Doppelmord an der A3 bei Erlangen: Stehen Ermittler vor einem Durchbruch?

24.3.2021, 06:00 Uhr
Die Phantombilder des Mannes, der "Franco" heißen soll, wurden in verschiedenen Ansichten und mit unterschiedlichen Merkmalen gezeichnet. Sein Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Von seiner Ehefrau, mit dem Namen "Franca", konnte eine Retusche angefertigt werden. Ihr Gesicht war besser zu erkennen.

© Foto: Polizei Mittelfranken Die Phantombilder des Mannes, der "Franco" heißen soll, wurden in verschiedenen Ansichten und mit unterschiedlichen Merkmalen gezeichnet. Sein Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Von seiner Ehefrau, mit dem Namen "Franca", konnte eine Retusche angefertigt werden. Ihr Gesicht war besser zu erkennen.

Es ist beinahe 38 Jahre her, als ein italienisches Ehepaar auf grausige Weise an einem Autobahnrastplatz bei Erlangen umgebracht wurde. Die Ermittlungen schienen ein Zeit lang still zu stehen. Doch seit 2016 kommt immer mehr Bewegung in den Fall.

Das Problem: Bis heute sind die beiden Opfer nicht identifiziert. Erst wenn klar ist, um wen es sich bei den Getöteten handelt, besteht die Chance, auf eine Spur zu den Tätern zu gelangen. Klaus Bauer, der leitende Ermittler in diesem Fall, kommt der Identität der Opfer nun immer näher. Ein DNA-Abgleich in Italien scheint vielversprechend zu sein.

Brennende Leichen auf dem Autobahnrastplatz

Rückblick: Es ist die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai 1983. Ein Zeuge ist mit seinem Wagen auf der A3 in Richtung Regensburg unterwegs. Kurz nach 3 Uhr fährt er am Rastplatz „Breslau“ vorbei. Heute heißt der Ort zum Pausieren „Weißer Graben“. Er liegt zwischen den Anschlussstellen Tennenlohe und Nürnberg-Nord.

Der Zeuge sieht dort Flammen, die im Dunkeln lodern. Da es 1983 noch keine Handys gibt, hält er an der nächsten Notrufsäule an. Der Zeuge berichtet der Leitstelle von einem Waldbrand. Zunächst rücken Feuerwehr und ein Streifenwagen aus. Am Brandort, nur etwa 20 Meter vom Rastplatz entfernt, bietet sich den Einsatzkräften dann aber ein grausiges Bild: Nicht ein Waldstück steht in Flammen, es brennen die Leichen von zwei Menschen.

Die Leichen kamen dann zur Rechtsmedizin. Sie trugen je einen Ehering mit der Gravur 3 – 4 – 81, das Datum einer Hochzeit. Die Frau hatte eine Rolex-Armbanduhr am Handgelenk. Die Uhr blieb exakt um 1:40 Uhr stehen. Die Kripo geht vom Tatzeitpunkt aus. Denn die Rechtsmediziner fanden während der Obduktion heraus, dass die beiden zunächst mit einem schweren Gegenstand erschlagen und später mit Benzin übergossen und verbrannt wurden. Besonders grausig: Die Frau soll noch gelebt haben, als sie angezündet wurde. Die Rolex blieb stehen, weil sie einen Ankerschaden hatte, der wohl durch die Schläge auf die Opfer verursacht wurde.

Keine brauchbaren Hinweise aus der Bevölkerung

Man fand außerdem mit Blut getränkte Mullbinden, die heute noch bei den Asservaten der Kripo liegen. Überdies trug die Frau auch einen Eulen-Anhänger. Die Frau war etwa 1,60 Meter groß, der Mann etwa 1,64 Meter. Ihr Alter wurde auf 25 bis 30 Jahre geschätzt, seines auf 30 bis 40 Jahre. Die Leichen waren nahezu bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.

Da das weibliche Opfer aber mit dem Gesicht zum Boden gelegen war, konnten ihre Züge so weit rekonstruiert werden, dass ein Grafiker ein Bild von ihr anfertigten konnte. Mit dem Bild ging die Polizei kurz nach der Tat an die Öffentlichkeit. Es kamen aber keine brauchbaren Hinweise aus der Bevölkerung. Die Rechtsmediziner fanden aber noch etwas heraus: Die Frau hatte mindestens ein Kind zur Welt gebracht.

