Ein Ferienstart mit vielen Fragezeichen

24.7.2020, 13:00 Uhr
Ein Ferienstart mit vielen Fragezeichen

"Freust Du Dich auf die Schule?" Diese Frage beantwortet Jacob mit einem kurzen Zögern, dann mit einem Lächeln und einem Nicken. Am 8. September wird er sein, dieser große Tag. Der Eintritt ins Schulleben, eine aufregende Sache, immer auch begleitet von einem Quäntchen Unsicherheit. Nur dass dieses Jahr die Unsicherheit größer ist als sonst. Denn Covid 19, so viel steht längst fest, wird es auch dann noch geben. Das neue Schuljahr wird davon bestimmt sein. "Jacob freut sich auf die Schule", sagt seine Mutter. "Auch wenn keiner weiß, wie die Kinder eingeschult werden." Für den Schulbetrieb, sagt Britta Gehle, würden derzeit laut einer Lehrerin vier Szenarien durchgespielt. Regelunterricht, Wechselbetrieb, einzelne Klassen in Quarantäne oder landesweite Schließung – alles ist, je nach Situation, möglich.

Dabei sind die letzten Monate seit dem Shutdown im März – als alles Bisherige auf den Kopf gestellt war – etwas, das bis heute noch nachwirkt. Und wenn man ganz ehrlich ist: Richtig rund läuft es auch jetzt noch nicht. Nirgendwo. Nur dass die Ausnahmesituation jetzt zum normalen Leben gehört.

"Reden wir über den Ist-Zustand", sagt Márta Turcsányi. Ihre beiden Söhne besuchen die dritte und zweite Klasse der Grundschule Bubenreuth, in der Jacob im September eingeschult wird. Jacobs Schwester Elisa geht ebenfalls in die zweite Klasse. Viertklässler David mit seiner Mutter Adelheid Wagner komplettiert unser Treffen, bei dem es um Schule in Corona-Zeiten geht. Darum, wie es aus Sicht von Müttern und Kindern war und momentan ist.

An zwei Tagen in der Schule

Wie überall wechselten sich an der Grundschule Bubenreuth in den letzten Wochen Präsenzunterricht mit halber Klassenstärke und "Homeschooling" ab. Die Variante, die hier gewählt wurde: Jede Klassenstufe ist jeweils an zwei Tagen in der Schule. Vier Schulstunden lang, also kürzer als sonst, mit zeitlich verschobenem Unterrichtsbeginn der jeweiligen Klassen. Die Viert- und die Zweitklässler kommen jeweils montags und donnerstags in die Schule, die Drittklässler dienstags und freitags. Dass zwei Klassenstufen zusammen unterrichtet werden, wie es vor Corona an dieser Schule üblich war, wurde aufgelöst. Mittwochs gab es zunächst lediglich eine Notbetreuung. In den vorletzten beiden Schulwochen wurde am Mittwoch Präsenzunterricht für Kinder mit Nachholbedarf angeboten. Für die Zweit- und Drittklässler ging es nach den Pfingstferien wieder los, für die Viertklässler im Mai. Davor waren sie zuhause.

Ein Ferienstart mit vielen Fragezeichen

© Foto: Edgar Pfrogner

Wie war das also, die ganze Zeit daheim? Es war schlimm, darin sind sich Mütter und Kinder einig. "Wir Kinder haben viel gestritten", sagt Drittklässler Bendi. "Mein jüngerer Bruder hat genervt." Viertklässler David meint: "Bei mir war’s nicht so stressig, weil’s keinen Bruder gab." "Du hast dich aufgeregt", ruft seine Mutter ihm die Situation zurück vor Augen. "Im Shutdown haben die Klassenkameraden gefehlt", so ihr Resümee. "Die brauchen sich schon auch gegenseitig." David war wochenlang mit seiner alleinerziehenden Mutter zuhause, ohne Geschwister und eben auch ohne Freunde.

"Wir sind da alle hineingeschmissen worden", sagt Britta Gehle. "Jetzt müssen wir einen gangbaren Weg finden." Dass man davon noch ein ganzes Stück entfernt ist, ist offensichtlich. Denn wenn Kinder an zwei Wochentagen in der Schule sind, heißt das, dass sie an drei Tagen zuhause unterrichtet werden. Auf digitalem Weg zwar durch die Schule, aber involviert sind die Eltern trotzdem. Es werde sehr viel zuhause abgeladen, meint Britta Gehle. "Das kann nur funktionieren, wenn man nicht arbeitet." Sie ist derzeit nicht berufstätig, kann sich voll kümmern. Márta Turcsányi ist im Home Office und hat, so wie viele andere Eltern, erfahren, wie viel Anstrengung es kostet, Berufs- und ehrenamtliche Aushilfslehrertätigkeit miteinander zu verbinden. Einige Frauen im Bekanntenkreis haben dem Druck nicht standgehalten, nehmen unbezahlten Urlaub oder haben ihren Job sogar gekündigt. Kinderbetreuung und Schule: "Das Ganze wird auf dem Rücken berufstätiger Frauen ausgetragen", ist sich Britta Gehle sicher.

Dass die Grundschule ihrer Kinder eine "digitale Schule" ist, ändert daran nicht wirklich viel. Ohnehin ist längst klar, dass Nachbesserungen bei der digitalen Schulung von Lehrern nötig sind. Nicht nur BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann weist für die Grundschulen darauf hin, dass die digitale Kompetenz von Lehrern unterschiedlich gut ist. Dies zieht sich durch alle Schularten. Ein riesiger Lernprozess für alle. Fleischmann glaubt, dass eine zentrale Organisationseinheit nötig sei, die bayernweit den Einsatz digitaler Möglichkeiten implementiert und begleitet.

"Digitalisierung muss neu interpretiert werden"

Auch an der Grundschule Bubenreuth wurde unterschiedlich vorgegangen, von per Mail verschickten Arbeitsaufträgen für die ganze Woche bis hin zu einer digitalen Pinnwand, die täglich neu "bestückt" wird. Auch sonst ist man hier schon weit. Und dennoch: Zwar hat jedes Kind ein Tablet und weiß, wie per "Anton"-App gearbeitet wird, aber das reiche nicht, meinen die Mütter. Digitalisierung müsse neu interpretiert werden, sagen sie und haben dabei das kommende Schuljahr im Blick, in dem Kinder voraussichtlich schon bei Anzeichen einer Erkältung nicht in den Unterricht kommen dürfen. "Man braucht dann schnell Live-Informationen, damit wir Eltern mit den Kindern, die krank zuhause sind, lernen können", sagen sie.

Doch jetzt ist erst einmal der letzte Schultag dieses anstrengenden Schuljahres. Und dann kann Jacob die Tage zählen, bis er zum ersten Mal in ein Klassenzimmer darf. Er ist dann vorbereitet, die Schultüte bastelt er gerade.

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