Diskussion im E-Werk in Erlangen: Wie wird mit Sexismus umgegangen?

29.3.2021, 15:30 Uhr
Diskussion im E-Werk in Erlangen: Wie wird mit Sexismus umgegangen?

© Harald Sippel

"Wir halten eine diskriminierungsfreie, gendersensible Berichterstattung in den Medien für eine Säule unserer Demokratie", sagte Christina Nießen-Straube, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erlangen, in ihrer Einleitung zu der Podiumsdiskussion am Freitag im E-Werk, die im Live-Stream übertragen wurde.

Dieses Anliegen verfolgt auch der offene Brief gegen die "sexistische Berichterstattung" der Erlanger Nachrichten, der von über 80 Gruppen und Einzelpersonen unterzeichnet wurde. Das Thema, um das es ging, hatte hohe Wellen weit über die Grenzen Erlangens hinaus geschlagen: Zum Internationalen Frauentag war in den Erlanger Nachrichten ein Interview mit dem Schlagersänger Peter Wackel erschienen. Auf die Kritik daran wurde in Form eines Gesprächs in der Rubrik "Wochenrückblick" reagiert, das entsprechende Video wurde auf Instagram gepostet.

Wunsch nach inhaltlicher Auseinandersetzung

"Wir hätten uns eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Kritik gewünscht", so Nießen-Straube. Doch dies sei nicht erfolgt. Umso mehr begrüße sie das Diskursangebot der EN in Form dieser Veranstaltung.

"Als Gleichstellungsbeauftragte ist es uns wichtig herauszustellen, dass es bei den Auseinandersetzungen und auch bei Entschuldigungen eben nicht um verletzte Gefühle der RezipientInnen geht, sondern um Inhalte, die explizit vermittelt werden, und um eine grundsätzliche Haltung von JournalistInnen."

Fünf Leute auf dem Podium

Auf dem Podium saßen Christoph Benesch (stellvertretender Leiter der Lokalredaktion der Erlanger Nachrichten und zugleich Autor des Interviews), Michael Husarek (Chefredakteur Nürnberger Nachrichten), die Moderatorin und Initiatorin der Veranstaltung Kathi Mock (in Erlangen auch als Poetry Slammerin bekannt) , Helena Rinke (die Initiatorin der Kritik auf Instagram, Social Media Managerin und Antidiskriminierungsbeauftragte bei einem Jobnetzwerk für den Bereich Nachhaltigkeit und Soziales) und Alba Wilczek (Journalistin beim BR Zündfunk, Social Media Managerin, DJ).

Die Diskussion trug den Titel "Sprachpolitik vs. Sprachpolizei – Bewusstsein für Vielfalt im Lokaljournalismus". Mit einem Kommentar vertreten war außerdem Ella Schindler (Volontärsverantwortliche im Verlag Nürnberger Presse und Mitglied im Vorstand der Neuen Deutschen Medienmacher*innen).

Frauenfeindliche Äußerungen verharmlost?

Christina Nießen-Straube formulierte die "grundsätzliche Frage", die den Kernpunkt des Abends bildete: "Warum wird am internationalen Frauentag jemandem eine Stimme gegeben, der damit Geld verdient, auf Partys Stimmung mit frauenfeindlichen Liedzeilen zu erzeugen?" In dem Interview seien Frauen und Geschlechterrollen stereotypisiert worden und frauenfeindliche Äußerungen nicht nur nicht reflektiert und problematisiert, sondern im Gegenteil weitertransportiert und sogar verharmlost worden.

Deutlich wurde im Verlauf der Diskussion, dass das Interview nur ein Beitrag von vielen war, die zum Weltfrauentag in den Erlanger Nachrichten erschienen. Er habe es interessant gefunden, auch einen Mann zu hören, der polarisiere, sagte Christoph Benesch. Und zwar vor dem Hintergrund, wie sich die Partymusik entwickelt, ob diese Form der Kunst bei dem gestiegenen Selbstbewusstsein der Frauen überhaupt eine Zukunft habe und wie das Frauenbild von Peter Wackel tatsächlich aussehe.

Videoformat eingestellt

Man hätte weitaus kritischer nachfragen können, das Interview normalisiere sexualisierte Inhalte, kritisierte Helena Rinke ebenso wie Alba Wilczek und Kathi Mock, die sich als Moderatorin schwer damit tat, sich auf eine neutrale Position zurückzuziehen. Vor allem das Video habe offenbart, dass viel Sensibilisierung fehle, meinte Helena Rinke. "Wir haben da Fehler gemacht und werden aus diesen Fehlern auch lernen", sagte Chefredakteur Michael Husarek. Das Videoformat "Wochenrückblick" habe man eingestellt.

"Ich hätte das Interview nicht geführt. Ich hätte dieses Video nicht gemacht", sagte die Volontärsbeauftragte Ella Schindler. "Beurteilen Sie uns nicht nach einem Werk, die Erlanger Nachrichten sind weitaus mehr als das", fügte sie hinzu. "Lesen Sie viel von uns." Auch sei für Medienschaffende die Rückmeldung der Leser wichtig. "Dieses Korrektiv brauchen wir."

Ethik in den Medien

Schindler griff aus dem durchweg sehr regen Chatverlauf die Frage nach der Ethik in den Medien auf. "Das Thema heute lautet: Sensibilität und Vielfalt, Diversität im Lokaljournalismus." Es gebe im Verlag sehr viele Redakteure, die sich bemühen, Diversität thematisch aufzugreifen. Bei der Ausbildung werde besonderer Wert auf Themen wie Feminismus und Ethik in den Medien gelegt, auch sei es ihr wichtig, die Sensibilität der Volontäre in Bezug auf Intersektionalität zu schärfen.

Eine andere Wahrheit aber dürfe auch nicht verschwiegen werden: Dafür, dass man Diversität in der Berichterstattung Raum gebe, ernte man von manchen Menschen auch Prügel. Christoph Benesch betonte, dass in der Arbeit der Journalisten der Fokus immer wieder auf Gruppen in der Gesellschaft gelegt würde, die Problematiken ausgesetzt sind. "Wir haben diesen Themen immer Raum gegeben."

Keine Sympathie für Hasskommentare

Zur Sprache kam auch die Schwierigkeit, bei derartigen Themen die Reaktionen in den sozialen Medien zu kontrollieren. Die Podiumsteilnehmerinnen distanzierten sich ausdrücklich von Hasskommentaren, wie es sie als Reaktion auf das Video gegeben hatte.

Die im Chat mehrfach verlangte Entschuldigung des Autors erfolgte am Ende nicht. "Wir alle produzieren Diskriminierung", sagte Helena Rinke in der Abschlussrunde. Man müsse sich bis ans Lebensende selbst reflektieren, das sei ein lebenslanger Lernprozess. "Ich fand die Stichwörter Achtsamkeit und Sensibilität sehr wichtig", lautete das Resümee von Chefredakteur Michael Husarek. Er fahre sehr nachdenklich nach Hause.

 

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