Erlanger Musiker lässt es immer noch krachen

26.2.2021, 15:30 Uhr
Erlanger Musiker lässt es immer noch krachen

© Klaus-Dieter Schreiter

Es zwickt und zwackt immer noch. In den Gedanken, im Gemüt. Was wäre gewesen, wenn? Das soll aber nicht heißen, dass das Leben von Johann – genannt Hans – Scharfenberg schlecht verlaufen wäre, rein nüchtern betrachtet ist eher das Gegenteil passiert. Und doch: Was wäre gewesen, wenn der junge Hans so gedurft hätte, wie er gewollt hätte – nämlich eine Profi-Musikerkarriere einzuschlagen?

1965 war’s, da war er sooo nah dran: Zu einer Zeit, in der gefühlt absolut jeder junge Mensch entweder sang und/oder ein Instrument spielte, bekam der damals 17-jährige Johann "Hans" Scharfenberg eine megadicke Chance. Radio Luxemburg, ein seinerzeit absolut angesagter Radiosender, initiierte auf dem Martin-Luther-Platz einen Schlagerwettbewerb. Der junge Hans nahm teil – und bekam prompt das Angebot, in einem Berliner Tonstudio eine Platte aufzunehmen.

Glücklicher Hans. Aber Eltern hatten in jenen Tagen über ihre Nachkommen noch ziemlich viel Macht. Und die wurde sofort demonstriert: "Du lernsd wos G’scheidds! Du machsd erschd mol dei Abidur!" Aus der Traum. Unglücklicher Hans. Er hat sein Abitur gemacht und dann sogar studiert – und aus dem Beinahe-Profi-Musiker Hans wurde der "ganze" Hauptschullehrer Johann Scharfenberg.

Der sein ganzes Leben lang nie weit weg war von der Musik: "Mit vier Jahren habe ich mit der Mundharmonika angefangen. Auf der Bergkerwa hab ich mir statt einer Wasserspritzpistole eine Mundharmonika gewünscht", erzählt der heute 72-Jährige. Ganz klischeehaft ging’s dann mit der Flöte weiter. Es folgte die Geige: Scharfenbergs Mutter ("sie hat mir in Sachen Musik immer den Weg geebnet") brachte dem zehnjährigen Ohm-Gymnasiasten eines Tages das vom Munde abgesparte Instrument mit nach Hause. Fünf Jahre Violin-Unterricht folgten.

Made in Bubenreuth

Und dann? "Dann waren die Beatles da", sagt Scharfenberg, "und nichts war mehr so wie vorher." Für Flöte und Geige hieß das: ab in den Schrank. Statt vier mussten es nun sechs Saiten sein. 30 Mark musste der junge Hans für eine Gitarre, natürlich made in Bubenreuth, anlegen. Und es traf sich günstig, dass der offenkundig gitarrenerprobte Pfarrer von Scharfenbergs Jugendgruppe just fragte: "Wer will Gitarre lernen?" Hans wollte – und schaffte sich als erstes Lied "Aus grauer Städte Mauern" drauf, "das hat nur zwei Akkorde."

Nach und nach kamen natürlich weitere Lieder mit noch mehr Akkorden hinzu. Und so wie sie von Hans Scharfenberg gespielt und gezupft und stimmlich umgesetzt wurden (wurde eigentlich bereits gesagt, dass der junge Hans natürlich auch sang?), wurden andere auf ihn aufmerksam und luden ihn zum Mitmusizieren ein.

Zwei Jahre Bayernliga

Und doch: Wer glaubt, Johann "Hans" Scharfenberg wäre allein mit Musik(machen) hobbymäßig ausgelastet gewesen, der irrt. Denn er konnte und kann nicht nur mit seinen Händen, sondern auch mit seinen Füßen sehr achtbar umgehen. Fußball zu spielen, war die zweite Leidenschaft des Johann Scharfenberg. Beim ATSV agierte er als Mittelfeldspieler, in Büchenbach gab er den Rechtsaußen. Zwei Jahre durfte er dort in der Bayernliga spielen – und wieder wurde man auf ihn aufmerksam: Mit 25 Jahren erhielt er die Chance, mehrmals mit den Profis des 1. FC Nürnberg zu trainieren. Der Termin für ein Sichtungsspiel stand bereits fest – und wieder "durfte" respektive konnte Scharfenberg nicht (diesmal war ein Trauerfall in der Familie der Anlass).

