Rückblick auf ein Jahrhundert

Engagiert bis ins hohe Alter: Erlanger Ärztin Ingeborg Lötterle ist 100

8.9.2021, 16:00 Uhr
Ingeborg Lötterle (2. v. l) ist 100 Jahre alt, die Glückwünsche der Stadt überbrachte OB Florian Janik (l). Dazu bekam sie Besuch von (v. l.) Tochter Erika Hoffmann, Enkelin Sandra Beecken und Urenkelin Clara Beecken.

© Harald Sippel, NN Ingeborg Lötterle (2. v. l) ist 100 Jahre alt, die Glückwünsche der Stadt überbrachte OB Florian Janik (l). Dazu bekam sie Besuch von (v. l.) Tochter Erika Hoffmann, Enkelin Sandra Beecken und Urenkelin Clara Beecken.

So ganz kann Ingeborg Lötterle selbst nicht glauben, dass sie am 8. September 2021 ihren 100. Geburtstag feiert. Dieser Eindruck jedenfalls entsteht, wenn man mit der Erlangerin spricht.

100 Jahre - das ist ein sehr großer Zeitraum für ein Menschenleben. Unfassbar eigentlich, wie viel sich in diesen 100 Jahren ereignet hat. Das wird deutlich, wenn man in ihren Lebenserinnerungen liest - die schrieb sie vor zehn Jahren, zu ihrem 90. Geburtstag, für ihre Familie - Kinder, Enkel und Urenkel - und für Freunde nieder. Entstanden ist ein Buch, das über die private Familiengeschichte hinaus interessant ist, weil verschiedene Zeitspannen beispielhaft dargestellt sind.

Neben vielem anderem erzählt sie darin unter anderem davon, dass sie als Kind - sie wuchs zunächst in München auf - Hitlergegnerin gewesen sei, nachdem ihre jüdische Freundin samt Familie verschleppt worden war. Deshalb trat sie nicht in den Bund Deutscher Mädchen ein und bekam daraufhin Schwierigkeiten: Sie erhielt Startverbot in den Sportvereinen als Eiskunstläuferin und flog von der Schule.

Später machte sie in Berlin das Abitur, immatrikulierte sich. Dass sie als Frau (Medizin) studierte, war die Ausnahme, dass sie später in Erlangen ihren Beruf ausübte und schließlich, nach ihrer Scheidung, für sich und die Kinder selbst sorgen konnte, war ebenfalls nicht selbstverständlich.

Schrecken des Krieges

Niemals vergessen hat Ingeborg Lötterle die Umstände und Schrecken des Krieges. „Ich hatte 500 Kommilitonen“, sagt sie, nur einer sei aus dem Krieg wiedergekehrt, alle anderen seien gefallen - darunter auch ihr Verlobter. „Das war ein großer Schatten über unserer Jugend“, erinnert sie sich. „Ich habe viel Schlimmes erlebt und könnte mich gerade totärgern, wenn Leute jetzt jammern über die Einschnitte durch Corona.“

Eine Kindheit ohne Kühlschrank, im Seniorenalter nicht ohne Computer - diese Gegensätze muss man aushalten, wenn man ein Jahrhundert durchlebt. Dass sie inzwischen aufgrund nachlassender Sehfähigkeit nicht mehr „computern“ kann, empfindet Ingeborg Lötterle als sehr große Einschränkung. „Man wird nicht ungestraft so alt“, sagt sie. Aber man könne ja die Zähne zusammenbeißen.

Bis ins hohe Alter aktiv

Von ihren Kindern und Enkelkindern wird sie als „Ingeborg Multitasking“ erlebt. Als eine Frau, die immer aktiv war, ihren Beruf liebte und sich nie wirklich zur Ruhe setzte - für ihre Patienten war sie bis ins hohe Alter da.

Neben ihrem Beruf übte Lötterle eine Vielzahl von Ehrenämtern aus. So unter anderem auch in leitender Funktion für den Deutschen Akademikerinnenbund, dem sie seit 1956 angehört, in der Franconian Society und Matthäus-Gemeinde Erlangen. 1990 gründete sie die Hilfsgemeinschaft für das Stadtkrankenhaus Nowowolynsk in der Ukraine, wo sie auch mit der Ehrenbürgerwürde ausgezeichnet wurde. Lötterle pflegt aber auch enge Kontakte in die Erlanger Partnerstädte.

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