Intaktes Gedächtnis trotz Lähmung

20.12.2019, 14:00 Uhr
Intaktes Gedächtnis trotz Lähmung

© Stephan Jansen/dpa

Von einem Augenblick zum anderen kein Wort mehr sprechen und sich keinen Millimeter mehr bewegen können. Das sind die schweren Folgen eines Schlaganfalls. Die meist ohne Vorwarnung auftretende Volkskrankheit ist noch immer die dritthäufigste Todesursache in Deutschland und weltweit die häufigste Ursache für Behinderung im Alter. Da genaue Angaben für Deutschland fehlten, wurde 1994 das Erlanger Schlaganfall Register (ESPro) eingerichtet. In den letzten 25 Jahren konnte man 9100 Ereignisse registrieren. Professor Peter Kolominsky-Rabas ist Leiter von ESPro im Interdisziplinären Zentrum für Health Technology Assessment und Public Health (IZPH) der Friedrich- Alexander-Universität. Es sei nicht nur das größte bevölkerungsbasierte Schlaganfall Register, sondern auch eines der ältesten weltweit.

Patient Nummer 27 des ESPro ist der 89-jährige Hermann Salomo. Mit 64 Jahren erlitt der ehemalige Kaufmann einen schweren Schlaganfall und war vollständig gelähmt. Nach 25 Jahren trafen sich Salomo, Kolominsky-Rabas und sein Team und ließen die vergangene Zeit Revue passieren.

Salomos Gedächtnis war trotz der schweren Lähmung intakt. Mit der Unterstützung seiner Frau Renate Salomo und kontinuierlicher Rehabilitation lernte er, sich wieder zu verständigen. Salomo konzentrierte sich auf das Einzige, was ihm blieb: sein Gedächtnis. Mit Hilfe von Zivildienstleistenden hielt Salomo seine Kriegserlebnisse und Erfahrungen als Patient in zwei Büchern fest. "Über die Jahre hatten wir 55 Zivis im Haus", erzählte Renate Salomo. Sie habe alle fotografiert und ihre Berufsziele aufgeschrieben. Denn ihr Mann unterstützte "seine" Zivis, die gerade ihr Abitur hinter sich hatten. Auf dem Weg in den Beruf bereitete er sie auf Abschlussprüfungen zum Bankkaufmann und Steuerberater vor. Seit die Zivis weg sind, sei es schwierig, so Renate Salomo, denn inzwischen sei sie so gut wie auf sich selbst gestellt. Einmal im Jahr bringt sie ihren 1,92 Meter großen Mann für ein paar Wochen zur Verhinderungspflege in die Klinik. "Das ist die einzige Zeit, in der ich frei habe", sagt sie.

Auch Kolominsky-Rabas weiß, wie schwierig es für pflegende Angehörige ist, die Patienten kurzzeitig unterzubringen. "Es gibt diese Einrichtungen nicht." Auch Hausbesuche von Ärzten für immobile Patienten würden fehlen. Mit den in ESPro erhobenen Daten könne man unter anderem Risikofaktoren erfassen und die gesamte Versorgungskette von Akutbehandlung, Rehabilitation und Pflege verfolgen. "Schlaganfall ist eine Alterserkrankung. Ab dem 65. Lebensjahr steigt das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, rasant an. Im Durchschnitt werden die Patienten 75 Jahre alt", sagte Kolominsky-Rabas. Durch die kontinuierliche Versorgungsforschung habe man dies als erste in Deutschland belegen können. "Die wichtigsten Ursachen sind Bluthochdruck, Diabetes mellitus und Herzerkrankungen. Sport treiben und eine gesunde, fettreduzierte Ernährung können zur Vorbeugung beitragen", so Kolominsky-Rabas.

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