Erlanger Wissenschaftler: Schnelltests können hilfreich sein

22.2.2021, 16:00 Uhr
Erlanger Wissenschaftler: Schnelltests können hilfreich sein

© Stefan Hippel, NNZ

Herr Prof. Ensser, viele Länder setzen schon länger Antigenschnelltest ein, jetzt hat sich auch Deutschland dazu durchgerungen, diese einzusetzen. Ein sinnvolle Entscheidung, im Kampf gegen die Pandemie?

Antigenschnelltests sind überwiegend für die Anwendung bei symptomatischen Patienten vorgesehen und validiert, und bei richtiger Handhabung eine sinnvolle Ergänzung in bestimmten Situationen.

Sie sind nicht billig, kosten oft mehr als eine mRNA-Impfstoffdosis, und der nötige Aufwand wird gerne unterschätzt. Probenentnahme und Testdurchführung dauern im günstigen Fall etwa 20 Minuten – ohne den Aufwand für Dokumentation und – im positiven Fall – der eigentlich erforderlichen Meldung ans Gesundheitsamt. Die Zeitvorgaben müssen exakt eingehalten werden, sonst bekommen sie mehr unrichtige Ergebnisse.
Ich versuche mir hier die morgendliche Testung einer ganzen Schule oder eines Betriebs vorzustellen, wo dies vermutlich auch zur Unterrichts- oder Arbeitszeit zählen würde. Ein geschulte Person schafft dann vielleicht 30-40 pro Stunde, da kommt man schnell auf 1-2 Vollzeitstellen.

Die Hersteller der inzwischen mehr als 150 in Europa zugelassenen Schnelltests behaupten, dass ihre Tests in rund 99 Prozent der Fälle richtig liegen. Einige Studien wie zuletzt von der Berliner Charité kommen allerdings zu anderen Ergebnissen.

Mir sind natürlich nicht alle dieser Produkte im Detail bekannt. Mit dem in der genannten Studie eingesetzten Test haben wir letztes Jahr verschiedene SARS-CoV-2 PCR-positive Patientenproben nachgetestet, und kommen hinsichtlich der Empfindlichkeit zu ähnlichen Ergebnissen. Stark positive Proben mit viel Virus werden erkannt, schwächer positive eben kaum oder gar nicht. Kritischer Punkt ist die Viruskonzentration in der Probe, da Antigenschnelltests eben keine Anreicherung oder Verstärkung wie die viel empfindlichere PCR beinhalten. Je mehr eine Probe verdünnt wird („Spuck- und Gurgeltests“) desto eher wird eine Infektion übersehen.

Das eigentlich Interessante an der zitierten Studie ist der Vergleich zwischen Nasen-Rachenabstrich durch Fachpersonal und vom Laien an sich selbst durchgeführten vorderen Nasenabstrich. Hier war das Fachpersonal mit knapp 80% dem Laienabstrich mit 75% nur leicht überlegen. Aber es wurde eben ein Fünftel, vor allem schwächer positive Proben, wie sie ganz zu Beginn oder spät im Verlauf vorkommen, nicht erkannt. Immerhin waren in dieser Studie mit 289  ganz überwiegend symptomatischen Teilnehmern nur 3 Antigentests falsch positiv (3/578 = 0.5%) und die gefundenen Positiven (13.5%) stimmten. 

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© Luise Laufer/Uni-Klinikum

Ein generelles Problem ist die Anwendung als Screeningtest bei niedriger Inzidenz und bei weitgehend asymptomatischen Personen. Rechnen wir mal mit einer Inzidenz von 70/100.000 Neuinfektionen pro Woche, dann sind das 10 Infektionen am Tag auf 100.000, davon würden vermutlich 8 vom Schelltest erkannt. Wenn Sie diesen eigentlich guten Test in dieser Situation breit anwenden, und nehmen wir mal das Studienbeispiel von 0.5% falsch Positiven, dann bekommen Sie auf 100.000 Tests 500 falsch positive Testergebnisse, und weniger als jedes 50. positive Testergebnis stimmt dann. Und die Personen müssen - bis zum Beweis des Gegenteils - in Quarantäne.

In welchen Bereichen könnten Ihrer Meinung nach Schnelltest Sinn machen?

Schnelltests ermöglichen bei Personen mit Atemwegssymptomen eine gute Einschätzung. Kranke sollten aber sowieso nicht in die Schule oder den Betrieb, sondern zum Arzt bzw. zum PCR-Test und dann erst mal zuhause bleiben. Sie eignen sich z.B. um in Notaufnahmen SARS-CoV-2 Verdachtsfälle besser zu sortieren, bis der zuverlässigere PCR-Test vorliegt. Oder in Ausbruchssituationen in Kliniken, wo ja medizinisches Personal sich dann selbst testen kann. Und solange die Impfung noch nicht breiter verfügbar ist, auch in vulnerablen Situationen mit Alten und in Pflegeeinrichtungen. Bei symptomfreien Patienten sind sie allenfalls eine Momentaufnahme, die eine hohe Virusausscheidung kurz vor Erkrankungsbeginn erfassen könnte; auch hier wäre die PCR früher in der Lage dies zu erkennen, mit weit weniger falsch positiven Befunden. Sie eignen sich nicht zum „Freitesten“ um anschließend auf Abstands- und Hygieneregeln zu verzichten. Ich bin davon überzeugt, dass wir nur mit einer raschen und breiten Umsetzung der Impfungen aus der Pandemie kommen.