"Die Stadt steht hervorragend da"

8.12.2019, 09:00 Uhr

© Edgar Pfrogner

Herr Janik, auf was sind Sie in der fast abgelaufenen Legislaturperiode besonders stolz?

Wir haben, glaube ich, wirklich viel auf die Beine gestellt. Die Stadt steht heute hervorragend da: niedrigste Arbeitslosigkeit, hohe Beschäftigung, ganz hoher Lebensstandard, niedrige Kriminalität, so viel Investitionen wie noch nie und gleichzeitig massive Entschuldung. Wenn ich aber wirklich auf etwas stolz bin, dann auf die Menschen in dieser Stadt und dass wir unser Stadtmotto "Offen aus Tradition" mit Leben füllen, zum Beispiel wenn eine Demo gegen Rechtspopulisten ansteht und die Menschen auf die Straße gehen. Und dass die Menschen helfen, wenn Flüchtlinge in unsere Stadt kommen.

 

Vorausgesetzt Sie werden wiedergewählt, was wollen Sie anders machen als in den vergangenen sechs Jahren?

Erlangen verwandelt sich derzeit durch den Siemens-Campus und den anstehenden Umzug wichtiger Teile der Universität in den Himbeerpalast. Unsere Stadt wird in ein paar Jahren ein Stück weit anders aussehen. Wir müssen uns aber trotz der Geschwindigkeit und dem Druck, der mit den Veränderungen einhergeht, noch mehr Räume schaffen, um wichtige Fragen gemeinsam zu diskutieren. Da möchte ich noch zulegen.

 

Es liegt ja nicht alles in der Hand der Stadt. Man hat Partner, Mitspieler und auch Gegenspieler. Wie eng ist man da verzahnt und wie sind die Möglichkeiten, eine Linie vorzugeben?

Die großen Interessen, sind ja im Wesentlichen gleichgerichtet. Wir haben jetzt die Chance, und das unterscheidet uns von ganz vielen anderen Städten, einen Strukturwandel zu gestalten und uns aufzustellen für die nächsten vierzig, fünfzig Jahre ohne durch ein Tal der Tränen gehen zu müssen. Klar gibt es manchmal unterschiedliche Interessen, doch das große Ziel, die Stadt fit zu machen für die Zukunft, eint die großen Player in der Stadt.

 

Mit Ihnen sollte ein neuer Politikstil ins Rathaus einziehen, orientiert an den Interessen der Bürger. Die haben sich aber nicht immer durch Sie vertreten gefühlt.

Mir war und ist es wichtig, dass Menschen sich nicht nur alle sechs Jahre an Kommunalpolitik beteiligen können. Es gab noch nie so viele Möglichkeiten, sich in der Stadt einzubringen wie im Augenblick. Außerdem haben wir hart daran gearbeitet, um mehr Transparenz herzustellen, was in der Stadt läuft. Aber klar ist auch, dass Entscheidungen in der Stadt nie konfliktfrei sind. Deshalb überrascht mich Kritik überhaupt nicht, es wäre komisch, wenn es sie nicht gäbe, weil dann wären wir uns ja alle immer einig. Ich glaube, dass es für eine demokratische Gesellschaft nicht erstrebenswert ist, immer in allem einig zu sein. Und letztlich macht Kritik auch besser.

 

Trotzdem gab es vier Bürgerentscheide allein in Ihrer Amtsperiode. Das ist rekordverdächtig.

Erlangen ist seit Einführung der Bürgerentscheide sozusagen Hauptstadt der Bürgerentscheide.

 

Verfluchen Sie den Tag als Bürgerentscheide eingeführt wurden?

Nein, überhaupt nicht. Als SPD haben wir uns jahrelang dafür eingesetzt, dass es ein solches Instrument gibt. Ich finde es wichtig, dass die Bürger die Möglichkeit haben, Entscheidungen des Stadtrats oder des Oberbürgermeisters zwischen Wahlen zu korrigieren. Ich will das Instrument auf gar keinen Fall missen. Mit Blick auf die zwei Entscheide, die nicht so ausgegangen sind, wie ich mir das vorgestellt habe, ist es uns nicht gelungen, uns die Zeit für eine wirklich intensive Diskussion zu nehmen. Das ist ein Fehler, den ich mir ankreide, aus dem ich aber auch gelernt habe.

