Beim TB Erlangen turnen alle draußen herum

28.6.2020, 11:30 Uhr
Ob Turnen (im Bild), Wirbelsäulengymnastik oder Standardtanz: An der Spardorfer Straße trainieren die Mitglieder des Erlanger Turnerbunds ausnahmslos im Freien. So können sie die Corona-Regeln einhalten und trotzdem Sport treiben.

Ob Turnen (im Bild), Wirbelsäulengymnastik oder Standardtanz: An der Spardorfer Straße trainieren die Mitglieder des Erlanger Turnerbunds ausnahmslos im Freien. So können sie die Corona-Regeln einhalten und trotzdem Sport treiben.

So viele Menschen zusammen hat man lange nicht mehr gesehen. Im ersten Moment ist man verschreckt. Das Auge muss sich erst wieder daran gewöhnen. Alles wirkt so normal. Doch im Sport ist noch überhaupt nichts normal. Wettkämpfe sind verboten, Saisons ausgesetzt oder ganz beendet. Manche Teamkollegen hat man wochenlang nur über das Video-Training gesehen.

Tänzer trainieren auf einem Parkett aus Paletten

Mittlerweile aber darf man miteinander Sport treiben, wenn auch unter strengen Auflagen, mit Abstand und am besten im Freien. Der Turnerbund hat aus der Not eine Tugend gemacht. Denn: Alle dürfen draußen trainieren. So sammeln sich auf dem großen Gelände an der Spardorfer Straße Sportler aus fast allen Abteilungen. Eine Gymnastik-Stunde neben dem Leistungsturnen, Läufer bei den Tänzern, Handballerinnen in Sichtweite zu den Lacrosse-Spielern. Dazu sind die elf Tennisplätze und der Kunstrasen fürs Hockey ausgelastet.

Die "Draußen"-Sportler mussten wegen der neuen Begebenheiten auch Raum abgeben. Streit aber gab es deshalb kaum. "Alle waren froh, dass sie überhaupt wieder Sport treiben können", sagt Franz von Issendorff, der Hockey-Abteilungsleiter. "Es ist auch toll, weil man jetzt sieht, was alles im Verein passiert." Plötzlich begegnen sich TB-Sportler, die zuvor gar nicht wussten, dass es den anderen im Verein gab.

So zum Beispiel bei den Tänzern. Die trainieren auf einem Parkettboden aus Paletten — direkt über der Weitsprung-Sandgrube. Dank ihnen summen Paso-Doble-Rhythmen über das Leichtathletik-Feld. Caroline Kasper und ihr Bruder Julius sind gerade dran. Normalerweise üben sie in einem Saal. Das Geschwister-Paar, 17 und 16 Jahre alt, tanzt Standard und Latein. Das durften sie auch während des Lockdowns, anders als andere Tanzpaare, für die lange ebenfalls das Abstandsgebot galt. Mit ihrer Trainerin Michaela Kemnitzer aber durften sich auch die Geschwister nicht treffen. "Außerdem ist zu Hause einfach zu wenig Platz", sagt Caroline Kasper. "Ich habe ein Freuden-Tänzchen gemacht, als wir vor vier Wochen hier raus durften."

Der Boden sei zwar mittlerweile ein wenig aufgequollen, doch ansonsten wie in der Halle. Die Tänzer tragen daher auch ihre Absatz-Schuhe. "Wenn es regnet, dürfen wir nicht aufs Parkett, weil es kaputt geht", sagt Caroline Kasper. "Und wenn es warm ist, wird das Parkett richtig heiß", fügt ihr Bruder Julius an. "Dann kann man keine offenen Schuhe anziehen, weil man sich verbrennen würde." Auch eine Ameisenstraße hatten sie schon auf ihrem Tanzboden. Doch am Ende ging es immer irgendwie.

Tanzen auf Paletten: Caroline Kasper (Mitte) und ihr Bruder Julius mit Trainerin Michaela Kemnitzer.

Tanzen auf Paletten: Caroline Kasper (Mitte) und ihr Bruder Julius mit Trainerin Michaela Kemnitzer. © Foto: Harald Sippel

Für Axel Meister, den Abteilungsleiter Breitensport, war das alles eine knifflige Aufgabe. Er musste alle Sportkurse auf dem Gelände unterbringen und gemeinsam mit der Vereinsführung Konzepte finden, wie mehrere Hundert Mitglieder jeden Tag den Sportplatz betreten und wieder verlassen können — ohne sich nahe zu kommen. Die Wege beim Turnerbund gleichen daher einem Schilder-Meer, wie fast überall in der Corona-Zeit. Es gibt eine Einbahnstraße, Desinfektionsspray, Sammelpunkte und Absperrungen. Das Hockey-Feld ist ganz abgetrennt vom Rest. "Wir mussten am Anfang auch kontrollieren", sagt Meister. Die Kabinen und Duschen bleiben abgeschlossen.

Seit 11. Mai ist wieder etwas los am Sportplatz, nach zwei Monaten Zwangspause. Zu Beginn, als man nur in Kleingruppen trainieren durfte, gab es sogar Einlasskontrollen. Von 8 Uhr bis 20 Uhr haben Mitglieder der Hockey-Abteilung ehrenamtlich die Dienste dafür übernommen. Vier Wochen lang. Der Aufwand aber hat sich gelohnt: Fast alle Vereinsmitglieder haben die Chance zu trainieren. "Nur die Kurse für die kleinen Kinder laufen noch nicht", sagt Meister. Hier könne man die Corona-Regeln nicht einhalten.

"Viele wollen nicht mehr zurück in die Halle"

35 Wochenstunden Breitensport gibt es insgesamt, die allermeisten können draußen ohne Teilnehmerbeschränkung trainieren. "Ganz viele Gruppen wollen gar nicht mehr zurück in die Halle", sagt Meister. "Wenn das Wetter passt, ist das traumhaft." Die Sonne scheint, der Himmel ist blau, aus einer riesigen Box dröhnt Musik. Doch nicht alle können draußen vernünftig trainieren. Die Turner zum Beispiel sind eigentlich auf ihre Geräte in der Sporthalle angewiesen.

"Was wir hier machen können sind Dinge, die wir sonst am Boden oder auf dem Balken trainieren oder Kraft und Schnelligkeit ", sagt Peter Geschwindner von der Turnabteilung. Gerade coacht er die Mädchen der Wettkampfgruppe ab zwölf Jahren. "Die sind noch jung und turnen auch Rad, Radwende und Flik Flak." Nach dem Aufwärmen und den Kraftübungen legen die Turnerinnen entsprechend los, mit nackten Füßen auf der grünen Wiese. "Es kommen aber nicht alle zum Training", sagt Geschwindner. "Die Motivation ist ohne Wettkämpfe nicht ganz so hoch." Dem Coach aber macht es "schon Spaß", draußen zu sein. "Auf Dauer aber ist es nichts. Die Mädels fragen uns ständig, wann wir wieder in Halle dürfen." Wann das Vereinsleben wieder ganz normal läuft, weiß aber niemand.

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