„Die 60er Jahre waren eine wahnsinnig intensive Zeit“

6.4.2013, 00:00 Uhr
„Die 60er Jahre waren eine wahnsinnig intensive Zeit“

Der Bassist hatte Liebeskummer oder andere Probleme. So schob er sich im Beat-Zelt auf der Bergkirchweih, in der Pause zwischen zwei Sets, eine Gaspistole in den Mund und drückte ab. Der Wirt benötigte dringend eine neue Band, und so kam „Bentox“ um die Schweizer Zwillingsbrüder Andreas (Bass, heute Chef

„Die 60er Jahre waren eine wahnsinnig intensive Zeit“

der Kleinkunstbühne „fifty fifty“) und Lucian (Hammond-Orgel, heute Stimmbildner und Gesangslehrer in Bubenreuth) zum Zug. Zu der Formation „Bentox“ gehörte neben Lucky Schmidt (Schlagzeug) und Thomas Leidenberger (Gitarre) auch der Sänger Franz Seeberger, heute Chef des „Star-Clubs“ in der Stubenlohstraße.

„Die 60er Jahre waren eine wahnsinnig intensive Zeit“

Musik und Mädels: „Die 60er waren anfangs noch harmlos“, erinnert sich Andi Büeler. Als Erlanger Jugendlicher saß man auf den Steintreppen im Röthelheimbad, man sah und wurde gesehen, und wer konnte, machte Musik, natürlich meist auf der Gitarre. Die Stadt hatte ein Herz für den Nachwuchs und baute 1963 den Frankenhof mit integriertem Jugendzentrum. Die neue Pilgerstätte für die Erlanger Jugend war geboren, man traf sich, um sich näher kennen zu lernen, in den Fluren, im Außenbereich oder im sogenannten „Pferdestall“ im Keller, wo es auch eine Bar gab. „Es war natürlich eine große Brunftzeit“, schmunzelt Büeler. Und immer wurde irgendwie musiziert, sogar in Gestalt von Bandwettbewerben.

Und die Siemens-Lehrlinge Andreas und Lucian Büeler wollten eben auch Musik machen — im Band-Rahmen. „Als wir ,Bentox‘ gegründet hatten, gingen wir in die Phono-Bar bei Elektro-Rinke zum Plattenkauf. Wir haben die Akkorde und Texte rausgeschrieben, alles auswendig gelernt, die Instrumente teilweise selber gebaut und mit dem Geld aus Ferien-Jobs neue Verstärker auf Pump gekauft.“ Aufgespielt wurde immer zum Tanz — in Lokalen wie der „Milch-bar“ in der Schiffstraße oder dem „Reichsadler“ in der Kirchenstraße, im „Schwarzen Bär“ in Buckenhof, bei der Spielvereinigung Büchenbach, beim „Brücken-Paulus“, in einem aufgelassenen Gurkenlager in Hemhofen, in Weißenohe, Bamberg und Coburg, im Ansbacher Onoldiasaal, häufig und immer wieder in „Ami-Clubs“ und — ohne Erlaubnis! — auf dem Dach des Bekleidungshauses Wöhrl in Erlangen.

Präsentiert wurden Songs der „Everly Brothers“, der „Beatles“, der „Rolling Stones“, der „Kinks“ und der „Byrds“. Die Band „Bentox“ spielte bis zur totalen Erschöpfung ihrer Mitglieder: Mittwoch, Freitag, Samstag, und Sonntag zum Tanztee ab 17 Uhr. Die Abende dauerten von 20 bis ein Uhr nachts, gespielt wurden stets mehrere Sets, „wir hatten 80 Songs im Repertoire“, so Lucian Büeler. „Wir spielten wahnsinnig viel, verfremdeten das Song-Material teilweise und kreierten unseren eigenen Sound“ — der Schritt in die Professionalität war vorgezeichnet.

Traumatische Erfahrungen

„Ab 1967/68 veränderte sich dann alles: Klamotten, Werbung, Grafik, Kunst, alles wurde anders, farbiger, es wurde anders miteinander kommuniziert, es war wie ein Befreiungsschlag“, erzählt Andi Büeler. Hippietreffen im Erlanger Schlossgarten hier, traumatische Erfahrungen bei der legendären „Bentox“-Vietnamtournee dort: „Klima und Atmosphäre waren eben anders Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre“, sagt Andi Büeler rückblickend. „In den 70er waren eher Drogen und Exzesse angesagt, bei den Konzerten wurde auch nicht mehr getanzt, sondern nur noch gehascht.“

Nach dem Ende von „Bentox“ und der Gründung von „Wind“ griff

man noch einmal nach den Sternen, brachte zwei vielgerühmte Langspielplatten heraus, aber ungünstige Umstände verhinderten eine Fortsetzung. Und doch sind sich die Büelers einig: „Die Jahre 1964 bis 1972 waren für uns eine wahnsinnig intensive Zeit, in der wir unheimlich viel Spaß gehabt hatten.“

 

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