Remmo-Clan-Mitglied in Erlangen vor Gericht

27.11.2019, 18:54 Uhr
Der Angeklagte Wissam Remmo versteckte sich am ersten Prozesstag am Amtsgericht Erlangen unter seiner Jacke. Er wird von Anwalt Michael Martens vertreten.

© Ulrike Löw Der Angeklagte Wissam Remmo versteckte sich am ersten Prozesstag am Amtsgericht Erlangen unter seiner Jacke. Er wird von Anwalt Michael Martens vertreten.

Im November 2019 sitzt Wissam Remmo (22) vor dem Amtsgericht Erlangen und versteckt sich unter seiner Jacke. Er wirkt hilflos, sogar als Wolfgang Gallasch, der Vorsitzende Richter des Schöffengerichts, Name und Adresse abfragt, ist Remmo unsicher und hakt bei seinem Verteidiger Michael Martens nach. Muss er seine Personalien selbst nennen?

Einbruchdiebstahl wird ihm in Erlangen vorgeworfen: Zwischen dem 7. und dem 10. Dezember 2018, davon ist das Gericht am Ende überzeugt, stieg er in eine Erlanger Firma ein und entwendete Hydraulik-Scheren im Wert von 21 612 Euro.
Zu den hydraulischen Rettungsgeräten zählen Spreizer, Scheren und Pedalschneider – die Feuerwehr setzt sie ein, um Unfallopfer aus Fahrzeugen freizuschneiden. Doch auf die kriminellen Zweige libanesisch-kurdischer Großfamilien scheinen die Werkzeuge einen enormen Reiz auszuüben, offenbar sind die Scheren bestens geeignet, um die Hecktüren von Geldtransportern aufzubiegen.


So geschehen bei einem Raubüberfall im Oktober 2018 in Berlin. Zwar konnten die Täter fliehen – doch sie ließen ein Fluchtfahrzeug und die Beute zurück. Mehrere Streifenwagen der Polizei hatten den Tatort schneller als erwartet erreicht. DNA-Spuren führten zu zwei Verdächtigen, darunter mutmaßliche Mitglieder des Remmo-Clans. Der Name der Großsippe wird im Zusammenhang mit einigen spektakulären Verbrechen an der Spree genannt – darunter auch Mord und eben der Diebstahl jener berühmten Goldmünze, die das Abbild von Queen Elizabeth II zeigt und so plötzlich aus dem Berliner Bode-Museum verschwand. In Berlin gehen die Ermittler davon aus, dass die 100 Kilo schwere Münze längst eingeschmolzen wurde.

Fingerabdruck gefunden

Auch im Erlanger Einbruchsfall führten DNA-Spuren direkt zum Remmo-Clan, so ein Beamter der Kripo Erlangen. Die bestohlene Firma stellt in ihren Geschäftsräumen hydraulische Geräte aus, der Dieb drang durch ein Fenster in den Ausstellungsraum ein. Die Spurensicherung stellte Einkerbungen am Fenster fest und sicherte Hebelspuren. Später wiesen Laboruntersuchungen auf Wissam Remmo hin, sein genetischer Fingerabdruck fand sich in den Hebelspuren.

Doch die DNA-Spur allein will Anwalt Michael Martens nicht gelten lassen: Aus seiner Sicht wäre möglich, dass Wissam Remmo das Tatwerkzeug nur angefasst, nicht aber benutzt habe. Er hätte Spuren hinterlassen können, während doch ein ganz anderer Täter in Erlangen das Fenster aufgehebelt haben könnte. Selbst andere kriminelle Mitglieder des Remmo-Clans bringt der Anwalt ins Gespräch und fordert Freispruch.

Doch so viele konjunktivistische Verrenkungen überzeugen das Schöffengericht nicht. An der DNA-Spur sei nicht zu rütteln, sagt Richter Gallasch, und glaubwürdig sei auch der Schaden in Höhe von 21 612 Euro, den die Erlanger Firma geltend macht. Weil Straftäter aus ihren Verbrechen keine Gewinne erzielen sollen, ordnet das Amtsgericht Erlangen Wertersatz in Höhe des Schadens an.


Juwelendiebstahl aus Grünem Gewölbe: Polizei veröffentlicht Video


Gegen den Angeklagten, er arbeitet nach eigenen Angaben in Berlin als Kurierfahrer, sprechen auch seine Vorstrafen. Er steht seit 2012 regelmäßig vor dem Amtsgericht Tiergarten. Neun Einträge, meist Diebstahl und Einbruch, hat er bereits. Arrest ordneten die Berliner Richter nur in einem Fall an, alle übrigen Urteile zeugen von großer Milde. Immer wieder wurden die Verfahren eingestellt, die schwerste Sanktion erfuhr Wissam Remmo, als ihm Sozialstunden aufgebrummt wurden.

Doch nun bekommt er das Nord-Süd-Gefälle zu spüren: Denn ob ein Täter wie er in den Knast muss, hängt nicht nur von seiner Tat ab – sondern auch davon, ob er in Bremen, Berlin oder Bayern vor Gericht steht, so das Ergebnis einer Analyse des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht.

In Erlangen bringt der Einbruchsdiebstahl Remmo zweieinhalb Jahre Freiheitsstrafe ein. Es hätte mehr werden können: Die strengsten Richter, so die Studie, sitzen im Landgerichtsbezirk München I, die mildesten im Freiburger Bezirk.
Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. Und die Verurteilung in Sachen Goldmünze steht noch aus.