Behörden-Wirrwar: Äthiopisches Paar steckt in Erlangen fest

15.12.2018, 06:00 Uhr
Behörden-Wirrwar: Äthiopisches Paar steckt in Erlangen fest

© Harald Sippel

Der Weg in die Freiheit hängt an einer einzigen Unterschrift: Seit vielen Monaten wartet das äthiopische Flüchtlingspaar Same M. und Kassech G. auf einen Zuweisungsbescheid der Regierungsaufnahmestelle für Asylbewerber Mittelfranken. Die Behörde mit Sitz in Zirndorf ist zuständig für die Zuweisung und Umverteilung der im Regierungsbezirk verteilten Asylbewerber und Berechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Die afrikanischen Eheleute, die ihre Heimat wegen kriegerischer Auseinandersetzungen verlassen mussten, leben in Mittelfranken. Seit August 2017 bieten der Erlanger Pfarrer Bernd Hofmann und sein Helferkreis um dessen Leiterin Ingrid Kagermeier den beiden in der evangelischen St. Matthäus-Kirche Asyl – um die Flüchtlinge zunächst vor der Abschiebung zu bewahren. Seitdem leben sie auf engstem Raum in dem zu einer Wohnung umfunktionierten Bürozimmer der Kirche.

Doch rein rechtlich ist immer noch die Regierung von Oberfranken für die Äthiopier zuständig. Denn sie waren — nach Stationen in Flüchtlingsunterkünften in Erlangen — zuletzt als Asylsuchende im Landkreis Hof gemeldet.

In Italien hatten die zwei zuerst EU-Boden betreten und hätten nach der Dublin-II-Regelung dort das Asylverfahren durchlaufen müssen. Doch Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass in dem südeuropäischen Land die meisten Flüchtlinge in der Obdachlosigkeit landen. Der Mann litt zu dem Zeitpunkt aber an einer — inzwischen behandelten — TBC. "Mit einer solchen Krankheit kann doch niemand auf der Straße leben", sagt Hofmann und nahm vor allem wegen der Krankheit gemeinsam mit dem damals 20-köpfigen Helferkreis die beiden ins Kirchenasyl auf.

Überstellungsfrist abgelaufen

Das kirchlich getraute Paar, das auch immer wieder Besuch von Mitgliedern der äthiopischen Gemeinde aus Nürnberg erhält und den Unterstützern freundschaftlich verbunden ist, hat sich in Erlangen gut eingelebt. Deshalb und auch weil hier die Möglichkeiten der Behandlung von TBC viel besser sind, möchten die beiden in der Hugenottenstadt bleiben.

Eigentlich ist die verlängerte Überstellungsfrist von 18 Monaten, in denen die Behörden Asylbewerber in das Erstland, also hier Italien, abschieben können, seit September abgelaufen. Das Paar könnte nun die Kirche verlassen, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg Antrag auf Asyl in Deutschland stellen und womöglich für immer bleiben.

Das ist jedoch erst möglich, wenn auf dem Weg der Umverteilung bestätigt wird, dass die beiden in Mittelfranken leben und die Behörden dieses Regierungsbezirks zuständig sind. Solange können die beiden auch in einer Gemeinschaftsunterkunft nicht das Zimmer beziehen, das die Stadt Erlangen — die sich ausdrücklich für einen Verbleib des Paares in der Hugenottenstadt ausgesprochen hat — für sie bereitstellt.

Eine Umverteilung in einen bestimmten Landkreis auch in einem anderen Regierungsbezirk kann etwa unter Berücksichtigung der familiären Situation von Asylbewerbern (etwa einer "Hausgemeinschaft" von Ehegatten) oder aus sonstigen humanitären Gründen erfolgen – in diesem Fall etwa die gesicherte Weiterversorgung des lungenkranken Mannes.

Die Regierung von Oberfranken hat den Antrag der Rechtsanwälte, die Same M. und Kassech G. vertreten, auf Umverteilung jedenfalls an die Regierung von Mittelfranken geschickt. Eine entsprechende E-Mail der zuständigen Sachbearbeiterin aus Bayreuth an die Anwältin der beiden Äthiopier liegt der Redaktion vor. Darin heißt es: "Ihr Schreiben vom 25.10.2018 in o. g. Sache haben wir zum heutigen Tag zuständigkeitshalber an die Regierungsaufnahmestelle Mittelfranken weitergeleitet. Diese entscheidet dann über den Antrag."

Die Regierungsaufnahmestelle Mittelfranken verweist auf Anfrage indes in der Zuständigkeit wiederum auf die Bayreuther Behörde zurück: Der Regierung von Mittelfranken liege bislang keine Entscheidung über die Gewährung des Einvernehmens seitens der Regierung von Oberfranken vor, so das Schreiben. Eine Entscheidung könne erst nach Klärung dieser Vorfrage erfolgen.

Da sich das Behörden-Wirrwarr bereits über mehrere Wochen hinzieht, haben sich inzwischen auch Politiker in den Fall eingeschaltet.

Doch selbst deren Engagement hat bislang nichts geholfen. Schon Ende November wandte sich der Erlanger Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Christian Zwanziger, mit der Bitte um kurzfristige Erledigung an die Regierungsaufnahmestelle Mittelfranken.

Helfer geben auf

Auch die SPD-Landtagsabgeordnete Alexandra Hiersemann will sich laut einer E-Mail, die ebenfalls den EN vorliegt, für das äthiopische Paar einsetzen. Der in Erlangen lebende bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat auf Hofmanns Appell nach Unterstützung hingegen bisher noch nicht reagiert. "Alles, was die Amtsmitarbeiter zur Entscheidung brauchen, liegt doch vor und dennoch passiert nichts", empört sich der Pfarrer und vermutet ebenso wie Kagermeier hinter den "Behördenspielchen" reine "Verzögerungstaktik", um seine Mitstreiter und ihn zu ermüden.

Die Rechnung scheint aufzugehen. Der engagierte Pfarrer, der Flüchtlingen in seinem Gotteshaus schon mehrmals Obdach geboten hat und dafür mit (jeweils eingestellten) Ermittlungen wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt ohne erforderlichen Aufenthaltstitel konfrontiert wurde, hat einen wirklich langen Atem (wie berichtet). Doch langsam geht selbst ihm die Luft aus.

Auch die tatkräftigen Helfer, die schon frühere Kirchenasyle in der evangelischen Gemeinde mitorganisiert haben und das äthiopische Paar nun über Monate hinweg betreuen und mit allem Notwendigen versorgen, brauchen eine Pause. Etliche haben schon aufgegeben.

Die Dauer macht auch den "Gästen" selbst zu schaffen, wie der Pfarrer die Schützlinge im Kirchenasyl nennt. Sie sind nach 16 Monaten "total zermürbt" und verfallen trotz der angenehmen Atmosphäre durch die engagierten Unterstützer immer wieder in depressive Phasen.

Same M. und Kassech G. feierten bereits 2017 Heiligabend in dem Gotteshaus — mit Besuch aus Helferkreis und äthiopischer Gemeinde. "Wir haben nie geglaubt, dass die beiden auch heuer das Fest bei uns verbringen", sagt Pfarrer Hofmann. Bisher sieht aber alles ganz danach aus.

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