Innenminister Herrmann zu Gast im Integrationskurs

7.11.2019, 12:00 Uhr
Innenminister Herrmann zu Gast im Integrationskurs

Die Teilnehmer von Kurs 56 dürfen sich freuen: 24 von ihnen haben ihren Integrationskurs mit einem Deutsch-Test für Zuwanderer (DTZ) in der Erlanger Volkshochschule (VHS) nach rund einem Jahr fast abgeschlossen. Der Unterricht dauert zwar noch bis 15. November, doch die Zertifikate über die abgelegten Prüfungen gibt es schon zuvor. Kursleiterin Marion Bettin ist mit ihren Schülern für den Unterrichtstag extra vom Pacellihaus in die VHS gewechselt — damit der eigens angereiste Experten- und Politikerbesuch Platz findet in den Schulbänken.


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Mit großem Interesse verfolgt dann auch der in der Hugenottenstadt lebende Bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Lehreinheit: Es steht mit Artikel 3 des Grundgesetzes (Gleichheit und Gleichberechtigung) für die überwiegend weiblichen Zuwanderer aus unterschiedlichsten Ländern einer der grundlegendsten Pfeiler unserer demokratisch-freiheitlichen Grundordnung auf der Agenda.

Schon eine Stunde zuvor hat Dozentin Bettin gemeinsam im Gespräch mit den Absolventen den schwierigen, aber substanziell wichtigen Stoff für sie erschlossen. Nun, da Herrmann mitsamt dem Präsidenten des in Nürnberg ansässigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Hans-Eckard Sommer, sich im Klassenzimmer befinden, können sie Wortschatz und Wissen unter Beweis stellen — und zeigen, dass die unter anderem wegen relativ hoher Durchfallquoten oder "Kursschwänzern" immer wieder in die Schlagzeilen geratenen Sprach- und Integrationskurse (womöglich) doch besser sind als ihr Ruf.

Für Sabine Roth, die bei der Volkshochschule den Fachbereich Integration und Grundbildung leitet, trifft diese Kritik auf nur ganz wenige zu. Maximal zehn Prozent blieben der Teilnahme fern, in solchen Fällen muss die VHS das Bamf benachrichtigen. Immerhin bietet die Bundesbehörde die Deutschkurse als Bestandteil des Integrationsprogramms in Zusammenarbeit mit privaten und öffentlichen Trägern (wie eben der Erlanger VHS) an. Bei Nichterscheinen übernimmt die Behörde auch nicht die Kosten. "Dann haben wir ein Problem", sagt Roth den EN.


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Handlungs- und Verbesserungsbedarf sieht sie aber vielmehr an einer anderen Stelle: nämlich am Niveau der Kurse selbst. Der Abschluss "A2" etwa belegt, dass die Teilnehmer auf der oberen Stufe des Bereichs "Elementare Sprachverwendung" Sätze und häufig gebrauchte Ausdrücke verstehen können, die mit Bereichen von ganz unmittelbarer Bedeutung zusammenhängen (etwa Informationen zur Person und zur Familie, Einkaufen, Arbeit, nähere Umgebung).

Wer den "Deutsch-Test für Zuwanderer" mit dem "B1" abschließt, weist laut Bamf nach, dass er auf der unteren Stufe des Bereichs "Selbstständige Sprachverwendung" Probleme des Alltags flexibel bewältigen kann. So hat zum Beispiel Kurs 56 den DTZ mit einer Quote von knapp 53 Prozent für B1 und 35 Prozent für A2 abgeschlossen.

Geflüchtete und Migranten mit Lernschwierigkeiten 

Doch was ist mit jenen, die dieses Level niemals werden erreichen können? Zum Beispiel Geflüchtete und Migranten mit Lernschwierigkeiten und Legasthenie. "Es gibt auch Deutsche, die nicht schreiben oder lesen können" sagt Roth. Für so manchen Flüchtling mit ungesichertem Status könne ein (gutes) B1-Zertifikat die Bleibechancen erhöhen.

Für Roth sollte daher das Angebot aber auch auf Menschen mit anderen Fähigkeiten erweitert und ausgebaut werden. In Erlangen zumindest findet zwischen Volkshochschule, Gemeinnütziger Gesellschaft zur Förderung der Arbeit (GGFA) und Jobcenter bereits ein enger Austausch statt, um für Zuwanderer, die sich mit Sprache besonders schwer tun, doch noch eine Beschäftigung zu finden. Doch sei das eine Frage der Finanzierung.

Herrmann sieht an der Stelle Handlungsbedarf höchstens in die entgegengesetzte Richtung. Im Arbeitsleben merke man, dass "B1" oft nicht ausreiche, betont er im Gespräch mit dieser Redaktion. Es sei daher wünschenswert, wenn möglichst viele Flüchtlinge und Migranten mit "B2" die nächsthöhere Deutschstufe erreichten. Bei wirklich Gefährdeten dagegen entscheidet nicht die Sprache über ihren Status, sondern Gefahren für Leib und Leben, sagt der Christsoziale.

Doch mit sinkenden Flüchtlingszahlen und einem doch auch restriktiveren politischen Kurs gibt es auch immer weniger Menschen, die nach Deutschland kommen — und folglich immer weniger Asylsuchende in den Integrationskursen. Das zeigt sich auch in der Volkshochschule. "Die Kurse sind heterogener, Europa oder auch Indien nehmen als Herkunftsorte zu." Auch in Kurs 56 war so gut wie keiner aus einem Kriegs- oder Katastrophengebiet.

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