BLLV-Vorsitzende hält dagegen

Fränkischer Vater klagt an: "Lehrer hatten es noch nie so schön wie in diesem Schuljahr"

12.8.2021, 12:50 Uhr
Schule in Zeiten einer Pandemie: Das Corona-Virus hat Schülern, Lehrern und Eltern im abgelaufenen Schuljahr 2020/21 viel abverlangt. 

© Matthias Balk/dpa Schule in Zeiten einer Pandemie: Das Corona-Virus hat Schülern, Lehrern und Eltern im abgelaufenen Schuljahr 2020/21 viel abverlangt. 

Familienvater Jens Geider hat in Eckental drei Kinder an drei verschiedenen Schulen - und kennt sich somit mit dem Bildungssystem und den derzeitigen Corona-Sonderbedingungen doch einigermaßen gut aus. 10, 12 und 14 Jahre sind seine Kinder alt und decken damit mit 4., 6. und 7. Klasse, wie er im Gespräch mit diesem Medienhaus sagt, "die komplette Bandbreite der schulischen Ausbildung" in Grund- und Mittelschule sowie Gymnasium ab.

Das, was er bzw. seine Kinder in den diversen Bildungseinrichtungen in den vergangenen Corona-Schulmonaten erlebt hätten, sei so etwas wie eine Katastrophe, erzählt er zu Beginn der Sommerferien.

"Weite Teile der Lehrenden haben die Lockdownphase nachweislich eher für Privatinteressen genutzt statt ihren Lehrauftrag zu erfüllen", schreibt er denn in einer Mail an diese Redaktion. Im Gespräch mit den Erlanger Nachrichten wiederholt er den Satz.

Vater: "Wissenslücken blieben"

Durch die Pandemie entstandene Wissenslücken seien nicht geschlossen worden; vielmehr hätten die Pädagoginnen und Pädagogen schon zwei Wochen vor Beginn der Sommerferien "auf Ferienmodus" geschaltet mit "Filme glotzen, Eis essen gehen, Spaziergang zum Spielplatz", lautet sein Rundumschlag. "Auf dem Dorf weiß man, wo der ein oder andere Lehrer wohnt", sagt er, "die hatten es noch nie so schön wie in diesem Schuljahr".

Das sei aber unabhängig von Corona immer der Fall: "Spätestens Mitte Juli legen die Lehrer die Beine hoch", sagt er ohne jegliche Differenzierung.

Außerdem hätten Lehrer im Gegensatz zu Beschäftigten wie Geider, die in Kurzarbeit waren, die ganze Zeit ihr volles Gehalt bekommen: "Lehrer erhalten gefühlt für weniger Einsatz und Leistung Prämien". Den Einwurf, dass Lehrerinnen und Lehrer auch während der Pandemie Unterricht halten mussten und immer wieder zwischen Fern-, Präsenz- Wechselunterricht pendeln mussten, lässt er am Telefon wenig gelten.

Ohnehin hätten die Schulen kein Konzept, auch jetzt wüssten sie (wieder) nicht, wie sie im Herbst ins neue Jahr starten sollten, vor allem dann nicht, wenn die Corona-Zahlen erneut ansteigen. Dass dafür nicht die Einrichtungen vor Ort, sondern das Kultusministerium verantwortlich ist, scheint den Ingenieur ebenfalls nicht wirklich zu interessieren.

Zwar hat er seine Pauschalkritik auch schon an Schulbehörden und das zuständige Ressort in der Staatsregierung gerichtet, doch von dort habe er nur "Standardschreiben" als Antwort bekommen.

Der Hinweis der Verantwortlichen in Behörden und Ministerium auf die besondere Situation und auch die Frage der Redaktion an Geider, ob er nicht die besonders im Schulalltag schwierige Pandemie-Situation sehe, wischt er vom Tisch. "Wir hatten und haben alle eine schwere Situation; eine Ausnahmesituation erfordert manchmal besondere Maßnahmen", meint der Ingenieur, der auf seine Wochenarbeitszeit von 40 bis 60 Stunden hinweist, "das geht".

Laut Geider gibt es über die Mängel im Schuldienst in und während der Corona-Zeit keine öffentliche Diskussion, doch über mangelnde Digitalisierung oder die schwierige Wissensvermittlung wurde tatsächlich in den vergangenen Monaten immer wieder diskutiert.

Schulamt will sich nicht äußern

Was aber halten jene von der Generalkritik, die es betrifft? Nämlich Schulbehörden und Lehrerinnen und Lehrer. Das Staatliche Schulamt, das als Doppelschulamt für die Grund-und Mittelschulen im Landkreis Erlangen-Höchstadt und in der Stadt Erlangen zuständig ist, machte trotz mehrmaliger telefonischer und schriftlicher Nachfragen keine Angaben dazu.

