Demenzkranke ziehen in eine WG in Erlangen ein

27.1.2016, 12:00 Uhr
Demenzkranke ziehen in eine WG in Erlangen ein

© Foto: Harald Hofmann

Wer aus dem Fenster des hellen, sonnigen Raums am Eck der Wilhelminenstraße sieht, überblickt den gesamten Fußballplatz der Spielvereinigung Erlangen. „Ganz klar, hier muss ein Fußballfan einziehen“, sagt Gisela Niclas, Vorsitzende des Regionalverbands des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB). Die Biografien der Bewohner und deren individuellen Bedürfnisse sollen in der frisch eröffneten Demenz-WG berücksichtigt werden, erklärt sie. Denn selbstbestimmt und -verwaltet leben, das ist nur für wenige Demenzkranke Alltag.

Die zwölf Bewohner, die hier in Zukunft wohnen werden, können eigene Möbel mitbringen und damit nicht nur ihr eigenes Einzelzimmer gestalten, sondern auch den großen Gemeinschafts- und den Ruheraum, den alle Bewohner zusammen nutzen können. Insgesamt gibt es in dem Haus 600 Quadratmeter auf drei Etagen, hinzu kommt ein kleiner Garten mit einer Terrasse und einem Freisitz, in dem noch Hochbeete errichtet werden, sobald das Wetter etwas schöner wird.

In den meisten Fällen – rund 70 Prozent – werden Menschen mit Demenz von ihren Angehörigen gepflegt. Einfach ist das keinesfalls – die Beteiligten können sich schnell überfordert fühlen. In solchen Fällen geht es oft in stationäre Einrichtungen. „Unsere WG ist kein Konkurrenzmodell dazu“, sagt Niclas. Vielmehr ginge es darum, das vielfältige Angebot in Erlangen mit einer Versorgungsmöglichkeit zu ergänzen, in der sich Angehörige einbringen können und auch müssen.

Die WG-Bewohner oder – soweit sie nicht mehr für sich selbst sprechen können – ihre Verwandten bilden ein Gremium, das Entscheidungen trifft: von der Hauswirtschaft über die Auswahl des Pflegediensts bis hin zur Alltagsgestaltung. In den ersten zwei Jahren hilft Rosi Schmitt, Leiterin der ASB-Fachstelle für pflegende Angehörige im Landkreis Erlangen-Höchstadt, als Moderatorin bei der Organisation – danach soll der Bund nur noch die Mietverträge abschließen.

Kein „ambulantes Billigmodell“

„Die Demenz-WG ist kein ambulantes Billigmodell“, erklärt Gisela Niklas weiter. Die Miete beträgt 590 Euro kalt. Auch Menschen, die von Grundsicherung leben, können einziehen. Die Pflegeleistungen werden extra abgerechnet, jeweils nach der individuellen Pflegestufe des Bewohners. Auch wenn sich der Gesundheitszustand des Bewohners verschlechtert, muss er nicht ausziehen. Die Betreuung findet rund um die Uhr statt: Dreier-Teams, bestehend aus einer Fachpflegekraft, einem Helfer und einer Hauswirtschaftskraft, strukturieren den Tag. Auch nachts ist eine Fachkraft vor Ort.

Das selbstbestimmte Zusammenleben wird von intelligenter Gebäudetechnik unterstützt. In den Einzelzimmern sind Bewegungsmelder angebracht. Sensoren an den Türrahmen registrieren außerdem, ob Bewohner ihre Zimmer verlassen.

Die Städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewobau hat das Haus für insgesamt 1,8 Millionen Euro errichtet. Aktuell ist etwa die Hälfte der Zimmer noch zu haben: Sie möchten die Gruppe wachsen lassen, sagt Moderatorin Schmitt.

An der Demenz-WG Interessierte können sich unter der Telefonnummer (0 91 93) 5 03 31 91 an Rosi Schmitt vom Arbeiter-Samariter-Bund wenden.

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