Wie sich im Zuge der damaligen Ermittlungen ergab, stammten der Eulenanhänger und das Uhrenarmband aus Vicenza, einer Stadt in der Nähe von Venedig. Und die Schuhe, die die Frau anhatte, wurden von einer italienischen Firma hergestellt, die ihre Produkte nicht exportierte. Die Ermittlungen konzentrierten sich also schon bald auf Italien. Man fragte in dortigen Diözesen und Kirchenämtern, ob am 3. April 1981 Vermählungen stattfanden. Die Kripo kam aber nicht weiter.

Öffentliche Fahndung im italienischen Fernsehen

Mittlerweile ist der Fall ein sogenannter Cold Case (Altfall). Seit 2016 liegen die Ermittlungen in den Händen des Ersten Kriminalhauptkommissars Klaus Bauer. Der Erlanger Kripo-Mann kam auf die Idee, mit dem Bild, den Schmuckstücken und weiteren Fundstücken in Italien an die Öffentlichkeit zu gehen. Denn im dortigen Fernsehprogramm Rai 3 gibt es eine Sendung, die vergleichbar ist mit der ZDF-Fahndungssendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“. Sie heißt: „Chi l‘ha visto?“ (Wer hat es gesehen?).

Im November 2017 wurde der Beitrag über den Doppelmord bei Erlangen schließlich in Italien ausgestrahlt. 100 Hinweise gingen danach ein. Eine Anruferin war vielversprechend. Die Getötete auf dem veröffentlichten Bild erinnere sie an eine Frau, die mit ihrem Mann in der Nähe von Frankfurt lebte. Klaus Bauer beantragte Rechtshilfe, konnte nach Süditalien fahren und die Zeugin vernehmen. Parallel dazu läuft derzeit in Italien ein Abgleich der Opfer-DNA, die damals durch das Blut am Rastplatz gesichert wurden.

DNA führt zu konkreten Personen in Italien

„Franca“ und „Franco“ sollen die beiden Ermordeten heißen. Die Zeugin habe mit dem Ehepaar zu einer Gruppe italienischer Gastarbeiter gehört, die in derselben Firma gearbeitet hätten. Franca habe außerdem ein Kind gehabt, auf das die Zeugin gelegentlich aufgepasst habe.

Die Kripo wusste ja durch die Ergebnisse der Rechtsmedizin, dass die getötete Frau mindestens ein Kind zur Welt gebracht hatte. Das Alter des Kindes, von dem die Zeugin erzählte, stimmt mit den Ergebnissen der Rechtsmedizin zum Entbindungszeitraum überein. Wo sich das Kind heute aufhält, ist noch nicht bekannt.

Doch jetzt scheint es, als könnte es in naher Zukunft zu einem Durchbruch kommen. Und das mit den beiden DNA-Mustern der Opfer. 2018 stellte die Kripo Erlangen ein Rechtshilfeersuchen bei den italienischen Behörden. Die Opfer-DNA sollten mit den gespeicherten DNA in den italienischen Beständen abgeglichen werden. "Es geht darum, festzustellen, ob es in Italien DNA-Muster gibt, die auf eine Verwandtschaft mit den Opfern hinweisen könnten", erklärt Klaus Bauer gegenüber der Redaktion.

Im August 2020 teilte das italienische Innenministerium mit, dass dort tatsächlich zwei DNA-Muster existieren, die auf eine Verwandtschaft zwischen den Opfern und weiteren Personen hindeuten. Dennoch müsse noch weiter verifiziert werden. "Auf Bitten der italienischen Kollegen wurden beim Bayerischen Landeskriminalamt die Opfer-DNA noch einmal auftypisiert", sagt der Ermittler. Das heißt, die DNA-Muster wurden durch neue technische Methoden noch genauer individualisiert, noch exakter bestimmt.

Die typisierten DNA-Muster wurden nun zusammen mit den übersetzten Obduktionsberichten nach Italien geschickt. "Ziel ist es, anhand der nun übersandten neuen Unterlagen das tatsächliche Bestehen einer Verwandtschaft zwischen unseren Opfern und den Zeugen in Italien zu verifizieren." Nun wartet die Kripo Erlangen auf Antwort aus Italien - doch pandemiebedingt kann das noch einige Zeit dauern.

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