Frust und Hoffnung

"Christmas to go" in Erlangen: Wie Ideengeber an Alternativen zum Weihnachtsmarkt basteln

26.11.2021, 06:00 Uhr

© Stefan Mößler-Rademacher

Schockstarre? Nein, Adam Kunstmann hat einfach resigniert. "Was soll ich mich aufregen?" seufzt der Erlanger Vorsitzende beim Bayerischer Landesverband der Marktkaufleute und der Schausteller (BLV). "Das geht alles nur an meine Nerven." Der 76-Jährige hat sich damit abgefunden, dass es wegen der Corona-Pandemie in Bayern keine Weihnachtsmärkte geben wird. Alternative Konzepte in Erlangen, zum Beispiel mit vereinzelten Buden, hält er für einen "Tropfen auf den heißen Stein", von dem nur wenige profitieren. "Es lohnt sich einfach nicht."

Das sehen nicht alle Betreiber so wie er. Konrad Beugel, Wirtschaftsreferent der Stadt, arbeitet seit vergangener Woche mit seinem Team an einem Konzept, wie die Schausteller zumindest einen Teil ihrer Einnahmen erzielen könnten. Dazu könnte man die Buden zum Beispiel als eine Art erweiterter Wochenmarkt stehen lassen oder in der Innenstadt auf verschiedene Plätze verteilen. "Es wird in alle Richtungen gedacht", sagt Beugel. Seine Leute seien auch im Gespräch mit den Schaustellern. Manche seien interessiert, andere weniger. "Bevor es aber konkret wird, brauchen wir noch die exakten Vorgaben aus München." Eile sei selbstverständlich geboten.


Erlangen: So leiden die Schausteller


"Kommunale Unterstützungsmaßnahmen können den Schaden nur eindämmen", betont die CSU-Stadtratsfraktion in einer Pressemitteilung, in der sie die Pläne des Wirtschaftsreferats ausdrücklich begrüßt. "Existenzsichernde Hilfen müssen von Land und Bund unbürokratisch folgen."

© Stefan Mößler-Rademacher

Bei allem Frust bemüht sich Ernst Stäblein, Organisator der Erlanger Waldweihnacht, positiv zu bleiben. "Die Absage ist eine absurde Situation und ein eklatantes Politikversagen", meint der Inhaber eines Kerzenstudios in Baiersdorf. Aber: "Es ist wie es ist." Die Budenbetreiber, die teilnehmen wollten, seien immerhin all ihre verderbliche Ware losgeworden. Vertreter der Bürgerstiftung und des Rotary Clubs hätten sie für gute Zwecke übernommen.

"In anderen Bundesländern bauen wir unsere Kerzenstände auf den Weihnachtsmärkten gerade auf - in Erlangen haben wir zweieinhalb Wochen lang vorbereitet und packen jetzt wieder ein." Wenigstens die bedürftigen Kinder sollen jetzt noch zum Zug kommen. "Wir haben hier rund 200 Wünsche auf dem Tisch liegen." Sie sollten auf der Waldweihnacht am Baum der Wichtel hängen, um erfüllt zu werden.

Kinderwünsche sollen doch noch in Erfüllung gehen

Damit das noch klappt, hat Stäblein eine Idee entwickelt: Am kommenden Samstag, 27. November, um 11 Uhr werden die Wunschzettel übergeben an sechs bis sieben Teams, die sich aus lokalen Prominenten und Sponsoren zusammensetzen. Beispielsweise Oberbürgermeister Florian Janik steht Pate für Wünsche, die Bürger, die das möchten, wahr machen können.


Schausteller-Chef empört über Absagen: "Der Christkindlesmarkt ist kein Saufgelage"


Und auch für die rund 200 Deko-Bäume vom Schlossplatz hat sich Ernst Stäblein etwas einfallen lassen. Bedürftige Familien mit Erlangen-Pass können am Samstag zwischen 11 und 13 Uhr am Schlossplatz vorbeikommen und sich einen Weihnachtsbaum mit nach Hause nehmen. Mitarbeiter helfen vor Ort beim Abbau. "Das ist sozusagen Christmas to Go", meint Stäblein, "und so können wir insgesamt 400 Mal Gutes tun". Für die Schausteller gebe es - neben in Aussicht gestellten Hilfen - eine große Welle der Solidarität. "Und ich bin zuversichtlich, dass sie dahin schwappt, wo es nötig ist."

Auch die Kommunen im Landkreis bemühen sich, Schaustellern und Geschäftsleute in der aktuellen Situation Alternativen zu bieten. Weil der Weihnachtsmarkt in Adelsdorf ausfällt, öffnen die Geschäfte am 1. Adventssonntag ihre Tore. Von 13 Uhr bis 18 Uhr sind die Läden rund um den Marktplatz geöffnet. Alle Fachgeschäfte werden vor ihrer Tür im Freien die Fragen der Kunden beantworten. Auch die Adelsdorfer Pfadfinder bieten an diesem Nachmittag vor den Läden ihren Adventskalender an.

Unter anderem auch die Gemeinden Heroldsberg, Eckental, Kalchreuth wollen Vereinen oder Schaustellern die Möglichkeit bieten, einzelne Buden eigenverantwortlich aufzustellen und zu betreiben.

Adam Kunstmann hilft das alles nichts in seiner Resignation. Er befürchtet schon jetzt, dass auch die Erlanger Bergkirchweih im kommenden Jahr nicht stattfinden kann. "In Erlangen müssen wir Schausteller ja fast schon dankbar sein, dass wir überhaupt existieren dürfen", meint er.

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