«Bedeutung des Standorts verdeutlichen»

12.5.2007, 00:00 Uhr
«Bedeutung des Standorts verdeutlichen»

© Böhner

Ärgert es Sie oder amüsiert es Sie, wenn in überregionalen Zeitungen Ihr CSU-Fraktionskollege Manfred Hopfengärtner, der Siemens-Standortmanager, als «heimlicher Bürgermeister» von Erlangen bezeichnet wird?

Balleis: Warum sollte es mich ärgern? Es spricht doch aus dieser Bezeichnung nur die Anerkennung für das Engagement, das der Standortleiter für unsere Stadt einbringt.

Nun aber mal im Ernst: Auf der Mai-Kundgebung des DGB haben Sie Ihre Sorge geäußert, ob Sie einer künftigen Siemens-Spitze, die keinen Erlanger «Stallgeruch» hat, die Stadt als weiterhin attraktiven Standort «verkaufen» können. Haben Sie da konkrete Befürchtungen?

Balleis: Richtig ist, dass der Standort Erlangen bisher mit dem Vorstandsvorsitzenden bzw. Aufsichtsratsvorsitzenden Heinrich von Pierer einen hervorragenden Fürsprecher an der Spitze der Siemens AG hatte und dass Erlanger Unternehmensbereiche zu den Top-Vertretern und Gewinnbringern des Konzerns zählen. Wir können nur hoffen, dass diese Tatsache bei Entscheidungen der künftigen Konzernlenker angemessen Berücksichtigung findet. Wir als Stadt werden jedenfalls alles daran setzen, dem Nachfolger von Klaus Kleinfeld und seinen Vorstandskollegen sehr schnell die enorme Bedeutung des Standorts Erlangen zu verdeutlichen. In diesem Sinne fühlen wir im Rathaus uns natürlich für Zehntausende von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit ihren Familien, die vom Wohl und Wehe der Siemens AG abhängig sind, mit verantwortlich.

Erlangen hat mit Siemens nicht nur seinen mit Abstand größten Steuerzahler und Arbeitgeber, damit ist die Stadt natürlich auch anfällig in Krisenzeiten. Wo liegt da der Part einer Kommunalpolitik, die sich selbst keine Gestaltungsspielräume nehmen lassen will, andererseits aber auch wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Realitäten anerkennen muss?

Balleis: Erlangen ist in vielerlei Hinsicht besser dran als beispielsweise Städte wie Ingolstadt und Wolfsburg, wo die dominanten Unternehmen im Wesentlichen nur ein Produkt anbieten, nämlich Autos. Bei Siemens ist durch die Vielzahl der unterschiedlichen Bereiche immer sozusagen auch ein Risiko-Mix gegeben, d. h. wenn es einigen Bereichen schlecht ging, waren immer andere Bereiche da, die dies ausgleichen konnten. Krisen wurden daher in der Vergangenheit immer sehr gut abgefedert. Wir haben bereits in der Vergangenheit die Handlungsspielräume der Kommunalpolitik genutzt und werden dies auch in Zukunft tun. Die Handlungsspielräume werden allenfalls eingeschränkt durch zu geringe Gewerbesteuerzahlungen. Dieses Schicksal teilt aber Erlangen mit den meisten anderen Städten.

Zu den Irritationen um die Vorgänge bei Siemens kommt nun auch noch die Unsicherheit, wie es mit der gerade erst angesiedelten Areva-Niederlassung weitergehen soll. Nach der Präsidentschaftswahl in Frankreich wird von einer Privatisierung des bisher staatlichen Konzerns geredet, möglicherweise wird sogar ein Siemens-Marktgegner neuer Eigner von Areva. Sind Sie von solchen Spekulationen beunruhigt?

Balleis: Hier gibt es gegenwärtig keinen Anlass zur Beunruhigung. Klar ist, dass nach den Wahlen in Frankreich die Spekulationen ins Kraut schießen. Aber man muss klar sagen, dass im Juni noch Parlamentswahlen stattfinden und dann erfolgt die Regierungsbildung. Erst danach wird klar werden, ob Areva privatisiert wird, welche Unternehmen dann Mehrheitseigner sein werden und ob diese Veränderungen Auswirkungen auf Erlangen haben werden.

Der ehemalige Vorstandschef und Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich von Pierer war CSU-Stadtrat im Erlanger Stadtrat, der ehemalige Siemens-Syndicus Joachim Herrmann war CSU-Fraktionsvorsitzender, der Siemens-Kaufmann Siegfried Balleis war Wirtschaftsreferent und ist amtierender Oberbürgermeister. Ist Erlangen also doch eine Siemens-City?

Balleis: Es ist nicht verwunderlich, dass es in einer Stadt, in der nahezu die Hälfte aller Beschäftigten direkt oder indirekt mit oder für Siemens arbeiten, viele Persönlichkeiten gibt, die in der Politik engagiert sind und einen Siemenshintergrund haben oder umgekehrt, dass Siemensmitarbeiter Erfahrungen in der Erlanger Kommunalpolitik gemacht haben. Deshalb liegen wir noch lange nicht, wie ein Scherz behauptet, auf dem Betriebgelände der Siemens AG. Außerdem würde eine Verengung auf diesen Begriff die enorme Bedeutung der Friedrich-Alexander-Universität für die Stadt, aber auch die Rolle der kleinen und mittleren Unternehmen, vollkommen ausblenden. Die Fragen stellte: PETER MILLIAN