Erlangen: Film-Träume in alten Mauern

25.4.2021, 06:00 Uhr
Erlangen: Film-Träume in alten Mauern

© Harald Hofmann

Es ist – ja – eine Baustelle. Noch nichts zu erahnen von dem, was hier in geschätzt einem Jahr angesiedelt sein soll: nämlich ein Hort für Träume, für Träume, wie sie nur eine Kino-Leinwand zu bieten hat. Bis dahin heißt es aber noch viel Dreck schaufeln, Wände ertüchtigen, den Dachstuhl abtragen, die Stadtmauer freilegen, Toiletten einbauen, Elektroleitungen verlegen.

Tja, und dann soll hier, in der Schulstraße, im Herzen der Erlanger Altstadt, ein neues Kino, dessen Name noch nicht feststeht, eröffnet werden, das nicht nur, nach Ansicht der Betreiber, mit einer formidablen Vorführtechnik im Erdgeschoss überzeugen soll, sondern an lauen Sommerabenden die Besucher auch nach oben auf die Dachterrasse einladen will – zu Filmvorführungen unterm Sternenhimmel.

Genau so planen das die beiden Initiatoren dieses Bauvorhabens, Elisa Coburger und Peter Zwingmann. Als Betreiber der Lammlichtspiele, nur ein paar Schritte vom "Neubau" entfernt, hatten sie sich bereits seit geraumer Zeit nach der Möglichkeit, eine weitere Spielstätte für Filme zu etablieren, umgesehen.

"Eigentlich sind wir schon auf der Suche, als wir noch zusätzlich das Manhattan-Kino betrieben haben", sagt Elisa Coburger. Schon länger her: Das Manhattan-Kino übernahm 2017 bekanntlich wieder der Eigentümer, der Nürnberger Cinecitta-Betreiber Wolfram Weber, und baute es zu einem Premium-Deluxe-Kino um.

Passende Räumlichkeiten

Übrig blieben für die beiden Kino-Unternehmer die Lammlichtspiele mit ihren gerade mal zwei Sälen. "Wir sind das einzige Arthouse-Kino in Erlangen, haben aber nicht genug Leinwände zur Verfügung", so Coburger. In der Hugenottenstadt, speziell in der Altstadt, passende Räumlichkeiten zu finden, sei nun mal nicht gerade leicht. Und die Altstadt sollte es eben schon sein: "Es muss uns wieder gelingen, dass man in Erlangens Altstadt nicht nur wohnen, sondern auch leben kann", meint Peter Zwingmann.

Wie so oft im Leben, kam auch hier der Zufall zu Hilfe: Das Ehepaar Langner, das im Haus in der Schulstraße lange Zeit eine Schreinerei betrieben hatte und zudem häufig zu Gast in den Lammlichtspielen war, hatte von der Suche der beiden erfahren und bot ihnen ihre Immobilie zum Kauf an – nach ihrer Geschäftsaufgabe im Herbst 2019. Und Coburger und Zwingmann griffen zu. "Wir haben versucht, alles richtig zu machen, sind Schritt für Schritt vor- und zwecks Genehmigung auf alle Fraktionen des Stadtrats zugegangen", so Coburger.

Erlangen: Film-Träume in alten Mauern

© Foto: Harald Hofmann

Gemeinsam mit einem befreundeten Architekten ging man ans Planungswerk. Alles musste zuerst mal raus. Unabdingbar waren im Folgenden natürlich Brandschutzkonzept, Schallschutzgutachten und enge Abstimmung mit der Bauaufsicht und dem Denkmalschutz – eine Hauswand besteht nämlich zur Hälfte aus der historischen Stadtmauer. Baukunstbeirat und Heimat- und Geschichtsverein meldeten, wie ausführlich berichtet, hinsichtlich der Umsetzung einige Bedenken an, die, laut Coburger, nach mehreren Entwürfen teilweise bereits in die Pläne mit aufgenommen worden seien, "Nachbesserungen sind aber immer noch möglich".

Restaurierte Stadtmauer

Wie soll das Ganze denn nun mal aussehen und funktionieren? Das Erdgeschoss wird ein kleines Foyer und einen Kinosaal für 75 Besucher beherbergen. Der Teil der Stadtmauer, der dann noch zu sehen sein wird, wird freigelegt und restauriert und also Teil des Kinosaals. Im 1. Stock wird der Dachstuhl entfernt und eine Dachterrasse inklusive eines kleinen Cafés und eines Dachgartens entstehen.

Dort sollen – "unser Zuckerl", wie Peter Zwingmann sagt – im Sommer Open-Air-Vorstellungen mit einem speziellen Film-Mix aus Altem und Neuem für rund 35 Besucher durchgeführt werden, die aus Lärmschutzgründen Kopfhörer tragen müssen. "Die Leute lieben Open-Air-Kino", sagt Elisa Coburger, "das wissen wir vom Sommernachtsfilmfestival an der Bleiche." Alle Bereiche des Hauses werden barrierefrei sein, ein noch anzubauender rollstuhlgerechter Aufzug wird zur Dachterrasse führen.

Aber fehlt da nicht was? Okay, die behindertengerechten Toiletten werden im Keller eingebaut, aber wo kommt der Projektorraum hin? Der sei deshalb unnötig, so Coburger, weil, zumindest im Erdgeschoss, der Projektor unnötig sei: Eingebaut wird ein sogenanntes modulares LED-Leinwandsystem, bei dem sich der Server für die Festplatte hinter der Leinwand befindet. "Dieses System hat eine unglaubliche Tiefe und Farbbrillanz, das haben bisher keine Arthouse-, sondern nur ein paar Multiplex-Kinos", erklärt Elisa Coburger. "Das wäre für uns eigentlich unbezahlbar, aber wir haben eine tolle Kooperation mit der Firma Samsung, die kommen uns sehr entgegen."

Gutachten fehlen noch

Und nun? Die Baueingaben sind gemacht, die Kooperation mit den Stadtwerken steht, ein paar Gutachten fehlen noch, Rest-Sachen müssen noch abgeliefert werden. Die endgültige Baugenehmigung steht zwar noch aus, doch rechnen die beiden mit ihr noch im Frühsommer. Und dann heißt es die Ärmel hochkrempeln – Peter Zwingmann will als gelernter Elektriker nicht wenig Eigenleistung erbringen –, damit aus der Baustelle ein Kino wird. Man geht von einem guten Jahr Bauarbeiten aus.

Und wie soll schlussendlich die Programmgestaltung aussehen? Coburger: "Uns schwebt kein ,Premium-Lamm‘, sondern ein undogmatisches Arthouse-Kino vor, das durchaus auch einen James Bond zeigt. Wir wollen eine Nachtprogramm-Schiene etablieren und haben uns überlegt, uns auch an ein Kinderprogramm zu wagen." Und Peter Zwingmann fasst zusammen: "Wir wollen ganz einfach die Vielfalt des Films zeigen."

Keine Bedenken

Apropos: Ist Kino in Pandemie-Zeiten des Zuhause-Seins und der Streaming-Dienste überhaupt noch ein Zukunftsmodell? Diesbezüglich hat Elisa Coburger keine Bedenken: "Das Kino ist schon so oft totgesagt worden. Und es gibt nunmal Filme, die gehören einfach ins Kino."

Na dann. Ach so: Was wird denn die ganze Unternehmung letztendlich kosten? "Viel", gibt Elisa Coburger preis. "Wir machen das nicht, um damit reich zu werden, sondern weil wir es gut finden."

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