Drastik und Dramatik pur

30.10.2018, 18:27 Uhr

Mit dem Melodrama "Medea" des frühklassischen, böhmischen Komponisten Georg Anton Benda beginnt das Konzert in der leider nur mäßig besuchten Ladeshalle hochdramatisch. Im Melodrama wird nicht gesungen, sondern rezitiert.

Die kleine Katharina Thalbach, eine der ganz großen, deutschen Schauspielerinnen, tritt in schwarzem Umhang auf ein Podest der linken Bühnenseite in Bendas "Melodrama" von 1784 und entwickelt mit ihrer bekannt schnarrend-markanten Stimme und vehementem Pathos das gruselige Geschehen des vielfach heraufbeschworenen griechischen Stoffes. Das Orchester der "Cappella Aquileia" unter der Leitung von Marcus Bosch besorgt die musikalischen Einwürfe, die Zwischenspiele, Szenen, untermalt die Affekte des gesprochenen Dramas.

Das ist zunächst für den Zuhörer gewöhnungsbedürftig, herb. Die Sprache und der unmittelbare, heftige Einsatz von Thalbach führen direkt in die grausige Handlung. Thalbach und die "Cappella Aquileia" machen das äußerst vital, beweglich, klangklar und punktgenau in den Einsätzen. Thalbach agiert auch szenisch. Überzeugend übernimmt sie dabei alle Rollen: Sie spielt die Kinder Medeas, den treulosen Gatten Jason und Creusa, dessen Geliebte.

Das Orchester spielt teils bei geöffneter Seitentür vor dem Saal. Der Dichte und Intensität dieser semiszenischen Aufführung kann sich wohl kaum ein Zuhörer entziehen, wenn Medea verzweifelt ruft "Sterben wollen und nicht können". Die Affekte flammen fast arienartig auf im "Räche dich und stirb dann". Hier geht es zur Sache! Hier ist nichts von der liebenswerten "Frühklassik" zu spüren, wie sie gern in unseren Köpfen verharmlost wird, gefällig klingt. Drastik und Dramatik pur ist das, mit der im Wahn bis zum finalen Suizid wütenden Medea. Das ist packend und evoziert nach etwa einer Stunde anhaltenden Beifall für die großartige Katharina Thalbach und ihre musikalischen Ensemblepartner.

Wendiger Rhein

Da war der zweite Teil des Konzerts, mit Robert Schumanns dritter Symphonie, der "Rheinischen", erholsam nach soviel Dramatik. Transparent, dynamisch und mit hellem Spielfeuer fließt da ein schlanker, wendiger, musikalischer Rhein mit der "Cappella Aquileia" dahin, kein "Vater Rhein", sondern ein junger, fröhlicher Wandersmann.

Der Gründer und Leiter dieses wunderbar lebendigen und beweglichen Klangkörpers, Marcus Bosch, setzt auf rasche Tempi. Hat er Robert Schumanns Aussage bezüglich der kurzen Entstehungszeit des Werkes interpretatorisch umgemünzt? Schumann sagte: "Wer überhaupt was machen kann, muß es auch schnell machen können, und je schneller, desto besser. Der Gedankenfluß und Ideengang ist wahrer und natürlicher als bei langer Reflexion."

Der thematische Fluss ist bemerkenswert, mitreißend in allen Sätzen. Das dynamisch angenehme Gestalten ist schon dem Anteil von nur 58 Orchestermitgliedern geschuldet. Damit liegt die "Cappella Aquileia" auch im historischen Vorbild des Gewandhausorchesters Leipzig, dessen Klang Schumann bei seinen Symphonien vorgeschwebt haben muss. Auch im vierten Satz, "feierlich" überschrieben, klingen die Bläser sonor, dräuend, aber nie bedrohlich schwulstig.

Das ist in dieser Akkuratesse, mit diesem spür- und hörbaren Schwung ein erfrischendes Klangerlebnis der ganz besonderen Art, das hoffentlich ein Wiederhören nach sich zieht!

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