Friedrichstraße in Erlangen teils gesperrt

Celloklänge auf der Verkehrsader

19.9.2021, 06:00 Uhr
Celloklänge auf der Verkehrsader

© Christoph Benesch, NN

Als am Freitag um kurz vor 16 Uhr Christoph Steiner-Heinlein die Friedrichstraße entlang hastet, wartet sein Ensemble bereits an der Straßenecke. Auch der Musiklehrer des Christian-Ernst-Gymnasium hat sein Instrument im Gepäck, scheppernd schiebt er Notenständer vor sich her. Viel Zeit bleibt nicht, zwei Auftritte haben die zehn Schülerinnen und ihr Lehrer vor sich, „einmal da rechts“, sagt Steiner-Heinlein, „und einmal da links“. Es ist eine Premiere für die Cellisten – noch nie haben sie zwischen parkenden Autos in der Innenstadt gespielt.
Um es vorweg zu nehmen: Auch die letzten Kritiker des „Parking day“, den Achim Degenhardt von Veranstalter Greenpeace Erlangen viel lieber „Park(ing) day“ schreibt, weil es ja darum geht, aus Auto-Parkplätzen viel gemütlichere Lebensräume zu schaffen, dürften bei den traumhaft-romantischen Cello-Klängen letztlich weich geworden sein.

Harmonischer als noch 2020

In der Tat, sagt auch Achim Degenhardt, lief das friedliche Bevölkern der Friedrichstraße zwischen Schuhstraße und Holzgartenstraße weitaus harmonischer ab als noch vergangenes Jahr in der Oberen Karlstraße. Hier hatten sich die Umweltschützer mit erbosten Unternehmern Wortgefechte zu liefern. „Daraus“, sagt Degenhardt, „haben wir gelernt“.

Diesmal kümmerte sich Greenpeace persönlich ums Einwerfen der schriftlichen Hinweise auf die bevorstehende Aktion, die früher beim Ordnungsamt angekündigt wurde – der negative Überraschungseffekt blieb so aus. „Wir haben persönlich jedes Geschäft betreten und versucht, mit den Betreibern ins Gespräch zu kommen“, sagt Degenhardt.

Nicht alle fanden die Idee gut, viele haben große Angst, Kunden zu verlieren, wenn sie nicht mehr direkt mit dem Fahrzeug ansteuerbar sind. „Andere wiederum machen die Erfahrung, dass gerade da, wo mehr Fußgänger sind, auch mehr Leben einkehrt – und damit auch mehr Umsatz.“

Friedrichstraße teils gesperrt

Von 13 bis 19 Uhr war die Friedrichstraße dann auf dem Streckenabschnitt gesperrt, nicht alle Anwohner hatten ihre Fahrzeuge entfernt, trotzdem herrschte reges Treiben vor allem von jungen Menschen: Die sonst stark befahrene Innenstadtstraße wurde zur Flaniermeile, auf dem Asphalt wurde Badminton gespielt, Musik gemacht, zwei Theaterstücke aufgeführt, eine Sitzgruppe von Extinction Rebellion diskutierte über den Klimaschutz, die Jugendkunstschule vermalte gefühlt kiloweise bunte Straßenkreide und machte aus der Verkehrsader ein kunterbuntes Kunstwerk.

Der Höhepunkt stand aber bevor, als Christoph Steiner-Heinlein die Friedrichstraße hinaufhastete.

Kultur oder Politik?

„Ich verstehe unseren Besuch hier mit dem Cello-Ensemble als kulturelle Veranstaltung“, sagt der Musiklehrer. „Wobei Kunst ja immer auch etwas Politisches in sich trägt.“ Überreden musste er keine der Schülerinnen für das außergewöhnliche Konzert. „Sie fanden es schon ungewöhnlich und haben sich erst einmal gefragt, wie das funktionieren kann zwischen all den Autos.“

Geklappt hat es dann prächtig – zu Dutzenden blieben Passanten stehen, lauschten andächtig und teils gar berührt.

„Das CEG“, schloss auch Achim Degenhardt ein wenig beseelt von der Musik, „war heute natürlich ein wesentlicher Inhaltsträger. Ich hoffe, dass neben der schönen Klänge bei den Menschen aber auch hängen bleibt, warum wir das alles gemacht haben.“ Ganz sicher. Kunst hat ja auch immer etwas Politisches.

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