 

Können Sie sich vorstellen, dass das nicht nur gelebte Bürgerbeteiligung ist, sondern auch ein Ausdruck von Unzufriedenheit mit Ihrer Amtsführung ist?

Natürlich war das auch Kritik an mir. In allererster Linie war es aber, wenn ich zum Beispiel an die Abstimmung über die Landesgartenschau denke, Kritik an einer Sachfrage.

 

Wie gehen Sie generell mit Kritik um?

Meine Haltung ist: Kritik macht besser. Allerdings bin ich auch ein Mensch und da gibt es manchmal Momente, da nimmt man Kritik gerne entgegen und es gibt Momente, da sagt man sich, die Kritik hätte ich jetzt ganz gerne nicht gehört. Mir ist aber wichtig, dass mich Menschen umgeben, die mir auch mal sagen können, ey, da hast Du richtig Mist gemacht. Und ich hoffe und arbeite daran, dass ich in solchen Momenten die Kritik annehme und was daraus lerne.

 

Nicht alles, was in der Koalitionsvereinbarung von SPD, Grünen und FDP vereinbart war, wurde umgesetzt. Beispiel Gewerbegebiet.

Wenn ich auf die Koalitionsvereinbarung, aber auch auf das Wahlprogramm schaue, dann kann ich nur sagen: Versprochen, gehalten. Wir haben geliefert. Wir haben den ErlangenPass eingeführt. Das Westbad ist in Betrieb und ein Publikumsmagnet. Wir haben viele Kita-Plätze geschaffen. Weitere sind in Bau und in Planung. In die Schulen sind Millionen Euro geflossen. Und Stichwort Wirtschaftsstandort: Mit dem Siemens-Campus, den Verdichtungen in Frauenaurach, der Weichenstellung für die TechFak, haben wir ein paar richtig große Räder gedreht und die Voraussetzungen geschaffen, dass dieser Standort sich weiter entwickeln kann. Für ein neues Gewerbegebiet braucht man Zeit. Da muss viel miteinander gesprochen und überzeugt werden.

 

Weiteres Beispiel: Wohnen. Auch wenn sich die Gewobau bemüht hat, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, so ist das bei weitem nicht ausreichend. Wohnen in Erlangen ist für mittlere und untere Einkommensschichten schier unbezahlbar.

Wohnen ist die soziale Frage in Erlangen. Das war sie vor fünf Jahren und das ist heute unverändert. Wir haben als Stadt alle Instrumente genutzt, um Wohnungsbau anzukurbeln und werden das auch weiter tun. Beim geförderten Wohnungsbau haben wir sogar die Trendwende geschafft. Wir haben es 2018 geschafft, mehr geförderte Wohnungen zu haben als im Jahr davor – obwohl durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen noch immer viele Wohnungen aus der Sozialbindung fallen. Es war ein riesiger Erfolg und eine große Kraftanstrengung aller Beteiligten.

Klar ist aber auch, dass Kommunen an Grenzen stoßen. Deshalb brauchen wir eine andere Gesetzgebung. Wir brauchen ein anderes Bodenrecht. Wir brauchen verstärkte Vorkaufsrechte, um auch gestaltend eingreifen zu können. Wir brauchen Mittel gegen den Mietpreiswucher. Eine andere Art und Weise, den Mietspiegel zu gestalten. Eine ganze Latte von Maßnahmen. Auf Bundesebene tut sich zwar was, aber bei weitem nicht mit der Geschwindigkeit, die wir bräuchten, um da vor Ort massiv entgegenwirken zu können.

 

Könnte da ein Mietendeckel á la Berlin weiterhelfen?

Ein Mietendeckel könnte uns höchstens eine Atempause verschaffen. Was wir brauchen ist eine Möglichkeit, um dauerhaft den Anstieg von Mieten zu minimieren.

 

Thema Verkehr. Außer Spesen nichts gewesen, werden manche jetzt in der Stadt sagen. Wie sehen Sie das?

