Höchstadter Klinik-Chef: "Corona-Krise bringt uns ans Limit"

19.4.2021, 06:00 Uhr
Höchstadter Klinik-Chef:

© Ralf Rödel

((Platzhalter))Weihnachten – Lockdown, Ostern-Lockdown, was glauben Sie, was wir an Pfingsten haben, Herr Dr. Grauer?

Ich bin ganz positiv gestimmt. Der entscheidende Punkt sind Impfungen. Immer da, wo geimpft wird, geht die Zahl der Coronaerkrankungen zurück. Wenn wir es – auch wenn es sportlich klingt –, schaffen, bis Ende Juni mit Haus- und Betriebsärzten regelmäßig zu impfen, werden die Zahlen tatsächlich weniger werden.

Haben Sie also Hoffnung, dass die Lage zum Sommer besser wird?

Ja, ich habe große Hoffnung, dass sich über den Sommer vieles positiv entwickelt und bis zur Bundestagswahl Entscheidendes passiert sein wird – völlig unabhängig von der Wahl. Es wäre schön, wenn es keine vierte und fünfte Welle im Herbst gäbe. Die Impfungen werden meines Erachtens wirklich den Unterschied machen.

 

Derzeit sieht die Corona-Situation ja nicht so gut aus, Ärzte und Intensivmediziner schlagen Alarm, was die Betten auf Stationen und Intensivstationen angeht. Wie sieht es aktuell bei Ihnen aus?

Höchstadter Klinik-Chef:

© Landratsamt/Hannah Reuter

Auch bei uns ist es schwierig. Wie andere Kliniken entscheiden wir von Tag zu Tag, wie viele Patienten wir versorgen können. Der Engpass ist das Intensiv-Fachpersonal.

Stehen Sie und Ihre Mitarbeitenden schon am Limit?

Ja, das würden sicher viele unserer Mitarbeitenden, gerade aufgrund des sehr hohen persönlichen Einsatzes, so unterschreiben.

Bleibt uns da aus medizinischer Sicht auch mit Blick auf die Mutanten gar nichts anderes übrig, als das öffentliche Leben weiterhin einzuschränken?

Das ist eine offene Diskussion. Momentan bleibt wenig übrig, als nochmals in den Lockdown zu gehen. Den Impfungen traue ich die größte Hebelwirkung zu. Testen kommt für mich an zweiter Stelle. Hier bin ich ein großer Anhänger der Gurgelwasser- und Pooltestung. Gurgelwassertests sind bei unseren Mitarbeitenden deutlich beliebter. Wir haben sie an unserem Kreiskrankenhaus schon im Mai 2020 eingeführt. Immer nur das Leben einschränken ist einfallslos und schadet vor allem Kindern und Jugendlichen. Diese hätten meines Erachtens schon zu Schuljahresbeginn im September 2020 regelmäßige Testungen verdient gehabt.

Die größte Hoffnung im Kampf gegen die Pandemie liegt, wie Sie betonen, auf dem Impfen, nach den Hausärzten sollen bald Betriebsärzte mit einsteigen. Welche Chancen sehen Sie da gerade für den Landkreis und die Stadt Erlangen, wo es ja viele große Unternehmen gibt?

Die Chancen sind hervorragend, wenn endlich genügend Impfstoff vorliegt. Die Firmen haben genügend impferfahrene Betriebsärzte, die Infrastruktur an Räumen und Sekretariaten- und am Ende einen echten Benefit durch geschützte Mitarbeitende. Idealerweise würden dort auch Familienangehörige geimpft.

Die Impfungen gehen zwar schleppend, aber sie kommen voran: Merken Sie die Fortschritte, etwa dass weniger Hochbetagte mit Sars-CoV-2 bei Ihnen liegen?

Das kann ich klar bejahen. Die über 80-Jährigen sind zumeist geimpft, viele leider auch verstorben. Wir und die anderen Klinken behandeln auf den Intensivstationen vor allem 50- bis 75-jährige Patienten.

Bei vielen Berichten über die Corona-Lage geht es oft um größere Krankenhäuser. Wie ist die Situation bei Ihnen?

Weitgehend identisch, wenn auch mit deutlich geringeren Zahlen. Für das Kreiskrankenhaus in Höchstadt waren im Dezember 2020 bis zu sechs beatmete Patienten nie zuvor dagewesene Höchstzahlen.

