Homeschooling in Kanada: Gebürtiger Nürnberger trotzt Corona

6.4.2020, 23:02 Uhr
Homeschooling in Kanada: Gebürtiger Nürnberger trotzt Corona

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Als Martin Braun zum Beginn des aktuellen Schuljahrs die Leitung des Spardorfer Emil-von-Behring-Gymnasiums an Oberstudiendirektorin Nora Leykamm weitergab und an die "Deutsche Internationale Schule Alexander von Humboldt Baie d’Urfé" (AvH) in Montreal wechselte, hätte er sich kaum vorstellen können, dass er gleich mit einer der größten weltweiten Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert werden würde. Auch in Kanada grassiert das Corona-Virus, müssen zahlreiche Schutzmaßnahmen ergriffen werden, um für eine Eindämmung der Pandemie zu sorgen.



Der gebürtige Nürnberger ist froh, dass er die Lage von Anfang an nicht unterschätzte und mit dem Team der Schule ohne Zaudern auf die schwer zu kontrollierende Krankheit reagiert hat. Umgehend bereiteten sich Lehrer, Eltern und Schüler auf Homeschooling vor. Hier erwies es sich als großer Vorteil, dass an der Montrealer Bildungseinrichtung, die von der deutschen Bundesregierung finanziell unterstützt wird, die Digitalisierung seit vielen Jahren einen hohen Stellenwert besitzt.

Ein eigener Stundenplan mit Videokonferenzen sowie einem umfassenden Software-Paket für den Unterricht zuhause inklusive Vor- und Nachbereitung via Up- and Downloads wurde entworfen. Das eigentliche Schulgebäude ist seit Mitte März weitgehend verwaist. Die Klausuren werden ebenfalls online gehalten, wozu auch ein Video-Kolloquium gehört.

Kalt erwischt hat die rasante Ausbreitung des Virus hingegen die Mehrheit der kanadischen Schulen. Sie mussten einfach schließen, ohne sich auf die neue Situation intensiver einstellen zu können. Der Austausch zwischen Lehrern und Schülern erfolgt bei ihnen fast ausschließlich per E-Mail.

Seinen Horizont im Ausland zu erweitern, war dem heute 59-Jährigen schon in jungen Jahren wichtig. Nach dem Abitur am Leibniz-Gymnasium in Altdorf studierte Braun Französisch, Deutsch und Italienisch an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen sowie an der berühmten Sorbonne in Paris. Promoviert hat er über den französischen Naturalisten Emile Zola und dessen Beziehung zur Literaturepoche der Romantik.

Danach arbeitete Martin Braun lange als wissenschaftlicher Assistent an der FAU und übernahm unter anderem die Vertretung des Lehrstuhls für Didaktik am romanistischen Institut. Daneben hat er eine Reihe von Schulbüchern und Handreichungen für Lehrer im Fach Französisch verfasst. Die Liebe zu dieser romanischen Sprache entwickelte sich bereits, als er noch selbst Schüler war. Der Klang der Wörter, die reiche Kultur, die Aufgeschlossenheit der Menschen, aber auch die Bauwerke und die Natur dieses Landes jenseits des Rheins fasziniert ihn bis heute.

Homeschooling in Kanada: Gebürtiger Nürnberger trotzt Corona

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Nachdem er sich an seinem "Heimat-Gymnasium" in Altdorf als stellvertretender Schulleiter eingebracht hatte, wurde ihm die Führung des Spardorfer Gymnasiums übertragen. Mit den Kolleginnen und Kollegen aus diesen Tagen steht er nach wie vor überwiegend per WhatsApp in Kontakt. Zudem plant er bei Aufenthalten in Deutschland auch entsprechende Treffen mit ein.

Die Mischung von französischer und nordamerikanischer Lebensart in der über 1,5 Millionen Quadratkilometer umfassenden kanadischen Provinz Quebec übt auf ihn einen besonderen Reiz aus: "Die Leute sind hier sehr leistungsorientiert, aber gleichzeitig äußerst entspannt und ausgesprochen freundlich. Äußerliche Dinge wie Mode oder generell das Aussehen spielen eine geringere Rolle als bei uns."


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Mit einer Ausnahme: An der Alexander-von-Humboldt-Schule ist eine einheitliche Kleidung vorgeschrieben. Dabei handelt es sich freilich um keine Unfiorm, vielmehr zählen auch T- und Sweatshirts dazu. Braun gefällt diese Regelung, stärkt sie doch das Gemeinschaftsgefühl. "Ich finde das besser, als wenn sich die Jugendlichen mit teuren Markenklamotten gegenseitig zu übertrumpfen versuchen", hebt er hervor.

Die AvH ist eine Privatschule, seinen Vertrag musste Braun mit dem Vorstand aushandeln. Er schätzt es sehr, dass ihm bei der pädagogischen Leitung viel Eigenständigkeit gelassen wird. Die Eltern zahlen für ihre Kinder Schulgeld, das unterschiedlich gestaffelt ist.

Wird eine Bedürftigkeit nachgewiesen, entscheidet ein Ausschuss darüber, ob der Betrag von mehreren Tausend kanadischen Dollar pro Schuljahr reduziert werden kann. "Auf keinen Fall kann man sagen, dass hier nur der Nachwuchs von begüterten Familien unterrichtet wird", betont Martin Braun.

Der Lehrplan ist sowohl mit der deutschen Kultusministerkonferenz als auch dem Erziehungsministerium von Québec abgestimmt. Am Ende steht das Deutsche Internationale Abitur, das zu einem Studium in Deutschland und im Ausland berechtigt.

Das auf dem Globus nahezu einmalige Konzept mit einem Unterricht in den drei Sprachen Deutsch, Französisch und Englisch, das hohe Niveau bei den Naturwissenschaften und die starke Differenzierung beim Fächerangebot führten dazu, dass die am Sankt-Lorenz-Strom gelegene Alexander-von-Humboldt-Schule in den vergangenen Jahren bei den Rankings der 600 öffentlichen und privaten Schulen in Québec stets vorne zu finden war. Die Bund-Länder-Inspektion aus Deutschland verlieh ihr zudem das Sigel "Exzellenzschule."

Ohne die Unterstützung seiner Partnerin Marianne Seger, die an der Grundschule der AvH einige Stunden unterrichtet, hätte Martin Braun den Wechsel von Kontinent zu Kontinent nicht gewagt. Auch wenn ihn die weitgehend noch ursprüngliche Wälder- und Seen-Landschaft in Kanada sowie das multikulturelle Leben in der Metropole Montreal begeistert, vermisst er — nicht ohne Schmunzeln — an "good old Germany" doch zwei Dinge: die Alpen und die fränkischen Bratwürste.

Nicht allein deswegen kann er sich vorstellen, in einigen Jahren wieder den Weg zurück über den Atlantik zu nehmen. Momentan gehe es jedoch in erster Linie um eins: "Dass wir alle gesund bleiben und die verschiedenen Herausforderungen, mit denen wir derzeit konfrontiert werden, gut bewältigen."

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