Fasten für den Körper und das Klima - geht das?

2.4.2021, 11:27 Uhr
Fasten für den Körper und das Klima - geht das?

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Sie sind Ärztin und engagieren sich bei Health for Future, was ist der Grund für Ihren Einsatz, Frau Dr. Hahn?

Das mache ich aus zwei Gründen. Zum einen bin ich seit 2019 Mitglied bei der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit, weil ich gemerkt habe, dass mir aus meiner bisherigen ärztlichen und -wissenschaftlichen Umgebung zum Thema Klimaschutz und Gesundheit viel zu wenig Informationen zukommen und ich darüber aber noch mehr erfahren und weitergeben möchte.

Und zum anderen?

Zum anderen bin ich eigentlich seit Jahrzehnten sehr an dem Thema interessiert; ich kann mich daran erinnern, als ich 1972 den Bericht des Club of Rome zu den Grenzen des Wachstums in der Hand gehalten habe, den ich mir als junge Studentin besorgt hatte. Schon damals haben mich die Schilderungen sehr beunruhigt.

Health for Future will den Zusammenhang von Gesundheit und Klimaschutz aufzeigen, was hat das eine mit dem anderen denn zu tun?

Fasten für den Körper und das Klima - geht das?

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Der Zusammenhang ist einfach. Er besteht vor allem darin, dass die Art, wie wir leben, zu einem riesigen Ressourcenverbrauch führt. Das gilt in vieler Hinsicht. Aber speziell in der Medizin rückt vor allem die Ernährung in den Mittelpunkt. In dem Bereich haben uns bisher die Informationen darüber gefehlt, dass das, was und wie viel wir essen, auch wenn es gesund ist, mit einer nachhaltigen Entwicklung nicht vereinbar ist.

Ist das denn ein Widerspruch?

Für viele in der Medizin schon. Wenn man das herunterbricht auf die Frage, was ist nachhaltige und was ist gesunde Ernährung, dann kommt man in sehr turbulente Wasser, denn es ist wissenschaftlich ein sehr umstrittenes Gebiet. So langsam entwickeln sich Konsensbereiche zwischen denen, die sich mehr für die Nachhaltigkeit und jenen, die sich mehr für die individuelle Gesundheit interessieren.

Unsere Lebensmittel sind für den Einzelnen in der Regel gesund und sicher gesünder als in früheren Zeiten, aber Produktion, Handel und Konsum müssen auch aus ökologischer Gesamtsicht betrachtet werden, denn der individuelle Fokus ist zu klein. Als Ärztin sind mir unsere Lebensgrundlagen eben nicht egal. Unsere individuelle Gesundheit kann nur innerhalb der so genannten planetaren Grenzen stabil bleiben. Diese sind durch die Klimakrise, den Artenschwund und die Belastung der Böden erreicht: wir müssen das begreifen und ändern.

Wo liegt das Hauptproblem?

Der Fleischkonsum ist derzeit das Hauptproblem, er hat sich zwischen 1998 und 2018 verdoppelt und der Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen ist bei Herstellung und Handel von Fleisch enorm. Selbst die konservative Deutsche Gesellschaft für Ernährung plädiert jetzt dafür, den Fleischkonsum wieder zu halbieren und auf den Stand von 1998 zurückzugehen. Die 1,3 Kilo, die wir pro Person im Schnitt pro Woche an Fleischkonsum haben, ist einfach too much. Aber die Frage ist: Wie geht man damit um.

Und wie geht man damit um?

Fleisch hat einen hohen Stellen- und Statuswert, es ist auch sicherlich eine Errungenschaft gewesen, dass man gerade in Deutschland nach den verheerenden Zuständen nach dem Zweiten Weltkrieg über die Kartoffelsuppe herausgekommen ist und wieder Fleisch essen konnte. Aber jetzt ist der Fleischkonsum zu hoch, er sollte reduziert werden. Wenn man es reduziert, dann kann man sich vielleicht auch das etwas teurere Biofleisch leisten. Da sehe ich auch die Stadtgesellschaft gefordert: Wir könnten eine Stelle einrichten, die über verschiedene Öko-Siegel aufklärt.

Wer weniger Fleisch isst, macht ja nicht nur etwas für die Umwelt, sondern er macht auch etwas für seine ganz persönliche Gesundheit.

