Bildung und Schulen: Was wollen Erlanger OB-Kandidaten?

15.2.2020, 11:00 Uhr
Bildung und Schulen: Was wollen Erlanger OB-Kandidaten?

In Zusammenarbeit mit Werkstatt Demokratie, einer Initiative von Bildung Evangelisch, veröffentlichen die Erlanger Nachrichten die Positionen der OB-Kandidatinnen und Kandidaten zu den wichtigsten kommunalpolitischen Themen. Teil eins beschäftigte sich mit dem Klimaschutz. Die Fragen stellen ausgewiesene Experten aus den jeweiligen Bereichen. Zum Themenkomplex "Bildung" fragt Helmut Klemm, Schulleiter der Eichendorffschule: Wie sieht für die Verantwortlichen eine gute Ganztagsschule aus und wie wollen sie diese ausstatten?"

Jörg Volleth (CSU): "Die Kommune ist als Sachaufwandsträger zuständig. In ihren Zuständigkeitsbereich fällt die Unterhaltung der Schulgebäude.

Es ist klar, dass wir bis zum voraussichtlichen gesetzlichen Anspruch auf Ganztag im Jahr 2025 noch viel Geld in die Schule investieren müssen. Ich unterstütze den flächendeckenden und bedarfsgerechten Ausbau von Ganztagschulen als wesentlichen Beitrag zur zukunftsorientierten Weiterentwicklung unserer Kinder. Er ermöglicht eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und trägt auch zu mehr Chancengerechtigkeit und individueller Förderung der Schüler bei.

In diesem Zusammenhang trete ich allerdings für eine Wahlfreiheit ein. Schule, Eltern und Kommune müssen gemeinsam entscheiden, welche Form eines Ganztagsangebotes (offene oder gebundene Ganztagsschule oder Mittagsbetreuung) gewählt werden soll. Die Kinder müssen sich in den Schulgebäuden wohl fühlen und auch Rückzugsmöglichkeiten haben. Für die offene Ganztagsschule und die Mittagsbetreuung muss die Kommune dann die Kosten für das zusätzliche, pädagogische Personal übernehmen."

"Die Ausstattung stammt in vielen Schulen aus dem letzten Jahrhundert"

Joachim Jarosch (ÖDP): "Für mich hatte die Ganztagsschule schon immer eine besondere Bedeutung, nicht nur als ÖDP-Stadtrat, sondern auch weil ich selbst Schüler einer Ganztagsschule war. Wir wollen nicht nur eine ,gute‘, sondern eine ,sehr gute‘ Ganztagsschule. Wichtig ist immer im Blick zu haben, dass die Kinder, Lehrkräfte und betreuende Personen den ganzen Tag in der Schule sind. Es ist daher unerlässlich, dass Stadt und Schulfamilie einen ganztägigen Lern-, Lehr- und Lebensraum gestalten. Die Stadt Erlangen wird die Schulen dabei aktiv unterstützen. Dies bezieht sich vor allem auf die Optimierung der räumlichen Situation; der materiellen, technischen und digitalen Rahmenbedingungen; des eigenverantwortlichen Budgets der Schulen; der personellen Ausstattung wie die Schulsozialarbeit u.a.; der Kooperationen mit den städtischen Einrichtungen wie der Stadtbibliothek; Jugendkunstschule, dem Theater, der VHS u.a.; des Netzwerks mit weiteren externen Partnern wie Firmen, sozialen Einrichtungen, Medien u.a. Unsere Erlanger Ganztagesschulen sollen auch Wohlfühlorte mit idealen Voraussetzungen für Gemeinschaft und Bewegung werden."


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Florian Janik (SPD): "Der Bund möchte bis 2025 einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter schaffen. Dieses Ziel unterstütze ich ausdrücklich. Für viele Eltern stellt es eine große Herausforderung dar, nach einem guten Kita-Angebot die Nachmittagsbetreuung organisieren zu müssen. Außerdem leistet der Ganztag einen wichtigen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit, weil mehr Zeit zum Lernen und Üben bleibt, oft mit zusätzlicher pädagogischer Unterstützung. Hier ist der Freistaat gefragt, die Ganztagsklassen deutlich auszubauen.


