Sieben Mal Gold

Bäckerei Böhm aus Uttenreuth erhält bayerischen Staatspreis

1.7.2021, 18:30 Uhr
Bäckerei Böhm aus Uttenreuth erhält bayerischen Staatspreis

© Harald Sippel, NN

Lang wurde der Montagabend nicht für Andreas Böhm. Auch wenn einen nicht alle Tage die Staatsregierung zum Empfang in die Hofkirche der Münchner Residenz einlädt: Schon am Dienstag musste der 40 Jahre junge Bäcker- und Konditormeister ja um 2.30 Uhr morgens wieder mit seinen Kolleginnen und Kollegen in der Backstube stehen. „Man ist nicht immer glücklich, wenn der Wecker klingelt“, sagt Andreas Böhm, „aber wenn man häufiger gern aufsteht als sich darüber zu ärgern, dann weiß man, dass man weiter das Richtige macht.“

Einen Beruf nämlich, der ihn schon seit Kindesbeinen begleitet: Der Großvater übernahm 1956 die Bäckerei an der Erlanger Straße in Uttenreuth, übergab 1990 an Böhms Vater und der wiederum vor neun Jahren Bäckerei, Backstube und Rezepte an seinen Sohn.

Nicht jeder legt Wert auf handgefertigte Backwaren

Der lehnte nicht etwa ab – obwohl das Bäckerhandwerk mittlerweile an Attraktivität eingebüßt hatte: Zu den mindestens gewöhnungsbedingten Arbeitszeiten haben sich Großbäckereien mit Fließband-Arbeit und Discounter mit Backautomaten als Konkurrenz positioniert.

War 1956 der Besuch beim Bäcker Pflicht, um Grundnahrungsmittel einzukaufen, ist er nicht erst 2021 vor allem Grundsatzfrage: Nicht jeder legt Wert auf handgefertigte, qualitativ hochwertige Backware mit Zutaten aus der Region. Manch einem reicht es, seine Körperfunktionen mit Aufback-Fließbandware für Dumpingpreise am Laufen zu halten.

Brötchen kann man auch morgens online bestellen

„Bei uns gibt es noch Handwerk“, sagt Andreas Böhm. Zutaten werden noch per Hand gewogen und gemischt, den Teigen wird mehr Zeit zum Reifen und Ziehen gegeben als anderswo

„Bei uns gibt es noch Handwerk“, sagt Andreas Böhm. Zutaten werden noch per Hand gewogen und gemischt, den Teigen wird mehr Zeit zum Reifen und Ziehen gegeben als anderswo © Harald Sippel, NN

Auch Andreas Böhm hat den Familienbetrieb, in der Wohnung über der Backstube wuchs er auf, gewaltig modernisiert, um Schritt zu halten. So bedient er mit Bäckerei-Böhm-Account die sozialen Medien, hat das elegant-geschwungene „B“ aus dem Firmenschriftzug zur Marke etabliert. Neben dem Verkaufsraum entstand ein helles Café mit Frühstücksangebot, im Internet kann man sich Böhms Brötchen morgens auch vor die Haustür liefern lassen.

„Man muss mit der Zeit gehen“, sagt Andreas Böhm, auch neue Gewürze oder Mischungen probiert er immer wieder neben den etablierten Sorten immer wieder aus. Das fanden Vater und zu Lebzeiten auch der Großvater nicht immer gut – die Brötchen-Maschine etwa, die verteufelt der Seniorchef bis heute, erzählt der Sohn. „Aber manche Maschinen machen einfach Sinn.“

Zutaten werden noch per Hand gewogen

Bäckerei Böhm aus Uttenreuth erhält bayerischen Staatspreis

© Harald Sippel, NN

Der Fokus bleibt dennoch weiter auf der Handarbeit, rund 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind beschäftigt, in der Backstube stehen sechs Gesellen, vier Auszubildende und er als Meister. „Bei uns gibt es noch Handwerk“, sagt Andreas Böhm. Zutaten werden noch per Hand gewogen und gemischt, den Teigen wird mehr Zeit zum Reifen und Ziehen gegeben als anderswo, wo das kreative Bäckerhandwerk von der Kunst längst zu Akkordarbeit geworden ist. Und wo die ersten Laster bereits vom Hof fahren, um das breite Fillialnetz zu beliefern, wenn Andreas Böhms Wecker gerade erst geklingelt hat. „Dafür ist bei uns das Brot um 9 Uhr noch warm“, sagt er. Den Unterschied merke man nicht nur darin, dass selbst nach Tagen das Brot noch frisch schmecke, sondern auch im Geschmack an sich.

Schlange vor der Ladentür

Rund 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind beschäftigt, in der Backstube stehen sechs Gesellen, vier Auszubildende und er als Meister.

Rund 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind beschäftigt, in der Backstube stehen sechs Gesellen, vier Auszubildende und er als Meister. © Harald Sippel, NN

Auf den schwören nicht nur die vielen Stammkunden, die vor allem Samstags nicht erst durch Corona eine Schlange vor der Ladentür bilden. Sondern auch die Fachleute: Das Magazin „Feinschmecker“ listet die Bäckerei Böhm seit neun Jahren kontinuierlich unter den „300 besten Bäckereien Deutschlands“ auf – anonyme Testkäufe nach Kundenempfehlung bieten alle drei Jahre dafür die Grundlage. Und auch für den am Montagabend verliehenen Staatsehrenpreis wählten drei hauptamtliche Brotprüfer aus 92 Bäckereien die 20 in Bayern aus, die die besten Produkte über die Innung eingereicht hatten. Sieben Mal Gold, die höchste Auszeichnung, konnte die Bäckerei Böhm holen – für fünf Jahre gleichbleibend hohe Qualität.

Auszeichnungen als Auftrag

Doch damit hat, auch das bringt das Bäckerhandwerk mit sich, Andreas Böhm nicht ausgesorgt, im Gegenteil: Er sieht die Auszeichnungen vielmehr als Auftrag. Zwei Filialen hat er – auch das ist neu zu Großvater und Vater – mittlerweile in Dormitz und Neunkirchen übernommen, eine dritte wird in den neuen Rewe-Markt einziehen, sobald der in Uttenreuth aus dem Boden gestampft ist.

Angst haben, dass aus dem Familienbetrieb klammheimlich die nächste Kette wird, muss man aber nicht, versichert der Chef: „Mit drei Filialen ist unsere Produktion ausgelastet – mehr geht nicht, ohne dass darunter die Qualität leidet.“ Und das käme einem Verrat an der Idee und an der Tradition gleich.

Das Herz soll Kern bleiben

Nein, das Herz soll weiter Kern des Unternehmens bleiben: „Ich kenne alle Mitarbeiter, ich weiß, welche Hobbies sie haben, sie dutzen mich – und wissen, dass der Chef mit anpackt, damit alle pünktlich wieder nach Hause können.“ Deshalb, sagt Andreas Böhm, wird weiterhin an Sonn- und Feiertagen nicht gebacken. Die Familie – er selbst hat zwei kleine Söhne – ist ihnen nämlich ähnlich wichtig wie ihr Brot. Und dafür muss man sich ja schließlich auch Zeit nehmen.

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