Coronavirus

Erlanger Schnelltestcenter regelrecht überrollt: Von 150 auf 2000 Testungen

2.12.2021, 11:00 Uhr
In den ehemaligen Verkaufsräumen des Schuh Mengin in der Stintzingstraße gibt es kostenfreie Corona-Schnelltests mit Zertifikat.

In den ehemaligen Verkaufsräumen des Schuh Mengin in der Stintzingstraße gibt es kostenfreie Corona-Schnelltests mit Zertifikat.

Am Samstag erst haben sie diese Räume erstmals aufgesperrt. Sie haben die Schilder mit dem Einbahnstraßen-Symbol aufgehängt, die vielen Pfeile an die Pfosten und die Türen geklebt. „Es soll sich ja niemand verlaufen“, sagt Daniel Gürtler.
Monatelang waren diese Büroräume an der Stintzingstraße leer gestanden. Das traditionsreiche Erlanger Schuh-Haus Mengin hatte hier vor Jahren einen Sonderverkauf, im Erdgeschoss lagerten kistenweise Schuhe. Auch dort sitzt Daniel Gürtler nun, 37 Jahre alt. Früher war er mal Jugendnationalspieler im Hockey, spielte Bundesliga für den Nürnberger HTC. Dann hat er ein Unternehmen gegründet und sich selbstständig gemacht. Gürtler ist jemand, der weiß, dass wenn man hart genug arbeitet, es auch mal bis nach ganz oben schaffen kann. Auf diesen Weg hat er sich auch mit seiner Eventagentur geträumt - doch dann kam der Coronavirus. Die Regelungen haben wie ein brutaler Innenverteidiger alles, was irgendwie mit Event zu tun hat, vom Platz gegrätscht.

Kurzerhand umgedacht

Gürtler ist aber nur kurz liegen geblieben. Er hat sich geschüttelt und kurzerhand neu aufgestellt. Schon früh in der Pandemie hat er mit Alexander Benedikt ein Corona-Schnelltestzentrum in Erlangen und Herzogenaurach aufgebaut, man kann sogar mit dem Auto durchfahren und sich bei geöffneter Scheibe ein Test-Stäbchen in die Nase schieben lassen. Später sorgten sie mit ihren Testzelten vor Ort für einen sicheren Besuch auf dem Entlas-Biergarten oder beim Sport. Es schien, als hätten beide das Beste aus der Situation gemacht. „Aber dann“, sagt Benedikt, „tauchten irgendwo in Deutschland die ersten Schwarzen Schafe auf.“

Kriminelle, die Abstriche abrechneten, die sie nie durchgeführt hatten. „Etwas Schlimmeres hätte uns kaum passieren können“, findet der 43-Jährige: Skepsis löste in der Bevölkerung die Dankbarkeit ab, die Behörden versuchten, die fehlende Kontrolle mit immer mehr Bürokratie zurückzugewinnen - so viele Auflagen, dass sogar Gürtler und Benedikt, die sich nie etwas zu Schulden kommen ließen, überlegten, ihr Schnelltest-Zentrum wieder zuzumachen.
Es war ein ungutes Gefühl, was sie davon abhielt: „Ich war mir sicher, dass man uns im Winter noch brauchen wird.“ Die beiden Unternehmer wünschten sich das gar nicht, „am liebsten“, sagt Benedikt, „wäre es uns, wir könnten endlich in unsere Jobs zurückkehren.“ Der Diplom-Sportwissenschaftler leitet ein Fitnessstudio in Herzogenaurach.

Als die Impfoffensive die Schnelltest-Strategie völlig ablöste, die Politik versuchte, mit kostenpflichtigen Testungen die Unwilligen zur Schutzimpfung zu zwingen, schien das Schnelltest-Zentrum in Erlangen endgültig angezählt. „Gerade so null auf null“ seien die sieben Tage Arbeit aufgegangen, die meiste Zeit standen sich die tapferen Studentinnen und Nebenjobler in Schutzkleidung ein Loch in den Bauch. Dort, wo kurz zuvor ein eingespieltes Team im Akkord Schnelltests samt Ergebniszertifikaten produzierte, kamen im Schnitt weniger als 150 Menschen.

Entscheidungen über Nacht

Als die Temperaturen fielen und die Infektionszahlen stiegen, schwenkte die Bundesregierung über Nacht um. „Viele in der Branche hielten uns für verrückt, das Risiko sei viel zu groß“, sagt Alexander Benedikt. Doch was hatten sie schon zu verlieren? Also warteten sie gar nicht erst auf Rechtssicherheit und gingen in Vorleistung, boten wieder kostenfreie Testungen an. „Uns geht es in erster Linie darum, die Pandemie wirksam zu bekämpfen, unseren Teil in der Gesellschaft zu leisten, dass wir möglichst schnell zurück in die Normalität kehren können“, so Benedikt. Aus den 150 Testungen wurden binnen einer Woche wieder über 800. Und als, schon wieder über Nacht, die Behörden die Maßnahmen auf 2G plus sogar am Arbeitsplatz verschärften, schleusten sie über 2000 zum Test durch die Stintzingstraße. „Wir sind regelrecht überrannt worden“, sagt Daniel Gürtler. Ihr Vorrat an Tests sollte bis Weihnachten reichen. Nach weniger als zehn Tagen war er bereits aufgebraucht.

Hunderte Meter lang war die Schlange in Herzogenaurach am Schützengraben.

Hunderte Meter lang war die Schlange in Herzogenaurach am Schützengraben. © Christoph Benesch, NN

Das ewige Hin und Her, das ständige Auf und Ab nimmt Daniel Gürtler wie früher die Schiedsrichterentscheidungen: Er hadert nicht lang – er macht das Beste draus. In der Stintzingstraße hieß das: Leere Büroräume anmieten, zwei Teststraßen einrichten, die Kapazität von 300 auf 600 Tests pro Tag verdoppeln. Auch in Herzogenaurach am Schützengraben haben sie das gemacht. In den ersten Tagen bildeten sich Schlangen, hunderte Meter lang.

"Die Menschen sind glücklich"

„Die Menschen sind glücklich, dass wir noch da sind“, sagt Alexander Benedikt. Gürtler und Benedikt sprangen nun selbst stundenlang wieder als Tester ein – das Hin und Her der Politik hatte ihnen auch die Mitarbeiter vertrieben.
„Wir sind froh, dass wir nicht aufgegeben haben, so wie viele andere“, sagt Benedikt. Seinem unguten Gefühl sei Dank! Nun, sagt er, müssen sie sich vorbereiten. In 30 Minuten kommen die Mitarbeiter der städtischen Abfallwirtschaft zum Testen. „Streng genommen“, sagt Daniel Gürtler und grinst, „wird ohne uns der Müll nicht mehr abgeholt.“ Dann stänke es in der Stadt bis hoch zum Himmel.

Hier geht es zum Kommentar zu diesem Thema von Redakteur Christoph Benesch.

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