Kürzlich gab es in diesem Medienunternehmen eine gemeinsame "Wir sind für Sie da"-Coronaanzeige fast aller Kliniken in der Region. Verstärkt die Pandemie den Zusammenhalt untereinander?

Eindeutig. Seit einem Jahr gibt es sowohl mit der Führungsgruppe Katastrophenschutz am Landratsamt sowie in den regelmäßigen Zoom-Sitzungen der Pandemiebeauftragten eine meines Erachtens nie dagewesene Kooperation.

Auf welchen Ebenen findet die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Krankenhäuser statt?

Persönlich schätze ich die regelmäßigen Zoom-Treffen der 13 Kliniken im Rettungsdienstbereich Nürnberg-Fürth-Erlangen mit dem Austausch der pandemiebeauftragten Ärzte.

Welche Rolle hat dabei Ihre Klinik?

Wir spielen da aufgrund unserer Größe eine kleine Rolle. Trotzdem konnten wir oft genug vor allem das Universitätsklinikum entlasten. Eine 58-jährige, dort über zwei Wochen beatmete Patientin mit Luftröhrenschnitt wurde zu uns verlegt, hat sich bestens erholt und geht in den nächsten Tagen nach Herzogenaurach zur Rehabilitation mit dem Ziel, danach ihre beruflichen Aufgaben wieder aufzunehmen. Andererseits konnten wir mehrfach kritisch kranke Covid-19 Patienten an das Uni-Klinikum Erlangen verlegen. Dort gibt es zum Beispiel eine Versorgung mit Herz-Lungen-Maschinen, die wir nicht anbieten können.

Trifft eine Pandemie ein kleineres Haus schwerer als einen Maximalversorger?

Die Belastung dürfte an den Maximalversorgern noch deutlich höher sein. Wir haben vor Ort vielleicht den Vorteil, sehr kurze Entscheidungswege zu haben.

Die Krankenhäuser sagen ja bereits schon wieder planbare Operationen ab, um die Intensivstationen zu entlasten. Wie sieht das bei Ihnen derzeit aus?

Auch wir haben das seit über einer Woche umgesetzt.

Wie sieht die dritte Welle bei Ihnen aus?

Die Welle ist da. Wir sehen eben vor allem jüngere, schwerkranke Patienten und erleben aus verschiedenen Gründen einen Schwund beim Fachpersonal.

Wie bewältigen Sie die Herausforderungen über diesen langen Zeitraum?

Persönlich: Mit regelmäßiger Arbeit und Waldspaziergängen. Aber Spaß beiseite, wir engagieren uns alle und leben unsere Profession des pflegerischen und medizinischen Helfens.

Doch die Personaldecke ist schon in Nicht-Corona-Zeiten dünn, nun kehren in der Dauerbelastung weitere Fachkräfte den Kliniken den Rücken. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Leider eine wesentliche Herausforderung. Auf der Höhe der zweiten Welle bekamen wir über das Landratsamt beziehungsweise den Katastrophenschutz Fachkräfte des ASB Erlangen wie Notfallsanitäter oder Rettungsdiensthelfer. Das hat auf Intensiv eine echte Unterstützung gebracht. Auch arbeiten auf Normalstation vereinzelt Freiwillige mit.

Wie schwer ist es, in der Pandemie-Krise gut ausgebildetes Personal zu finden?

Es wechseln immer wieder Fachkräfte über Krankenhaus- sowie die Stadt- und Landkreisgrenzen. Die Suche ist erschwert, auch weil es seit über einem Jahr kaum Fortbildungen oder Treffen wie eine Grillparty gibt, was die Teambildung bestärken würde.

Kliniken schlagen Alarm, dass die Pandemie sie auch wirtschaftlich stark belastet, wenn sie nicht langfristig zugesagte Rettungsschirme und Unterstützung bekommen. Trifft das auch auf Ihre Klinik zu? Immerhin steht hinter Ihrer Einrichtung ja der ganze Landkreis.

Meines Erachtens benötigen die Kliniken in der ganzen Republik für 2021 eine wesentliche finanzielle Unterstützung. Es sollte nicht nur ein – in Anführungszeichen – Rettungsschirm sein, ganz wesentlich ist meines Erachtens auch die Aufgabe, hochwertige Medizin in der Fläche zur erhalten und zu fördern. Den Landkreis im Rücken zu haben, ist für uns sicher eine große Hilfe. Das gilt im besten Falle auch umgekehrt, weil wir nach Kräften versuchen, hier im Landkreis während der Pandemie den Bürgerinnen und Bürgern zu helfen.

 

 

 

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