Fleisch per se ist natürlich nicht schädlich, das ist ja kein Gift. Die Diskussion, was nachhaltiges Essen ist, ist sehr weit gedient, die Diskussion aber, was gesundes Essen ist, steckt noch in den Kinderschuhen. Das ist tatsächlich ganz eigenartig. Die Schulmedizin lehrt das nicht, das ist ein Defizit in der Ausbildung von Ärzten.

Wenn wir sagen sollen, was gesundes Essen ist, sagen wir immer die allgemeine Formel: Viel Obst und Gemüse und wenig Fleisch. Das stimmt auch so, aber offensichtlich verhindert dies nicht, dass wir immer übergewichtiger werden, es mehr Diabetes Typ II gibt und wir es mit mehr Allergien, auch im Nahrungsmittelbereich, zu tun haben. Diese Zusammenhänge im Kontext der medizinisch-relevaten Umweltforschung sind nicht etabliert.

Aber dass der Klimawandel zum Beispiel zu mehr Allergien führt, weil Bäume länger und aggressiver blühen, oder auch zu Fluchtbewegungen ist ja bekannt. Warum interessiert sich die Gesundheitsbranche erst jetzt dafür?

Sehr gute Frage, ich kann sie Ihnen letztlich nicht beantworten, aber sie macht mir großen Kummer, weil es so ist. Die klinische Medizin hat einen zu kleinen Fokus gehabt, sie hat sich auf den individuellen Menschen konzentriert, da hat sie auch viel geleistet. Aber die Zusammenhänge zwischen den Umweltbedingungen und großen Gruppen von Menschen, also eigentlich das, was man als Sozialmedizin bezeichnet, ist unterrepräsentiert. Die jeweiligen Fachrichtungen kennen sich da schon aus, aber es dringt nicht heraus aus dem riesigen – in Anführungszeichen – Silo Krankenhaus.

Was schadet neben dem hohen Fleischkonsum der Kohlendioxid-Bilanz denn noch?

Es wird zu viel Saft, Saftmischungen, Mineralwasser und auch zu viel Cola getrunken, um den Durst zu stillen, obwohl es doch hervorragendes Leitungswasser gibt. Ich weiß, das klingt jetzt ein bisschen verbiestert, aber ich sehe es überhaupt nicht ein, warum wir diese Unmengen an abgefüllten Getränken produzieren, was Energie verbraucht und wiederum Unmengen an Müll produziert. Denn gerade zur Müllvermeidung kann der Einzelne beitragen. Es kann doch auch wirklich nicht sein, dass wir fast ein Drittel der erzeugten Lebensmittel wegschmeißen.

Auch durch Bewegung lässt sich der Kohlendioxid-Ausstoß noch zusätzlich reduzieren.

Da ist in Erlangen schon viel Engagement dabei, wir unterstützen das natürlich: So viel Bewegung wie möglich, insbesondere bei Kindern. Und dass Bewegung und nicht übermäßiges Essen beides Voraussetzungen für die Gesundheit sind, ist schon klar. Doch wie soll man damit in einer modernen Großstadt wie Erlangen umgehen, wenn es eben längere Strecken zur Arbeit und zum Einkauf gibt und wenn das, was in den Supermärkten in den Regalen angeboten wird, keine gute Zusammensetzung der Nahrung ist. Die Werbung orientiert sich da am Preis, nicht am Wert der Lebensmittel.

Aber wenn man dann wirklich ressourcensparender lebt, also etwa mehr Fahrrad fährt, lebt man ja nicht nur ökologischer, sondern doch auch gesünder. Da ist dann gar kein Widerspruch zwischen individueller und allgemeiner Gesundheit.

Genau, Sie haben in diesem Punkt völlig Recht. In der Tat ist es genau so: Es ist nämlich wirklich eine der berühmten Win-win-Situationen. Weniger Essen, weniger Fleisch, mehr Bewegung: Die private Gesundheit nimmt zu, der öffentlichen Gesundheit wird Vorschub geleistet und im großen und ganzen würde es sicher unsere Ressourcen schonen und den CO2-Abdruck vermindern. Und das ist das, was wir dringend brauchen. Noch machen zu wenige mit.

 

 

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