Eine Krake kämpft gegen den Krebs

11.1.2013, 13:00 Uhr
Eine Krake kämpft gegen den Krebs

© Mark Johnston

Als die Blutwerte des Prostatakrebs-Patienten immer schlechter werden, sehen die Urologen keinen anderen Ausweg mehr. Dem 71-Jährigen muss die Prostata entfernt werden, jene kastaniengroße Vorsteherdrüse, die unter der Harnblase liegt und einen Teil des Spermas produziert.

Eine Krake kämpft gegen den Krebs

„Das Krankheitsbild hat sich verändert, der PSA-Wert stieg an. Plötzlich bestand Handlungsbedarf“, erinnert sich Oberarzt Hendrik Apel, rückt den Mundschutz zurecht und wendet sich wieder dem Patienten zu. Schon seit einer guten Stunde liegt der Mann aus der Oberpfalz auf dem OP–Tisch. Ein zehnköpfiges Team kümmert sich um Vollnarkose, Vitalfunktionen und die Video-Anlage. Seit September ist mit da Vinci ein OP-Roboter am Erlanger Universitätsklinikum im Einsatz — mal in der Urologie, mal in der Kopf- und Hals-Chirurgie, künfig auch in der Plastischen- und Hand-Chirurgie. „Wir wollen damit unseren Patienten fachübergreifend eine neue, hochmoderne OP-Technik anbieten, die sich im Fachbereich Urologie bewährt hat und deren Einsatz für andere Fachbereiche ebenfalls sehr vielversprechend ist“, erläutert Professor Heinrich Iro nach dem Ende der vierstündigen Operation.

Ohne Zuzahlung

Gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen hat Iro, der Ärztliche Direktor, im vergangenen Sommer das zwei Millionen Euro teure Gerät anschaffen lassen. Die Idee für da Vinci stammt aus den USA; die US-Army wollte berührungsfreie Operationen ermöglichen. Das Uni-Klinikum bietet die neue Operationsmethode inzwischen allen Patienten an; zugezahlt werden muss nichts, obwohl die Krankenkassen lediglich die Kosten herkömmlicher Schlüssellochoperationen übernehmen.

Wie eine Krake schwebt da Vinci über dem Krebspatienten. Das Gerät ist in sterile Folie eingepackt. Seine Arme, an die Mini-Instrumente und eine Kamera montiert sind, stecken in der orangeschimmernden Bauchdecke des 71-Jährigen. Zu Beginn des Eingriffs hat Bernd Wullich mit dem Skalpell per Hand fünf kleine Schnitte gesetzt, um die Roboterarme einführen zu können.

Lange Bauchnarben, wie sie nach klassischen Eingriffen üblich sind, wird es künftig immer seltener geben, prophezeit Mediziner Apel und schaut jetzt seinem Chef auf die Finger.

Völlig zitterfrei

Der Chirurg sitzt einige Meter von Patient und Roboter entfernt vor einer Konsole; seinen Kopf hält er vor einen Monitor. Wenn Professor Wullich seine Hände an der Konsole bewegt, setzt da Vinci die Bewegungen im Unterleib des Patienten mechanisch um — präzise und zitterfrei.

Millimeter für Millimeter arbeiten sich Mini-Greifer und -Zangen durch das Gewebe des Oberpfälzers. Jeden Schnitt verfolgt Wullich über den Bildschirm, der eine stark vergrößerte 3-D-Ansicht des Köperinneren liefert.

Wer mit der neuen, schonenden Methode behandelt wird, hat nach dem Eingriff weniger Schmerzen, ist schneller wieder mobil und somit kürzer im Krankenhaus, sagen die Experten. Wenn alles gut geht, der Tumor nicht weitere Organe befallen hat, wird der Patient schon sechs Tage nach dem Eingriff entlassen. Zuvor wird der Katheter entfernt, der eine problemlose Wundheilung ermöglichen soll.

Jener Nürnberger, der sich im Sommer 2012 als erster von den Erlanger Chirurgen und da Vinci die Vorsteherdrüse entfernen ließ, war schon 24 Stunden nach dem Eingriff wieder auf den Beinen. „Ich war in guten Händen und kann den OP-Roboter nur empfehlen“, sagt der 69-Jährige heute.

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