Wir müssen es schaffen, dass immer mehr Menschen auf ihr Auto verzichten beziehungsweise verzichten können. Dabei geht es nicht nur um Klimaschutz, sondern auch um Lebensqualität. Die schönsten Orte in Erlangen sind nicht die Orte, wo viele Autos fahren und parken. Die schönsten Orte in unserer Stadt sind dort, wo die Menschen Freiraum haben, wo man sich frei bewegen kann.

Mit dem Verkehrsentwicklungsplan haben wir nicht nur geplant, sondern auch umgesetzt. Wir haben Busspuren ausgebaut, das Sozialticket ausgeweitet, das Semesterticket eingeführt und ab Januar gibt es das 9-Uhr-Abo für 25,50 Euro im Monat. Im nächsten Jahr kommt außerdem das 365-Tage-Abo für Schülerinnen und Schüler. Viele, viele Buslinien werden stärker am Bedarf orientiert umstrukturiert. Stichwort: Fahrrad und Fußgänger.

Wir haben viele Lücken im Radwegenetz der Stadt gestopft und haben dem Fahrradverkehr durch Markierungen mehr Bedeutung gegeben. Am Anfang nicht zur Zufriedenheit aller. Außerdem haben wir ein Augenmerk auf die Fußgänger gelegt und Teile der Innenstadt verkehrsberuhigt. Und ganz nebenbei planen wir mit der Stadt-Umland-Bahn auch noch das größte Straßenbahnprojekt der Republik. Und wir haben Erfolg: 2018 gaben bei der Bürgerbefragung nur noch 29 Prozent der Erlanger an, das Auto sei ihr Hauptverkehrsmittel. 2010 waren das noch knapp 40 Prozent. Die größte Herausforderung bleibt aber der Pendlerverkehr.

 

Also Autos raus, von den Arcaden bis zur Wasserturmstraße?

Es muss eine Balance geben zwischen neuen Angeboten und Maßnahmen, um Autos aus der Stadt herauszubekommen. Mit dem ersten Schritt aus dem "Verkehrskonzept Innenstadt" sind wir einen guten Weg gegangen. Jetzt müssen wir etwas auf der Angebotsseite machen, zum Beispiel braucht es auf dem Großparkplatz dringend mehr Parkmöglichkeiten, damit wir auf Stellflächen in der Innenstadt verzichten können. Ich würde mir vom Gesetzgeber auch die Vorgabe flächendeckend Tempo 30 in der Stadt wünschen, weil das den Verkehr noch einmal deutlich beruhigt.

 

Kritik gibt es darüber hinaus an der Entscheidung des Stadtrats den Klimanotstand in Erlangen auszurufen. Jetzt hat auch die EU gleichgezogen. Fühlen Sie sich dadurch in Ihrer Entscheidung bestärkt?

Wir fühlen uns in guter Gesellschaft. Klar ist, dass wir beim Klimaschutz die Trendwende schaffen müssen. Daher auch der Begriff Klimanotstand. Nach dem symbolischen Beschluss folgen jetzt konkrete Maßnahmen, und die kann man an vielen Stellen im Haushalt der Stadt Erlangen finden.

 

Herr Janik, befürchten Sie, dass sich der Abwärtstrend der SPD auch auf das Erlanger Ergebnis auswirken wird?

Ich fühle mich nicht als Mitglied einer sterbenden Minderheit, sondern gerade hier in Erlangen als Mitglied einer wirklich quirligen und quicklebendigen Partei.

 

Sie sind jung und waren bei der vergangenen Wahl auf Kommunal-Ebene die große Überraschung. Keine Ambitionen, es mal auf Landes- oder Bundesebene zu versuchen, zum Beispiel wenn Sie nicht mehr wiedergewählt werden sollten?

Ich bin in Erlangen geboren und aufgewachsen. Ich habe nie anderswo gelebt als in Erlangen. Für mich ist die Aufgabe, Oberbürgermeister meiner Heimatstadt zu sein, wunderschön. Ich bin überzeugter "Kommunaler" und bleibe das auch.

 

Konkrete Angebote von der Bundespartei beziehungsweise vom Landesverband hat’s aber geben, oder?

(Schweigt lange und sagt dann:) Ich konnte stets widerstehen.

 

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