Ex-Kulturreferent fordert: Denkmalschutz in kommunale Hände

9.9.2019, 18:00 Uhr
Ex-Kulturreferent fordert: Denkmalschutz in kommunale Hände

© Ulrich Schuster

Insgesamt zeigt der Streit über den Umgang mit etlichen Gebäuden und Ensembles, dass sich die Bevölkerung der historischen Dimension von Immobilien durchaus bewusst ist. Eine Verlagerung der Entscheidung über die Denkmaleigenschaft auf die kommunalen Gremien entspräche somit weit mehr demokratischen Prinzipien und ließe auch eine bessere Balance zwischen Baubestand und veränderter Nutzung zu als die Auslagerung an eine staatliche Behörde.

Ein Beispiel dafür ist der "Frankenhof", der auf dem Weg vom Lehrlingsheim über nostalgisch prägende Musik-Clubs bis zum Haus der Beliebigkeit einen langen und kurvenreichen Weg ging, auf dem er den Wandel vom Ort für Leben und Arbeit über das Lebensgefühl der 68er bis zur Auflösung seiner Funktionen in additive "Singularitäten" nachzeichnete. Der von Architekten-Seite befeuerte Versuch, das Bauwerk unbeschadet seines Funktionsverlustes als Denkmal zu retten, provozierte die Option des völligen Abrisses. Die statische Manifestation der überholten ursprünglichen Funktion muss nun mühsam in eine der neuen Funktion als "Kultur- und Bildungs-Campus" angepasste Architektur überführt werden. Ob dabei von der "Brutalo-Architektur" der Betonbauweise Sichtbares in eine transparentere Architektur, wie sie der Funktion als Ort kultureller Bildung entspräche, bleiben wird, bleibt abzuwarten. Der Ort bietet jedenfalls die Chance eines kreativen Denkmalschutzes durch veränderte Nutzung, und es sieht so aus, als würde diese Chance auch ergriffen.

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Ex-Kulturreferent fordert: Denkmalschutz in kommunale Hände

© Johnston

Weit mehr noch bewegt die Debatte um die Zukunft der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt in Erlangen die Gemüter. Die Chance, hier am historischen Ort eine Gedenkstätte für die Ermordung "lebensunwerten Lebens" zu errichten, steht im Konflikt mit dem Bestreben des Uni-Klinikums, Raum für moderne medizinische Forschung zu schaffen. Der Umbruch ist damit ein doppelter: Auf der einen Seite fordert das (spät, aber doch) erwachte Gewissen, die bauliche Erinnerung nicht einfach abzureißen; auf der anderen Seite steht die Chance, mit modernster medizinischer Forschung das Leben der heutigen und künftigen Menschen zu verbessern.

Ex-Kulturreferent fordert: Denkmalschutz in kommunale Hände

© Archivfoto: Harald Sippel

Ein Kompromiss sollte aus zwei Gründen möglich sein: Zum einen hat das Gebäude eine weit längere Geschichte als die der Mord-Organisation durch die Nazis und ist zudem für eine Gedenkstätte reichlich groß. Eine Gedenkstätte kann also auch mit einem bloßen Teil seines Bestandes errichtet werden. Zum anderen wachsen dem Klinikum künftig weitere Flächen zu, so dass der Anspruch auf genau dieses Gebäude zwar politisch gewollt, keineswegs aber zwingend erscheint.

Völlig unverständlich ist jedoch das Prozedere dieses Wandels: Da es für die Gedenkstätte, auf die man sich inzwischen prinzipiell verständigt hat, noch kein Konzept gibt, ist die beschlossene Beschränkung auf eine bestimmte Quadratmeter-Zahl weder rational begründet noch architektonisch und funktional sinnvoll. Da es auch keinen zeitlichen Handlungsdruck gibt, ist die jetzige Entscheidung über den Umfang eines Abrisses voreilig und nicht notwendig. Die Chance, Umbrüche im öffentlichen Bewusstsein in kulturelles und architektonisches Handeln umzusetzen, wird so mutwillig vertan.

Kein Prinzip verträgt seine letzte Konsequenz. Jede Festlegung auf den allgemein gültigen "richtigen" Weg steht dem künftigen Wandel der Gesellschaft, ihrer Lebensbedingungen und ihrer kulturellen Ausdrucksformen im Weg — freilich ohne ihn wirklich aufhalten zu können. Wenn die Geschichte etwas lehrt, dann nur, dass Wandel und Umbrüche ihre einzige Konstante sind. Kultur verändert sich dabei ungleichzeitig zu Gesellschaft — manchmal als Motor, manchmal als Sukzessionsgewächs. Wo sich Kultur in so dauerhaften Formen manifestiert, wie das bei der Architektur der Fall ist, wird der Konflikt unausweichlich, ob, wie weit und wie schnell sie den gesellschaftlichen Wandel nachvollziehen kann und soll. Da das Austragen von Konflikten aber Kern jeder demokratischen Politik und Gesellschaft ist, sind die Umbrüche, denen Kultur und Architektur unterliegen, wesentliche Elemente einer kulturell geprägten Demokratie. Der Tag des Offenen Denkmals kann diesen Optimismus transportieren.

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