Die Erlanger Altstadt — eine schlafende Schönheit

16.9.2019, 10:00 Uhr
Beim EN-Stammtisch im Biergarten des Erlanger E-Werks stand die Altstadt im Zentrum: Über das Thema sprachen (von links) Kulturredakteur Stefan Mößer-Rademacher, Wirtschaftsreferent Konrad Beugel, die frühere Geschäftsinhaberin Annette Pfeiffer, Modeschneiderin Susanne Spitz, Redaktionsleiter Markus Hörath und Gastronom Till Stürmer.

Beim EN-Stammtisch im Biergarten des Erlanger E-Werks stand die Altstadt im Zentrum: Über das Thema sprachen (von links) Kulturredakteur Stefan Mößer-Rademacher, Wirtschaftsreferent Konrad Beugel, die frühere Geschäftsinhaberin Annette Pfeiffer, Modeschneiderin Susanne Spitz, Redaktionsleiter Markus Hörath und Gastronom Till Stürmer.

Dort nämlich saßen mit Wirtschaftsreferent Konrad Beugel, Ladeninhaberin Susanne Spitz, der früheren Geschäftsbesitzerin Annette Pfeiffer und dem Gastronom Till Stürmer Fachleute auf dem Podium, die beim Thema "Leben in der Altstadt" wirklich genau wissen, worüber sie reden und — das war das Entscheidende — die positiven Seiten ins Zentrum rücken und eben nicht in das übliche Klagelied einstimmen wollten.

Kritikpunkte, da waren sich die Podiumsgäste trotz aller Unterschiede einig, gibt es freilich viele: Sie fangen bei der Verkehrssituation an, gehen über das Kaufverhalten der Erlanger (Pfeiffer: "Manchmal meint man, die Erlanger kaufen lieber in Mailand ein als in ihrer eigenen Stadt") bis hin zum zunehmenden Online-Handel. So stellte Spitz fest: "Die meisten Jüngeren kaufen nicht mehr vor Ort, sondern bestellen 20 Paar Schuhe im Internet und schicken bis zu 19 Paar wieder zurück".

Dazu kommen hohe Miet- und Kaufpreise: "Ich habe das Gefühl, dass in der Innenstadt zu wenigen Menschen in zu hohem Alter einfach zu viel gehört", formulierte Spitz diplomatisch und dennoch deutlich in Richtung einiger alt eingesessener Familien, die in der Innenstadt reichlich Immobilien besitzen. "Die lassen ihre Häuser lieber leer stehen".

Auch die oft hilflos wirkenden Versuche vonseiten der Stadt, dem Geschäftesterben nördlich der Heuwaagstraße etwas entgegenzusetzen, kamen zur Rede. So hätten etwa Maßnahmen wie Regenschirme oder Klappstühle mit dem Logo "Hier lang, wir finden uns gut — die Erlanger Altstadt" dort auch nicht zum erhofften Anstieg von Besuchern und Kunden geführt, führten Spitz und Pfeiffer an. Doch die von allen immer wieder wie ein Zauberwort ins Spiel gebrachte "Besucherfrequenz" stellte sich nicht ein.

Die Konsequenz: Mancher Geschäftsinhaber macht zu — so wie Annette Pfeiffer. Die Schilderung ihrer Beweggründe gehörte an diesem Vormittag mit zum Bewegendsten der ganzen Veranstaltung.

"Es ist schwer", sagte Annette Pfeiffer vor rund 100 Zuhörern, "wenn man den ganzen Tag über im Laden steht und keiner kommt." Sie hat sich die Entscheidung, das Traditionsgeschäft aufzugeben, nicht leicht gemacht. Vor allem deshalb, weil sie weiß, welche Folgen ein solcher Schritt für die Geschäfte in der Nachbarschaft hat.

Aber dann kam der Moment, an dem sie wusste, so geht es nicht weiter: "Es war wieder ein Tag allein, ohne einen einzigen Kunden, die Zeit zwischen 9.30 Uhr und 18 Uhr zieht sich wie Kaugummi und man fühlt sich richtig überflüssig." Damit ist die 143-jährige Ära von "Pfeiffer Leder & Mode" zu Ende. Doch nur Jammern will die frühere Geschäftsinhaberin nicht. Eben sowenig wie ihre Mitdiskutanten.

Vielmehr herrschte Konsens darüber, dass die nördliche Altstadt (wahrscheinlich) mit die hübschesten Ecken der gesamten Stadt hat. "Wir müssen die optische und inhaltliche Schönheit noch mehr herausstellen", forderte daher Lokalbetreiber Till Stürmer ("Arizona", "Casa Caponi"). Dazu müsse man die Leute neugierig auf das Viertel machen und sie (mit etwas Besonderem) gezielt in das Gebiet ziehen. Dass das möglich ist, zeigen bereits Geschäfte und Gastronomie. Läden wie der "Papierladen" in der Wasserturmstraße oder auch die Eisdiele "Eisliebe" in der Hauptstraße sind hierfür gute Beispiele.

Das aber reicht noch nicht aus. Die Altstadt müsse auch als Lebensraum attraktiver werden, etwa durch mehr Bänke, Bäume und Blumen. Diese Vorschläge brachten Altstadt-Einzelhändler bei der Stadt vor, berichtete Maßschneiderin Spitz. Umgesetzt seien sie aber nur halbherzig worden.

Beugel hatte da als Stadtvertreter eine Sonderrolle, die er aber mit der ihm eigenen Souveränität ausfüllte. "Ich wünsche mir den Erlanger so, dass er Ideen, die vielleicht nicht ihm direkt helfen, aber dafür 100 anderen, auch gut findet und nicht immer nur ich, ich, ich sagt", meinte er zum Abschluss.

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