Anders aber Elke Bohnhorst. Sie ist die Vorsitzende des Kreisverbandes (KV) Erlangen-Oberland des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes (BLLV). Angesprochen auf Geiders Vorwurf, die meisten Lehrer hätten die Pandemie mit Online- und Wechselunterricht nicht zum Füllen von Lücken, sondern hauptsächlich für private Interessen genutzt, sagt sie: "Es gab schon auch Fälle, wo sich gewisse Lehrer nicht ganz so aufgeopfert haben, aber ich würde einmal sagen, die meisten Lehrer haben sehr viel für ihre Kinder gemacht in dieser Zeit und die Möglichkeiten, die sie hatten, so gut genutzt wie es eben ging."

Auch im Distanz-Unterricht hätten sie sich darum gekümmert, dass die Schülerinnen und Schüler möglichst keine Wissenslücken bekommen bzw. vorhandene kleiner werden.

"Das sind aber wohl Einzelfälle"

Klar gebe es, wie überall, auch bei den Lehrern Schwarze Schafe, sagt die Grundschullehrerin, die in Heroldsberg Werken und Gestalten unterrichtet. "Das sind aber wohl Einzelfälle", sagt sie.

Diese seien auch mehr im gymnasialen Bereich vorgekommen als an anderen Schulen. Sie habe da schon auch von manchem gehört, der es sich, wie die BLLV-Vertreterin meint, mit dem Unterrichten in der Pandemie "leicht" gemacht habe. "Es mag sein, dass sich der ein oder andere da ein bisschen zur Ruhe gesetzt hat, das will ich nicht ausschließen", räumt die Pädagogin ein.

Dennoch dürfe man nicht alle über einen Kamm scheren und verallgemeinern, sagt Bohnhorst. Verwundert ist die Pädagogin auch darüber, dass Geiders Kritik drei verschiedene Schulen gleichermaßen betrifft: "Das ist komisch, denn jede Schule hat in der Zeit anders gearbeitet, bei Grundschülern muss man anders vorgehen als bei 16-Jährigen."

In der Grundschule hätten sich aber sehr viele Lehrer "aufgeopfert", sagt sie, "viele haben mit extra Förderstunden Wissenslücken bei den Schülern so gut wie möglich ausgeglichen und wollten, dass die Schüler alles gut schaffen".

Es gab auch Fälle, bei denen die Eltern einfach nicht erreichbar gewesen seien, sagt Bonhorst, und somit auch die Kinder nicht. "Da haben Sie als Lehrer keine Chance mehr und dann gibt es Lücken, da kann man aber gar nichts machen."

Lehrer wie Bonhorst, die Fächer unterrichten, die im Distanzunterricht zunächst weggefallen waren, hatten zudem andere Aufgaben übernommen; die 58-Jährige, die seit 35 Jahren im Schuldienst ist, etwa war gerade im Anfang des Lockdowns, zu Beginn der Schul- und Kitaschließungen, in der Notbetreuung tätig. Es gab und gibt darüber hinaus an Schulen zusätzliche Förderangebote sowie immer wieder Online-Besprechungen und -Konferenzen.

An der Grenze der Belastbarkeit

Viele Kolleginnen und Kollegen seien oftmals an der Grenze ihrer Belastbarkeit angekommen, berichtet Bonhorst. Denn der Unterricht habe sich gerade in der Grundschule oft über den ganzen Tag hingezogen, da man online mit Grundschülern ja in kleinen Gruppen sprechen musste und nicht in einer ganzen Klasse.

Auch mit den Eltern habe man oft am Nachmittag Kontakt gehalten, erzählt die Lehrerin. "Das Ganze hat sich über Tage hingezogen, in denen man nicht zur Ruhe kam und auch nicht abschalten konnte, der normale Tagesablauf war kaum."

Mangelnde Digital-Ausstattung

Unterricht unter erschwerten Bedingungen, mangelnde Digital-Ausstattung, dazu noch ständige und oftmals sehr kurzfristig eingegangene Vorschriften und Änderungen aus dem Kultusministerium, die die Schulen dann vor Ort umsetzen mussten, das alles habe das Schuljahr schwierig gemacht. "Das war sehr aufreibend für viele Lehrer, das ist das, was ich höre."

Und die Arbeit, sagt Bonhorst, werde für Lehrinnen und Lehrer nicht einfacher. Durch Corona sei ein Hauptproblem aber etwas in den Hintergrund getreten, nämlich der massive Lehrermangel etwa in Bonhorsts Fach vor allem an Grund-, Mittel- und Förderschulen. "Das ist eklatant, wir müssen jetzt auch mehr Stunden halten, das allein ist schon belastend und dann kam die Pandemie noch dazu."

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