50 Jahre Bafög

Erlanger Amtsleiterin appelliert an Studierende: "Stellt einen Antrag"

31.8.2021, 05:55 Uhr
Wird in diesem Jahr 50: Das Bundes­ausbildungs­förderungs­gesetz, kurz: Bafög. Ein Bündnis verschiedener studentischer, gewerkschaftlicher und politischer Jugendorganisationen fordert eine Reformierung. 

© Florian Schuh/dpa-tmn Wird in diesem Jahr 50: Das Bundes­ausbildungs­förderungs­gesetz, kurz: Bafög. Ein Bündnis verschiedener studentischer, gewerkschaftlicher und politischer Jugendorganisationen fordert eine Reformierung. 

2020 bekamen nur noch 639.000 junge Leute Geld aus dem Bundesausbildungsförderungsgesetz überwiesen, 2012 waren es noch fast eine Million - Warum sinkt die Zahl der BAföG-Bezieher?

Silke Kunkel: Was ich in den Gesprächen mit den Studierenden erlebe, ist, dass sie große Angst vor Verschuldung haben und die Antragsstellung scheuen. In vielen Köpfen steckt fest, dass sie alles zurückzahlen müssen und mit BAföG verschuldet ins Berufsleben starten. Das ist eine Fehlinformation, denn es muss nur ein Teil zurückgezahlt werden und sie bekommen ja auch einen erheblichen Zuschuss vom Staat. Aus dieser Unkenntnis entsteht die Sorge. Viele Studierende denken sich auch: Ach, ich kriege sowieso nichts, weil meine Eltern zu viel verdienen. Diese Aussage ist aber nicht immer richtig, denn wirklich wissen können sie das nur, wenn sie einen Antrag stellen. Ohne diese Prüfung durch die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter geht viel Unterstützung verloren.

Silke Kunkel ist Leiterin am Amt für Ausbildungsförderung des Studentenwerks Erlangen-Nürnberg und eine Kennerin des BAföGs. 

Silke Kunkel ist Leiterin am Amt für Ausbildungsförderung des Studentenwerks Erlangen-Nürnberg und eine Kennerin des BAföGs.  © Sebastian Fischer/Studentenwerk Erlangen-Nürnberg

Was raten Sie den Studierenden?

Kunkel: Stellt einen Antrag! Vertraut nicht auf die Bafög Rechner im Internet und lasst euch bei der Antragstellung nicht entmutigen. Diejenigen, die wirklich die Kompetenz haben und weiterhelfen können, sind unsere Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter. Die prüfen die Angaben und können nach Vorliegen aller Unterlagen so individuell ausrechnen, wie hoch die Förderung ist und stehen bei Fragen und Unklarheiten zur Verfügung.

Was sind die gängigsten Fehler bei der Antragstellung?

Kunkel: Geschätzte 99 Prozent der Anträge sind nicht vollständig, es fehlt sehr häufig die eigenhändige Unterschrift, es werden nicht alle Kästchen ausgefüllt oder es fehlen überhaupt die Unterlagen und die vom Amt gesetzten Fristen werden bis zum Schluss ausgereizt - das verzögert den Prozess bis zur Auszahlung natürlich enorm, denn es muss viel nachgefordert werden. Unsere Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter müssen allein im Wintersemester knapp 9.100 Anträge bearbeiten, man kann sich vorstellen, wieviel Arbeit das ist, bis alles am Ende vollständig ist. Hieran merkt man ganz deutlich, dass sich viele Antragstellende die Anträge nicht richtig durchlesen. Möglicherweise liegt es daran, dass gerade die Studierenden, die frisch von der Schule kommen und sich noch nie mit Anträgen auseinandergesetzt haben, einfach überfordert sind. Natürlich ist es ein gewisser Aufwand für die Studierenden, den Antrag zu stellen und es benötigt seine Zeit, aber es lohnt sich am Ende, wenn dann doch etwas herauskommt. Der Aufwand lässt sich leider auch nicht verringern. Das Bafög ist ein Gesetz und eine Sozialleistung. Wir sind verpflichtet, genau zu prüfen, ob die Studierenden bedürftig genug sind, um die staatliche Förderung zu bekommen.

Im Zuge des Jubiläums fordert ein Bündnis verschiedener studentischer, gewerkschaftlicher und politischer Jugendorganisationen in einer Petition unter anderem Erhöhung der Elternfreibeträge, Anpassung der Fördersätze an die Realität, Altersunabhängigkeit. Muss sich das BAföG reformieren?

Kunkel: Wenn durch eine Gesetzesänderung erreicht wird, dass künftig mehr Studierende, die bislang kein BAföG erhalten konnten oder aus der Förderung herausgefallen sind, (weiterhin) eine Unterstützung erhalten können, dann geht das meiner Meinung nach in die richtige Richtung. Das BAföG als Sozialleistung an sich ganz abschaffen, z.B. durch die Auszahlung eines fixen Betrages bei Vorlage einer Immatrikulationsbescheinigung, ist allerdings keine gute Idee. Das widerspricht dem Sozialgedanken des BAföG, insbesondere den ärmeren Studierenden eine Unterstützung für eine sorgenfreiere Ausbildung zu gewähren. Wir Ämter für Ausbildungsförderung haben auch schon viele Ideen für Verbesserungen, wie z.B. die Abschaffung des Leistungsnachweises nach dem vierten Semester, geäußert, aber am Ende liegt es an der Politik. Was also künftig mit dem BAföG passieren wird, entscheidet sich ab September mit der neuen Regierung. Sicher aber ist, dass die Hürden weiter gesenkt werden müssen.

Was wünschen Sie sich für die nächsten 50 Jahre?

Kunkel: Wir wollen mehr Studierende unterstützen, die nicht die Mittel haben, um sorgenfrei zu studieren. Ich wünsche mir, dass sich die Studierenden trauen, BAföG zu beantragen. Dass sie sich damit auseinandersetzen und den Antrag in Ruhe durchgehen. Am Ende lohnt es sich. Das BAföG ist eine sehr wichtige Sozialleistung, die beibehalten werden muss.

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