Florian Janik: Beidbeinig im Hier und Jetzt


Wir brauchen auch eine gute Zusammenarbeit zwischen Angeboten der Jugendhilfe, wie z.B. Horten und Schulen. Hier müssen zügig Projekte gestartet werden. Wir haben uns bereits auf den Weg gemacht und uns die bauliche Situation der Schulen und die künftigen Schülerzahlen angesehen. Mit dem Programm Zukunft Grundschulen werden in einem ersten Schritt Rückert-, Poeschke-, Pestalozzi-, Mönau- und Hedenusschule fit für den Ganztag gemacht. Parallel setzen wir das Schulsanierungsprogramm mit hohen Investitionen wie geplant fort."

Susanne Lender-Cassens (GL/Grüne): "Ich danke Herrn Klemm für seine engagierte Arbeit und stimme ihm vollkommen zu: die Schaffung von Bildungsgerechtigkeit ist eine zentrale Herausforderung. In der Ganztagsschule haben Pädagog*innen und Schüler*innen mehr Zeit zum lehren und lernen, Talente zu entdecken und sich als Gemeinschaft zu erleben. Lernen und die Motivation dazu entsteht sehr oft durch persönliche Beziehungen. Um Beziehungen aufzubauen braucht es Zeit, die oft fehlt. Der Staat ist gefordert: notwendig sind mehr Geld und Personal, um Orte zum Lernen, Leben und Wohlfühlen zu schaffen, sowie neue Lernformen, Spiel und Sport, Gemeinschaft und Zusammenhalt zu fördern. Die Realität sieht leider anders aus. Weil zu wenig Personal vorhanden ist, brauchen die Schulen mehr sozialpädagogische Unterstützung vor Ort. Dann wären Motivation und intensive Beteiligung der gesamten Schulfamilie viel eher eine Selbstverständlichkeit. Dabei sind Inklusion und Barrierefreiheit sich selbst ergebende Ziele. Um die inhaltliche Arbeit zu unterstützen, möchten wir die bereits gut entwickelte Zusammenarbeit mit den Erlanger Kulturinstitutionen weiter fördern."

 

Holger Schulze (FDP): "Als jemand, der sich als Hirnforscher beruflich seit Jahrzehnen auch mit der Frage beschäftigt, wie in unseren Schulen optimal gelernt werden kann, ist für mich neben einer kostenfreien Kita eine optionale Ganztagsschule, insbesondere für bildungsferne Familien, die einzige sinnvolle Antwort auf die Frage nach mehr Bildungsgerechtigkeit, da das Abspeichern von Gelerntem im Gehirn mindestens 24 Stunden dauert und durch schädliche Aktivitäten am Nachmittag, etwa Reizüberflutung durch zu viel Fernsehkonsum, massiv gestört werden kann. Derartige Einflüsse kann eine Ganztagsschule verhindern. Dabei darf so eine Ganztagsschule aber nicht eine normale Schule mit Vormittagsunterricht und einer Hausaufgaben- und Freizeitbetreuung am Nachmittag sein. Damit Lernen im Gehirn optimal funktioniert und hierfür ein echter Mehrwert aus der Ganztagsschule erwächst, müssen die Lehrpläne so gestaltet werden, dass sie das Lernen mit Pausen, Übungen und körperlichen Aktivitäten über den ganzen Tag aufeinander abgestimmt gestalten, kompromisslos mit allem, was dazu nötig ist, von den Räumlichkeiten bis zum Personal."

