Erlanger Blogger über ein Experiment unter "Rechten"

21.3.2017, 16:30 Uhr
Erlanger Blogger über ein Experiment unter

© Foto: AFP/Nicholas Kamm

Christian Buggisch braucht starke Nerven. Über Wochen hat er sich mit Kommentaren über Politiker, die sich in den nächsten Zug nach Auschwitz setzen sollen, über die "Lügenpresse", die nur dem Establishment dient, Morddrohungen und übelsten Beleidigungen herumgeschlagen. Denn: Der Erlanger Blogger wollte herausfinden, wieso manche Menschen im Netz scheinbar in einer anderen Realität leben können – und hat sich dafür tief in den rechten Social-Media-Sumpf begeben.

Jetzt hat er in der Stadtbibliothek vor vollem Haus berichtet. "Wir waren wahrscheinlich alle sehr entsetzt, als Donald Trump zum Präsident der USA gewählt wurde", mutmaßt er. Schuld an dieser Einstellung: die Filterblase. "In unserer Wahrnehmung war sein Sieg undenkbar, keiner unserer Kontakte aus den sozialen Netzwerken ist pro Trump, und dennoch muss ihn irgendjemand gewählt haben. Warum ist uns das nicht aufgefallen?".

Nutzer von Facebook, Twitter und Co. bewegen sich in einem sehr geschlossenen Umfeld. Sie kommunizieren nur mit Menschen, die ihnen gleichgesinnt sind, sie sehen nur Beiträge von Seiten, die ihren eigenen Vorlieben entsprechen – kurzum: Sie bekommen Informationen, die nicht ihrem eigenen Weltbild entsprechen, unter Umständen nicht mehr mit.

Schuld daran sind die Algorithmen der Netzwerke, die Inhalte für die Nutzer filtern. "Sie können die Filterblase auch einfach Personalisierung nennen. Facebook zeigt die Beiträge an, von denen es annimmt, dass sie für die Person am wichtigsten sein könnten".

Neues Profil erstellt

Um zu beobachten, wie man in die Filterblase hineingesogen wird, hat Christian Buggisch ein neues Facebook-Profil erstellt. "Ich habe damit die AfD geliked. Das war der ganze Trigger, den die Filterblase gebraucht hat", erklärt er. Sofort wurden ihm Seiten wie "Fuck the EU", "Lügenpresse" oder "Multikulti? Nicht mit uns" angezeigt. Seiten also, die andere AfD-Anhänger auch mit "Gefällt mir" markiert haben. Zudem wird ihm angeboten, sich mit rechten Usern zu befreunden. Es entsteht eine geschlossene Gemeinschaft, andere Personen oder Nachrichten dringen nicht mehr durch. "Nach einem Tag war die Blase dicht Da kommt man so schnell nicht wieder raus".

Welche Botschaften kursieren in dieser Spirale? Es gebe vor allem drei Gegner, erklärt Buggisch. "Fremde, die die Deutschen bedrohen, etablierte Politiker, die sich vom Volk entfremdet haben, und Institutionen wie die sogenannte Lügenpresse, die nur der Politik dient".

Echte Kommunikation finde kaum statt. "Es gibt kaum Diskussionen, bei denen Argumente ausgetauscht werden, stattdessen werden plakative Bilder genutzt". Das treibende Motiv sei Hass: "Er ist allgegenwärtig", berichtet der Blogger. "Das Gefühl ist das des Ausgeliefertseins und der Wehrlosigkeit". Morddrohungen gegen Politiker und Beleidigungen in den Kommentaren sind die Folge.

Buggisch hat schnell gemerkt, dass man diejenigen, die in der rechten Blase eingeschlossen sind, nicht mehr erreicht: "Wo soll ich da noch versuchen, in ein Gespräch zu kommen? Das ist ein Ding der Unmöglichkeit". Zu diesem geschlossenen Bild tragen auch "Fake News" bei. Dies sei kein neues Phänomen, erklärt Christian Buggisch und erinnert an die Propaganda der Nationalsozialisten. "Fake News sind so alt wie das gedruckte oder gemeißelte Wort". Warum funktioniert das? "Die Quelle wird nicht mehr hinterfragt. Die User werden überschüttet mit Infos, die zunächst seriös aussehen", so Buggisch. "Der Wahrheitsgehalt der News ist egal, es geht den Usern nicht darum, ob sie richtig sind, sondern ob sie im Bereich des Möglichen liegen".

"Offen bleiben"

Gibt es keine Möglichkeit, dem etwas entgegenzusetzen? "Wir müssen offen bleiben für andere Positionen und unsere Filterblase bewusst durchlässig machen", fordert der Blogger. "Die Politik muss auch mal einfache Botschaften senden und die sozialen Netzwerke besser nutzen und verstehen. Es wäre leichtsinnig, einfache Botschaften den Rechtspopulisten zu überlassen".

Zudem ist er überzeugt, dass Unternehmen wie Facebook und Twitter allein aus wirtschaftlichen Gründen bald technische Lösungen anbieten werden "um mehr Vielfalt zu ermöglichen". Sein Appell: "Bezieht Positionen, geht in Diskussionen, seid skeptisch und verbreitet positive Beispiele und Narrative!"

Am Donnerstag, 23. März, (Beginn 18.30 Uhr) wiederholt Buggisch seinen Vortrag im Emmy-Noether-Gymnasium.

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