Aber zu jener Zeit hatte er einen anderen Job bereits deutlich vor Augen: Nachdem er in Erlangen und Nürnberg fürs Lehramt studiert hatte, war es 1974 soweit – Hans meldete sich zum Schuldienst. Sein Einsatzort für die folgenden 23 Jahre: die Hedenusschule, "fast eine Brennpunktschule zu jener Zeit", wie sich Scharfenberg erinnert. "Die hatte damals fast 800 Schüler, sechs 9. Klassen mit anfangs noch jeweils 37 Schülern."

"Begeisterter Hauptschullehrer"

Aber Hans wuppte die Chose: "Mit meinen 26 Jahren war ich selber ja noch nicht so weit weg von der Jugend, und da hab ich ja auch noch die Nerven gehabt." 1996 hatte er die nicht mehr und ließ sich für die letzten 13 Jahre seines Berufslebens aufs Land versetzen, an die Baiersdorfer Hauptschule, "zur Hedenus ein Unterschied wie Tag und Nacht." Aber trotz allem: "Ich war die ganzen 36 Jahre lang begeisterter Hauptschullehrer." Ab 2010 befand er sich in Altersteilzeit.

Aber: Es gab all die Jahrzehnte freilich auch ein Leben außerhalb von Klassenzimmern – nämlich ein Leben in der (Live-)Musikwelt. Johann Scharfenberg spielte und spielte, in Duos, in Trios und größeren Formationen – und hat bis zum heutigen Tag nicht damit aufgehört. Bei Geburtstagen, Silberhochzeiten, auf Vernissagen, in Kneipen, in Altenheimen, bei Gartenfesten, in Bierzelten, bei Volksfesten, auf Flusskreuzfahrten, sogar in der Spielbank Feuchtwangen – überall war und ist Johann Scharfenberg zu finden. Aktuell ist er sowohl solo als auch im "Duo Tuneful" (zusammen mit seinem Ex-Kollegen Dieter Gertshauser) und als Teil des "BierFrankenTrios" unterwegs. Fünf Jahre lang war er sogar mal Mit-Musiker bei der "Regnitztaler Saitenmusik".

Oldies und Evergreens

Was hat nun Johann Scharfenberg drauf, sprich im Repertoire? Die Antwort: beinahe alles. Irish Folk ist sein Lieblingspfund, mit dem er wuchert ("ich besuche jedes Folk-Festival und höre genau hin, was ich davon nachspielen kann"), aber da sind ja noch Schlager-Evergreens, Pop- und Rock-Oldies ("aber mehr Donovan als Bob Dylan"), durchaus auch Country-Musik und traditionelle fränkische Volksmusik, die Erzeugnisse deutscher wie österreichischer Liedermacher, unplugged oder auch mit elektrischer Unterstützung.

Und aufgemerkt: Der begeisterte Radio F-Konsument und Fan von Musiker-Biographien hat zudem ein Faible für französische Chansons. Seine Aussprache sei schon von Franzosen höchstselbst gelobt worden, gleichwohl seine Sangeskünste im Allgemeinen, gar vom Ex-Leiter des Windsbacher Knabenchors, Karl-Friedrich Beringer, teilt Scharfenberg nicht ganz unstolz mit. Und welche Musik hört der Aktive passiv? Kaum überraschend: "Alles außer Free Jazz."

Aber als Musiker hat man ja nicht nur flinke Finger und eine Stimme, sondern auch ein Gemüt. Und in eben diesem zwickt’s und zwackt’s noch. Als Profi auf der Bühne stehen. Was wäre gewesen, wenn?

 

 

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