Anette Wirth-Hücking (FWG): "Es ist mir besonders wichtig, das Schulsanierungsprogramm zügig fortzuführen und alle Schulen zeitgemäß auszustatten. Eine gute Bildung braucht Zeit, deshalb war die Rückkehr zu G9 bereits ein wichtiger Schritt. Der bedarfsgerechte Ausbau von Ganztagsangeboten in allen Schularten, ist Ziel der bayerischen Staatsregierung, den wir als Kommune zeitnah umsetzen sollten. Die Ganztagsschule erleichtert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Erziehungsberechtigte, und verbessert die Chancengerechtigkeit. Wichtig ist es die Durchlässigkeit des Bildungssystems insgesamt zu verbessern. Was wir brauchen sind kleinere Klassen und mehr Lehrerinnen und Lehrer. Folgende Punkte will ich zusätzlich anpacken: Bau von Mensen für Schulen mit Ganztagszweig; attraktive Förderangebote und Nachmittagsprogramme; weitere Digitalisierung und attraktive Gestaltung der Pausenhöfe. Mit der Unterstützung für das kommunale Integrationsprogramm "Die Begleiter" und anderer Initiativen möchte ich die Integration weiter fördern. Zudem ist es wichtig, den Ausbau der Jakob-Herz-Schule für Kranke, endlich voran zu bringen."

Bereitet unser Bildungssystem die junge Generation auf diese Welt ausreichend vor?

Sebastian Hornschild (Klimaliste Erlangen): "Aus unserer Sicht ist die Frage zu eng gesteckt. Im Moment steuert unser Planet auf mehr als 3 Grad globale Erhitzung bis 2100 zu. Für Deutschland bedeutet dies 6 bis 8 Grad, da sich die Landmassen stärker aufheizen als die Meere (in Erlangen ist es bereits jetzt 2 Grad wärmer). Die dadurch entstehenden globalen und gesellschaftlichen Verwerfungen werden unsere Welt bis zur Unkenntlichkeit verändern. Die eigentliche Frage lautet: Bereitet unser Bildungssystem die junge Generation auf diese Welt ausreichend vor?

Nein! Die jetzigen Bildungspläne sehen eine Auseinandersetzung mit dem Themen Klima, Artensterben und Konflikte nicht vor.

Unser Bildungssystem reproduziert weiter soziale Ungleichheit, statt rundum kompetente Menschen hervorzubringen, die die zukünftigen Herausforderungen meistern können. Dies zu ändern liegt in der Hand des bayerischen Kultusministeriums. Trotzdem muss es in Erlangen Ziel sein, die Schulen zu sozial gerechten und zukunftsgewandten Bildungsinstitutionen zu machen. Ganztagsschulen sind hierfür ein wichtiger Baustein."

Johannes Pöhlmann (Erli): "Erlangen kann das selektive bayerische Schulsystem nicht abschaffen, aber sich für die Einführung einer ,Schule für Alle‘ bis zur 10. Klasse einsetzen. Als ersten Schritt soll der Freistaat an den staatlichen Schulen den ,gebundenen Ganztag‘ einführen. An ,ihren‘ Schulen MTG und Wirtschaftsschule kann die Stadt mit gutem Beispiel vorangehen. Bildungsgerechtigkeit bedeutet aber auch, die Lehrenden aller Schulformen gleich zu bezahlen. Der Freistaat muss aufhören, Hunderte von Lehrer*innen in den Sommerferien in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Herkunft soll Bildungschancen nicht bestimmen: Damit Geflüchtete ohne Schulabschluss eine Lehre anfangen können, brauchen sie Zugang zu einer Berufsintegrationsklasse, um den Hauptschulabschluss zu machen. Dies lässt der Freistaat für ganze Gruppen von Geflüchteten nicht zu.

Die Stadt kann:

Lernförderung ausbauen. Für alle dort Tätigen: Tariflohn und Anstellung bei der Stadt anstatt teilweise prekäre Arbeitsbedingungen.

Je nach Bedarf ein bis vier Stellen für Jugendsozialarbeit pro Schule, zur Unterstützung von Schüler*innen und Lehrkräften."

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