Fall Kimmich

Erlanger Sportmediziner hat wenig Verständnis für ungeimpfte Profisportler

3.12.2021, 13:00 Uhr
"Für einen Leistungssportler ist die ungeimpfte Infektion mit COVID-19 mit einem deutlich höheren Risiko, wie zum Beispiel dem Long-Covid-Syndrom, verbunden, als mögliche Impfnebenwirkungen", sagt der Erlanger Kardiologe und Sportmediziner Dr. Leonard Fraunberger. Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich (Foto) hatte bis zuletzt auf eine Impfung verzichtet, sich dann aber mit dem Coronavirus infiziert.

© Carmen Jaspersen/dpa "Für einen Leistungssportler ist die ungeimpfte Infektion mit COVID-19 mit einem deutlich höheren Risiko, wie zum Beispiel dem Long-Covid-Syndrom, verbunden, als mögliche Impfnebenwirkungen", sagt der Erlanger Kardiologe und Sportmediziner Dr. Leonard Fraunberger. Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich (Foto) hatte bis zuletzt auf eine Impfung verzichtet, sich dann aber mit dem Coronavirus infiziert.

Herr Dr. Fraunberger, wie sehr hat es Sie überrascht, als Sie erfuhren, dass beim erfolgreichsten deutschen Fußballverein zum jetzigen Zeitpunkt der Pandemie noch immer ungeimpfte Profis spielen?

Ehrlich gesagt, kann ich diesen Umstand nach meinem medizinischen Verständnis und aus ethisch-moralischen Aspekten her nicht ganz
nachvollziehen. Aktuell haben wir zunehmend sehr belastende Situationen in unseren Krankenhäusern, vor allem auf den Intensivstationen, aufgrund derer man sich in der gesamten Gesellschaft ein größeres "Miteinander" wünschen würde. Dazu gehört, dass jeder Mensch, der sich impfen lassen kann, also auch und gerade Profi-Fußballspieler, sich auch impfen lässt.


Nun argumentierte etwa der ungeimpfte Nationalspieler Joshua Kimmich, dass ihm die fehlenden Langzeitstudien der Impfungen fehlen - unter diesen Umständen könne er seinen Körper als Kapital diesem Risiko nicht aussetzen. Ist diese Argumentation aus fachlicher Sicht schlüssig?

Mittlerweile haben wir sehr viele und auch wissenschaftlich hochwertige Ergebnisse, die die in Deutschland zugelassenen Impfstoffe als sehr sicher beurteilen. Mögliche Impfnebenwirkungen treten, wie auch bei anderen Impfstoffen, in den ersten Tagen bis Wochen auf. Gerade weil der Körper eines Leistungssportlers sein Kapital ist, ist eine Impfung so wichtig. Dadurch kann der Verlauf einer COVID-19-Infektion deutlich gemildert und mögliche Schädigungen, wie zum Beispiel ein Long-Covid-Syndrom, vermieden werden.

"Kein einziger Fall von Impfschaden"

Sie betreuen reihenweise Profi- und Leistungssportler. Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen diese Patientinnen und Patienten nach Impfungen ernsthafte und bleibende Schäden davontrugen?

Dr. Leonard Fraunberger ist auch Vizepräsident des Bayerischen Sportärzteverbandes und leitet die Leistungsdiagnostische Untersuchung an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Dr. Leonard Fraunberger ist auch Vizepräsident des Bayerischen Sportärzteverbandes und leitet die Leistungsdiagnostische Untersuchung an der Universität Erlangen-Nürnberg. © privat, NN

Bei keinem der von mir betreuten und untersuchten Sportler konnten wir schwere beziehungsweise bleibende Schäden nach einer COVID-19-Impfung nachweisen. Wichtig ist, dass am Tag der Impfung und bis zu zwei Tage danach entweder das Training ganz ausgesetzt oder entsprechend angepasst wird und keine intensiven, sondern nur höchstens moderate Belastungen eingebaut werden.

Wie sieht es bei der gleichen Patientengruppe im Hinblick auf das Coronavirus aus: Gibt es genesene Sportler, die aufgrund von Langzeitfolgen des Virus keinen Leistungssport mehr machen können?

Bei den meisten Sportlern konnten wir bei Symptomfreiheit nach einer COVID-19-Infektion wieder vorsichtig mit einem "Return-To-Sport-Schema" über sieben Tage mit dem Training beginnen. Bei wenigen trat ein sogenanntes Long-Covid-Syndrom auf, das heißt: ein länger bestehendes allgemeines "Müdigkeits-/Schlappheitsgefühl", wie wir es etwa auch nach einer
EBV-Infektion (Pfeiffersches Drüsenfieber) kennen. Nach sechs bis sieben Monaten waren diese Symptome aber bei keinem mehr vorhanden. Dies ist auch bei den bisher durchgeführten Erhebungen und Studien zu Long-Covid der Fall. Es laufen diesbezüglich weitere Studien.

Mehr Bewegung, weniger Risiko

Was sagt der derzeitige Forschungsstand: Besteht für Leistungssportler eine erhöhte Gefahr eines schweren Verlaufs bei einer Infektion mit dem Coronavirus?
Generell haben Sportler, vor allem mit einem Ausdaueranteil in der jeweiligen Sportart, ein deutlich geringeres Risiko für einen schweren Verlauf. Das Immunsystem ist bei diesen besser trainiert. Das größte Risiko für einen schweren Verlauf ist aus sportmedizinischer Sicht vor allem Bewegungsmangel mit Übergewicht und den damit verbundenen Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, und so weiter.

Nun ist Joshua Kimmich ungeimpft an Covid-19 erkrankt. Ist aus fachlicher Sicht seine Infektion als Leistungssportler weniger riskant als durch eine Impfung eventuelle Schäden oder Langzeitfolgen davonzutragen?

Für einen Leistungssportler ist die ungeimpfte Infektion mit COVID-19 mit einem deutlich höheren Risiko, wie zum Beispiel dem Long-Covid-Syndrom, verbunden, als mögliche Impfnebenwirkungen.

Keine Kommentare