"Gigantische Druckwelle": Erlanger Chemiker über Unglück in Beirut

5.8.2020, 19:00 Uhr

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Herr Professor Harder, wozu braucht es Ammoniumnitrat eigentlich?

Sjoerd Harder: Ammoniumnitrat ist ein weißer, kristalliner Feststoff, gut löslich in Wasser und wird hauptsächlich als Düngemittel benutzt. Man könnte auch sagen, dass wir ohne Ammoniumnitrat unsere ständig wachsende Weltbevölkerung nicht mehr ernähren könnten. Ammoniumnitrat wird auch als Explosivstoff zur Herstellung von Bomben oder bei Sprengungen im Bergwerk eingesetzt.

Was macht den Stoff so gefährlich?

Prof. Dr. Sjoerd Harder ist Lehrstuhlinhaber für Anorganische und Metallorganische Chemie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg.

Prof. Dr. Sjoerd Harder ist Lehrstuhlinhaber für Anorganische und Metallorganische Chemie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg. © FAU/Georg Pöhlein

Harder: Ammoniumnitrat ist eigentlich ein Salz, welches aus Ammoniumkationen und Nitratanionen besteht. In den Ammoniumkationen liegt das Stickstoffatom in einer stark reduzierten Form vor, in den Nitratanionen in einer stark oxidierten Form. Ammoniumnitrat hat sozusagen eine eingebaute Sauerstoffquelle und braucht keinen Luftsauerstoff, um sich zu zersetzen. Damit sind alle Ingredienzen für eine heftige Reaktion vorhanden. Bei der extrem schnellen Zersetzung werden nämlich Unmengen an Energie frei. Die Folge ist eine Explosion mit gigantischer Druckwelle.

Können Sie sich erklären, wie es zu dieser verheerenden Explosion im Hafen der libanesischen Hauptstadt kommen konnte?

Harder: Ich war nicht vor Ort und kann nur ahnen, was passiert ist. Das verräterische an Ammoniumnitrat ist, dass es eigentlich sehr schwer zur Explosion zu bringen ist. Ich vermute mal, dass ein Feuer auf dem Hafengelände diese Explosion ausgelöst hat.

Können Sie kurz erklären, was bei der Lagerung beachtet werden muss, um so ein Unglück zu verhindern? 

Harder: Das weiß man eigentlich schon seit 1921 aus dem Unfall bei BASF. Bei dieser größten Explosion in der deutschen Geschichte war ebenfalls Ammoniumnitrat im Spiel. Der Knall war bis München zu hören und hinterließ einen 20 Meter tiefen Krater. Damals gab es fast 600 Toten und 2000 Verletzte. Es ist wichtig, dass man Ammoniumnitrat trocken lagert und vor allem brandsicher und stoßsicher. Auch die Lagerung von sehr großen Mengen sollte man natürlich vermeiden. Lieber mehrere kleine Lager weit auseinander.

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