Erlanger "Plogger" räumen die Bergkirchweih auf

27.5.2018, 13:07 Uhr
Erlanger

© Harald Sippel

Wolken ziehen herauf. Ein Unwetter kündigt sich an. Dennoch hat sich eine kleine Gruppe am Eiscafé "Venezia" versammelt. Doch für ein Eis sind sie nicht hier. Ihre Shorts und Schuhe weisen sie klar als Jogger aus, ausgestattet mit Arbeitshandschuhen und einem großen Stoffsack machen sie sich im Laufschritt auf den Weg zu den Kellern. Unterwegs bücken sie sich immer wieder und heben hier einen Zigarettenstummel, da einen Strohhalm oder eine Serviette auf. Sogar ein kleines Plüschherz landet im Sack. Als die Gruppe oben am "T" ankommt, sind die Stoffbeutel zu einem Viertel gefüllt.

"Plogging" nennt sich der Sport den die Gruppe betreibt. Joggen und dabei Müll aufsammeln. Der Begriff setzt sich aus dem schwedischen Wort "plocka" (zu deutsch: aufheben) und "Jogging" zusammen. Als Erfinder der ganzen Aktion gilt der Schwede Erik Ahlström. Dieser hatte vor einigen Jahren angefangen, beim Laufen durch Stockholm den herumliegenden Müll aufzusammeln. Über die sozialen Medien verbreitete sich die Aktion in Windeseile um die ganze Welt. So wurde auch Fitnesstrainer Marco del Popolo auf den Trend aufmerksam. Eher aus einer Spaßidee heraus veranstaltete er den ersten Plogging Lauf in Erlangen. Über 30 Lauffreudige kamen zu dem Event.

Mittlerweile hat sich schon eine feste "Plogging-Community" gebildet. Einmal die Woche treffen sie sich jeweils in Erlangen und Nürnberg und "ploggen" drauf los. Bald, hofft Marco, deutschlandweit Plogging Läufe veranstalten zu können.

Wegen des angekündigten Unwetters am Mittwoch ist die Gruppe überschaubar. Zu viert versuchen sie dem Müll Herr zu werden. Zwischen all dem Gedränge der Menschen auf dem Berg sieht man immer wieder die weißen Shirts der "Plogger" aufblitzen. Für das Bergevent haben sie diese extra angefertigt. Ein laufender Müllsack ist darauf zu sehen, "Plogging" ist in grün aufgedruckt. Gemeinsam bahnen sie sich ihren Weg durch die Menge und heben dabei alles auf, was ihnen in den Weg kommt.

Leute zum Nachdenken anregen

Manchmal auch direkt vor den Füßen der Passanten, die dann gezwungen sind stehen zu bleiben. "Wenn der dann sieht, der hebt meinen Müll auf, regt das die Leute zum Nachdenken an", ist sich Uwe Brenner, ein Teilnehmer sicher. Seit dem zweiten Plogging Lauf ist er dabei. "Weil’s ’ne geile Sache ist", schwärmt der 49-jährige. Uwe ist ein begeisterter Marathonläufer und hält sich mit Plogging in Form. Es ist viel anspruchsvoller als "einfaches" Joggen. Es ist wie Intervalltraining, erklärt der Fitnesstrainer. Man fährt den Puls durchs Joggen hoch, senkt ihn beim Müll aufheben wieder. Im Anschluss gibt man gleich wieder Gas. Das ständige Bücken ist außerdem ein gutes Training für den Gesäßmuskel, sagt er. So kommt man ganz schön ins Schwitzen. Auch weil der Müllsack immer schwerer wird.

Kritiker sind allerdings der Meinung, Plogging rege Menschen dazu an, noch mehr Müll liegen zu lassen, weil er gleich wieder weggeräumt wird. Dem widerspricht del Popolo. Eher das Gegenteil sei der Fall. Man wird sich der enormen Mülllast bewusst und versucht dagegen anzukämpfen, berichtet er aus eigener Erfahrung.

Keine Konkurrenz, sondern Unterstützung

Aber warum überlässt er das Aufräumen nicht der städtischen Reinigungskraft? Die sind während der Bergzeit schließlich im Dauereinsatz und machen ihre Aufgabe gut. Marco sieht sich aber weniger als Konkurrenz, sondern eher als Ergänzung. Es gehe nicht darum, Arbeitsplätze wegzunehmen. Vielmehr gehe es darum, die flächenmäßigen Reinigungsarbeiten gezielt zu unterstützen "Wir gehen dahin, wo die Reinigungskräfte nicht hingehen können. Zum Beispiel an Ufer, Bäche oder tief ins Gebüsch. Da krabbeln wir auch rein und holen den Müll", so der 22-jährige. Außerdem sei Plogging eine super Möglichkeit, um auf das Thema Umweltschutz hinzuweisen.

Gesagt. Getan. Immer wieder bleiben die Läufer stehen und klären über Plogging auf. Skeptische Blicke verwandeln sich schnell in positiven Zuspruch, als klar wird, was hier eigentlich passiert. Eine Bäckereiverkäuferin applaudiert der Gruppe. Die Aktion findet großen Zuspruch. Vor allem junge Leute loben das Engagement.

Viel Überwindung

Dennoch, es gehört schon etwas Überwindung dazu, einfach fremden Müll aufzuheben. Das sieht auch eine Schaustellerin so und bietet den fleißigen "Ploggern" einen "Slush-Becher" an. "Coach" Marco, lehnt dankend ab. Der Becher ist aus Plastik. Es gehe ihm nicht nur darum, Müll aufzusammeln, sondern auch ihn zu vermeiden, erklärt er.

Nach etwa einer Stunde ist die Gruppe fertig. Voll sind die Säcke nicht. Trotzdem lassen sich die fleißigen Läufer ihre Maß aus dem Tonkrug schmecken. Die Stimmung ist gut. Es hat übrigens bereits angefangen zu regnen.

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