Die Abteilung "häusliche Gewalt" bei der Polizei Erlangen

25.11.2020, 10:30 Uhr
Die Abteilung

© Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Frau Kleist, wie häufig findet häusliche Gewalt in Erlangen statt?

Das variiert sehr stark, pauschal kann man das nicht sagen. Was man aber sagen kann ist, dass jede Woche Fälle der Polizei bekannt werden.

 

Ist das dann wirklich so stereotyp, wie man das aus Filmen kennt: Die sozial und wirtschaftlich schwache Familie, wo der arbeitslose Vater die Mutter und die Kinder verprügelt?

Das gibt es, ja. Aber häusliche Gewalt zieht sich vielmehr durch alle Gesellschaftsschichten, durch alle Altersklassen. Es gibt auch Männer, die betroffen sind. Es sind häufig Beziehungskonflikte, die eskalieren. Und das kann in wirklich allen Familien vorkommen.

Wie helfen Sie?

Indem wir zuhören, indem wir Lösungsmöglichkeiten anbieten, indem wir vermitteln und schützen. Hier helfen uns in Erlangen wirklich viele, ganz tolle Einrichtungen wie das Frauenhaus, der Weiße Ring oder auch das Familiengericht, dass wir sehr schnell und direkt Menschen helfen können, die Hilfe benötigen. In aller erster Linie sind wir aber für die Strafverfolgung und Abwehr von Gefahrensituationen zuständig. Das heißt, dass wir den Aggressor gegebenenfalls aus der Wohnung verweisen oder auch in Gewahrsam nehmen.

Nun ist die Dunkelziffer sicher hoch, viele werden Hemmungen haben, sich an die Polizei zu wenden.

Das ist richtig. Manche Menschen haben Angst, was die Nachbarn denken, wenn uniformierte Beamten klingeln oder der Streifenwagen vor der Tür steht. In akuten Fällen lässt sich das auch nicht vermeiden. Im Nachgang können sich Betroffene jedoch auch telefonisch an uns wenden und erfahren Beratung oder können jederzeit zur Dienststelle kommen. Sowohl zur Beratung, als auch zur Anzeigeerstattung. Viele kommen in Begleitung einer nahestehenden Person und erfahren dadurch Unterstützung.

 

Ist da der erste Schritt der schwierigste: zu erkennen, dass man sich helfen lassen muss?

Dieser Schritt ist auf jeden Fall für viele Opfer sehr schwierig. Weil jeder Mensch auch unterschiedlich ist in seiner Wahrnehmung. Manche schämen sich, manche wollen ihren Partner, der zum Täter wird, schützen.

 

Ist das für Sie persönlich nicht deprimierend, wenn jemand Ihnen sein Herz ausschüttet, ein vielleicht jahrelanges Martyrium dabei ist zu beenden – und dann am nächsten Morgen anruft, um die Anzeige doch wieder zurückzuziehen?

Nein, ich bin der Meinung, dass jeder selbstverantwortlich handelt. Ich kann den Menschen nicht vorgeben, wie sie zu leben haben. Schwierig ist es natürlich, wenn man weiß, dass Dritte darunter leiden – also Kinder. Aber es ist mir wichtig, dass sie wissen, dass Hilfe da ist, wenn sie sie brauchen.

 

Manchmal tun sich Menschen schwer einzuschätzen, ob das, was sie durchleben, nicht selbst verschuldet ist.

Nichts darf dazu führen, dass man körperliche oder seelische Gewalt erleiden muss. Schon das erste Mal ist hier einmal zu viel.

 

Die Fälle, die Sie behandeln, sind häufig emotional. Auch Kinder sind betroffen. Wie schaffen Sie es, das nicht zu sehr an sich heranzulassen?

Beruf und Privatleben muss man strikt trennen, die Dinge in der Dienststelle lassen. Aber natürlich gehen mir auch besonders emotionale Fälle dann zu Hause mal durch den Kopf. Ich denke, das ist auch menschlich. Gerade dieser Sachbereich häusliche Gewalt erfordert ja auch ein hohes Maß an Empathie.

 

Wie verarbeiten Sie diese Fälle dann, damit Sie sich nicht zu Hause noch beschäftigen?

In der Dienststelle reden wir darüber mit den Kolleginnen und Kollegen. Privat hilft mir der Sport dabei abzuschalten. Aber ganz funktioniert es wie gesagt nicht immer.

 

Wann, Frau Kleist, gehen Sie glücklich nach dem Dienst nach Hause?

Das ist eine schwierige Frage. Mein Antrieb ist immer die Gerechtigkeit, daher würde ich sagen: Sowohl, wenn sich ein Paar wieder findet und ohne Gewalt glücklich alt wird. In anderen Fällen, wenn ich derart helfen konnte, dass ein Opfer keine Gewalt mehr erleiden muss, wenn all die Institutionen, die wir haben, es zum Beispiel einer Frau ermöglichen, auch ohne ihren Mann die Kinder zu versorgen und ein glückliches Leben zu führen. Da spüre Dankbarkeit. Und dann bin auch ich glücklich.

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