Studierende hatten weniger Glück. Marlene Rott hat ihren Aufenthalt in Slowenien nach nur fünf Wochen abbrechen müssen. Die 22-jährige Medizinstudentin ist im Oktober nach Ljubljana gereist. Vorher hatte sie mit den gleichen Unsicherheiten zu kämpfen wie Hildebrandt. "Die Auslandssemester einiger Freunde in anderen Ländern wurden eigentlich alle abgesagt", erzählt Rott. Aber sie durfte einreisen.

Die Fallzahlen in Slowenien waren niedrig und die Uni fand regulär statt. "In Slowenien gab es die erste Welle nicht wirklich." Daher konnte sie in Bars, Restaurants gehen oder zum Wandern mit dem Bus in die Natur fahren. Außerdem wohnte sie in einer Wohngemeinschaft mit sieben anderen Erasmus-Studierenden und fand so schnell Anschluss.

Doch nach ein paar Wochen kam das Virus auch in Slowenien an. "Die Zahlen gingen durch die Decke und man machte sich immer Sorgen, wenn einer aus der Wohngemeinschaft Kontaktperson war oder krank wurde", berichtet die Studentin.


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Ihre Fakultät habe ermittelt, dass die Lehre unter Online-Angeboten zu sehr leide. Deswegen hielt sie an Präsenzunterricht für die Medizinstudierenden fest, auch als alle anderen Fakultäten schon auf Online-Lehre umgestellt hatten. Doch Rott entschied sich nach Ankündigung des Lockdowns, das Semester abzubrechen.

Einfach nachholen kann sie den Auslandsaufenthalt nicht. Ihren Platz ist sie los, weil sie von sich aus abgebrochen hat. Wie viel von dem Fördergeld sie zurückzahlen muss, ist auch noch nicht klar. Sie ist trotzdem froh, die Erfahrung gemacht zu haben. "Die fünf Wochen waren total schön." Und Ljubljana ganz ohne Touristen haben bestimmt auch noch nicht viele erlebt.

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