Erlangen: Siemens-Erdverkabelung statt "Monstertrassen"

13.8.2017, 15:00 Uhr
Erlangen: Siemens-Erdverkabelung statt

© Siemens

Die Angst vor "Monstertrassen" sorgte allerdings vor über drei Jahren für wutentbrannte Bürgerinitiativen entlang der geplanten Routen, bis die davon aufgeschreckte Politik sich für eine weitgehende Erdverkabelung entschied. Seitdem ist Ruhe eingekehrt – auch wenn das Netz unter der Grasnarbe um das Fünf- bis Achtfache teurer werden dürfte als eine konventionelle Freileitung. So werden die Gesamtkosten für den SüdLink (nördlich von Hamburg über den Westen Unterfrankens mit Bad Brückenau und Hammelburg bis Grafenrheinfeld) und den 580 Kilometer langen SüdOstLink (nördlich Magdeburg bis zu den bayerischen Landkreisen Hof, Wunsiedel, Tirschenreuth, Neustadt/Waldnaab, Schwandorf, Amberg-Sulzbach, Regensburg mit Endpunkt Kraftwerk Isar/Ohu bei Landshut) aus heutiger Sicht etwa 15 Milliarden Euro betragen.

Hohe Sicherheit

Angesichts dieses Volumens deutet sich ein Wettbewerb bei der bis zum Jahr 2025 vorgesehenen Realisierung des von den Netzbetreibern TenneT, TransnetBW und 50Hertz betreuten Projekte an. Vorne mit dabei: der in Erlangen angesiedelte Siemens-Geschäftsbereich Power Transmission Lines unter der Leitung von Denis Imamovic, 1973 im bosnisches Banja Luka geboren und durch Ausbildung und Werdegang ausgewiesener Elektrotechnik-Experte.

Er entwickelt – mit mehreren Teams in Erlangen und Berlin – für die Erdverkabelung mit hohen Gleichspannungen eine gasisolierte Übertragungsleitung (GIL: engl. gas-insulated lines) mit bis zu fünf Gigawatt Leistung, gefördert vom Bundeswirtschaftsministerium. Ein solches System gibt es bisher nur für Wechselspannung. Es basiert auf zwei konzentrischen Aluminiumröhren, wobei als Isolationsmedium ein Gasgemisch eingesetzt wird. Der Vorteil der Gleichstrom- gegenüber der Wechselstromübertragung: niedrigere elektrische Verluste sowie ressourcenschonender Netzausbau. Dazu kommt eine hohe Wartungssicherheit.

So gilt die vier Kilometer lange Strecke im Tunnel zum Kavernenkraftwerk Wehr im Schwarzwald seit ihrer Installierung 1975 als wichtiges Referenzprojekt für die GIL-Technik. Eine Überprüfung nach 30 Jahren Betrieb hat dort gezeigt, dass sich sämtliche Komponenten in einem Top-Zustand befinden und dem Betreiber noch über Jahrzehnte hinweg Zuverlässigkeit versprechen.

Bei der Erdverkabelung per Tunnel kann nach der Verlegung zweier Rohre mit einer Trassenbreite von etwa acht Metern der Boden wieder vollständig genutzt werden. Bei der direkten Erdverlegung sind die Systeme mit einer durchgehenden Polyethylenbeschichtung versehen. Diese dient als zusätzlicher Schutz für die korrisionsbeständige Aluminiumlegierung und schützt das System im Erdreich länger als 40 Jahre.

Das Tunnelsystem mit einem Standard-Durchschnitt von drei Metern wie bei einem Abwasserkanal bleibt für Inspektionsarbeiten leicht zugänglich, kann darüber hinaus als Fluchtweg, zur Belüftung oder zur Verlegung von Datenkabeln genutzt werden.

Die Vorteile der Erdverkabelung mittels GIL gegenüber Freileitungen: hohe Übertragungskapazität und Überlastbarkeit mit niedrigen Widerstandsverlusten, Langstreckentauglichkeit, nahezu wartungsfrei, nicht entflammbar, daher keine Brandgefahr, geringste elektromagnetische Felder ("Die Strahlung bleibt unter allen Grenzwerten"), kurz: die kompakte, platzsparende Stromübertragung mit großem Kostensenkungspotenzial für die Mega-Citys der Zukunft.

Zu sehen ist das beispielsweise in München-Langwied, wo die Stadtwerke im Frühjahr 2014 einen unterirdischen Tunnel als Freileitungsersatz in Betrieb genommen haben. Darüber entstand die neue Paulaner-Brauerei. Denis Imamovic, der noch eine Gleichstrom-Referenzstrecke sucht: "Die Gründe, sich auch beim Gleichstrom für die GIL-Technologie zu entscheiden, sprechen für sich: Platzersparnis, hohe Betriebssicherheit, geringe Brandlasten – und eben die Möglichkeit, auf Freileitungen verzichten zu können."

6 Kommentare