Ein leichter Hauch von Euphrat und Tigris

20.5.2005, 00:00 Uhr

Nach den langen Wintermonaten werden die Wasserschöpfräder an der Regnitz meistens im Mai wieder eingehängt, nachdem sie im Herbst des Vorjahres zum Schutz vor dem Eis des Winters und dem Frühjahrshochwasser abgebaut werden. Deshalb haben diese Räder eines gemeinsam: Sie sind leicht zerlegbar. Anstelle von Verbindungen mit Stahlnägeln kommen Holznägel und viele unterschiedliche Keilverbindungen zum Einsatz.

Im Zweistromland erfunden

Vor tausenden von Jahren wurde diese Technik der Acker- und Wiesenbewässerung mit Schöpfrädern im Zweistromland an Euphrat und Tigris entwickelt. Diese Erfindung war ein Meilenstein in der Geschichte der Technik. Es war gelungen, stationäre Anlagen für die Energiegewinnung zu bauen. Auf dieser Basis entstanden auch Getreidemühlen, Hammerwerke und anderes:

Zu ihrer Blütezeit im 18./19. Jahrhundert drehten sich an der Regnitz auf einer Strecke von nur 35 Kilometern zwischen Schwabach im Süden und Forchheim im Norden (so der frühere Kreisheimatpfleger Horst Gabbert in einem Aufsatz) über 250 Wasserschöpfräder. Die letzten neun dieser alten beeindruckenden Zeugnisse für hohe Handwerkskunst drehen sich heute in der Regnitz bei Möhrendorf. Sie sind das Wahrzeichen der Gemeinde und schmücken auch das Wappen.

Dank dem Engagement einiger Landwirte und Idealisten haben die Wasserschöpfräder nie aufgehört, sich zu drehen. Und so wird die kalte Jahreszeit genutzt, Schäden zu beseitigen, Verschleißteile auszutauschen und für eine neue Funktionstüchtigkeit zu sorgen. Die Gemeinde, das Landratsamt, die Bezirksregierung, der Naherholungsverein und der Denkmalschutz geben jährlich Zuschüsse zum Einbau.

Behörden und Spender helfen

Das Wasserwirtschaftsamt hat die Unterhaltung der in der Regnitz verbleibenden Teile übernommen und das Forstamt stellt das Holz für die Austauschteile zur Verfügung. Nicht vergessen darf man Spenden von Wasserrad-Interessierten. Dieses Engagement sichert dem Möhrendorfer Wahrzeichen die Zukunft.

In den letzten und auch kommenden Wochen wurden und werden die neun Wasserräder eingebaut: dasWasserwiesenrad, Vierzigmannrad, Schmiedsrad, Rinnigrad, Weidackerrad, Gemeinderad, Schäferrad, Kennerleinsrad und Altes Schäferrad. Mindestens drei Leute werden gebraucht, um dies zu erreichen, aber natürlich finden sich meist mehr Helfer ein. Nicht verzichten kann man auf das Fachwissen der beiden Zimmerleute Horst Gegner und Georg Scheller, die beiden sind dieser Tradition eng verbunden.

Anfang Juni wird durch die Erlanger Stadtwerke ein zehntes Wasserrad eingehängt. Es nimmt den Platz des früheren Bauernrades ein. In diesem Zusammenhang werden auch zwei Informationstafeln angebracht, eine am Bauernrad und eine am Vierzigmannrad. Dort können Interessierte dann viel Wissenswertes um und über diese uralten Technik- und Kulturdenkmale erfahren. Ein Besuch hier lohnt auf alle Fälle.

Noch ein Wort zum ehemaligen „Bauernrad“, das nun wieder erstanden ist: Bereits 1694 stand an dieser Stelle das historische Wasserschöpfrad, das damals „dem Bauern von Kaltenoberndorf“ gehörte. Kaltenoberndorf war ein Weiler zwischen dem heutigen Oberndorf und Alterlangen.

Das „Bauernrad“ wird in Zukunft über noch vorhandene Bewässerungskanäle ein zirka ein Hektar großes Feuchtbiotop mit Wasser versorgen.

Ein Gemeinschaftsprojekt

Durch die gemeinsamen Anstrengungen der Erlanger Stadtwerke, des Wasserwirtschaftsamtes Nürnberg und der Gemeinde Möhrendorf konnte das 1992 aufgegebene „Bauernrad“ neu errichtet werden. Am Samstag, 4. Juni, 11 Uhr, wird es in Betrieb genommen. BURKHARD BRAUSE