Poesie mit Musik

Der Poetry Slam beim Poetenfest in Erlangen

30.8.2021, 12:30 Uhr
Open Air Poetry Slam beim 41. Erlanger Poetenfest im Kino an der Bleiche. Die Musik machte "Die Nowak".

© Harald Sippel, NN Open Air Poetry Slam beim 41. Erlanger Poetenfest im Kino an der Bleiche. Die Musik machte "Die Nowak".

Die Regeln sind bekannt: alle Verse von eigener Hand geschmiedet, keine Überlänge und kein Gebrauch von Requisiten. Allein der Dichter und sein Werk buhlen um die Gunst des Publikums. Vier Wortkünstler beiderlei Geschlechts treten an. Nach zwei Durchgängen wird anhand des Applauses und dem feinen Gehör der Jury (Moderator Lucas Fassnacht und die Musikerin Die Nowak) die größte Zustimmung festgestellt. Die beiden Poeten mit dem meisten Applaus treten dann in einer K.o.-Runde nochmal an.

Kaleb Erdmann beim Poetry Slam an der Bleiche.

Kaleb Erdmann beim Poetry Slam an der Bleiche. © Harald Sippel, NN

Dass die Pegasusritter auf der witzigen Bahn meist am besten reiten, wogegen sperrige oder melancholische Gedichte es schwerer haben, ist ein Erfahrungswert. Indes, diesmal hielt der Slam so einige Überraschungen bereit. Vielleicht lag es auch an der Einstimmung des Publikums durch die Musikerin „Die Nowak“, die am Keyboard sowohl humorige als auch abgrundtief böse Beziehungsauflösungs-Balladen zum besten gab. So aufgelockert, ist das poetische Gehör bereit für jede Wortsaat.

Kaleb Erdmann aus Leipzig spürt dem Neonazismus nach, der angeblich als Reaktion auf die sozialen Zumutungen der Moderne jedweder Art entstehen soll. Mit dieser Erklärung ließe sich ja alles entschuldigen, und das lässt der Dichter nicht gelten. Mit Ausreden wie „Ich bin überfordert vom Konzept Monogamie“, oder „Bus verpasst - Sieg Heil!“ hat er die Lacher auf seiner Seite. Erst recht, wenn Erdmann im zweiten Anlauf in den Niederungen der Trash-Unterhaltung sich suhlt, und dies als besonders dekadentes Vergnügen der Intellektuellen, die sich am Schwachsinn des Prekariats weiden, deklariert. So entsteht eine Spiegelfechterei: die Zuhörer lachen über den Trash, über die Dumpfbacken und über die Intellektuellen gleichermaßen. Über sich selbst auch?

Schwere Kost aus Wien

Schwere Kost bietet Katharina Wenty aus Wien: in all ihren Gedichten widmet sie sich den Grenzzuständen der Psyche, wandert durch die Schattentäler der Neurosen, der Paranoia und der Schizophrenie. Dies geschieht durch ellenlange Satzgirlanden, die durch ein Labyrinth der geteilten Wahrnehmung führen. Die „kranke“ Persönlichkeit versucht sich mitzuteilen, ihr „gesunder“ Zuhörer (also wir) vermögen ihr nur etappenweise zu folgen. Texte, die man hören kann, aber mehrfach lesen muss, um sie auszudeuten.

Lustiger wird es wieder, wenn die Heidelbergerin Marsha Richarz aus dem Nähkästchen der Inklusionsschule plaudert, speziell zum Thema sexuelle Aufklärung und Weiterbildung. Die Zuhörer johlen, wenn das queere Paar Bibi und Tina wie weiland Hanni und Nanni ihre Erfahrungen sammeln, sowie über die konsistenten Gemeinsamkeiten von Kondomen und Gummibärchen. Fazit: „Klärt die Kinder nicht auf, dann weckt man auch keine schlafenden Hunde.“ Beim zweiten Durchgang indes, wenn die Herren sich dem feministischen Diktat unterwerfen, gefriert das Grinsen bei den Männern. Wie soll man aber auch flirten können, ohne sich des Verdachts der sexuellen Belästigung auszusetzen?

Zum Schluss erzählt Omar Khir Alanam von den phonetischen Überschneidungen der deutschen und der arabischen Sprache, die freilich mitunter ganz andere Begriffe anzeigen. Vom Humorigen zum bitteren Ernst ist es aber nur ein kleiner Schritt, so, wenn Alanam eine Verhörszene nach syrischem Modus nachstellt, oder wenn er ein Liebesgedicht in seiner arabischen Muttersprache vorträgt.

Sex, Politik und soziale Konflikte

Siegerin ist am Ende nach diffiziler Applausüberprüfung Katharina Wenty. Dass deren schwer zugängliche Gedichte über Spaßverse zu Sex, Politik und soziale Konflikte obsiegen, überrascht. Freilich, eine freudige Überraschung.

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