Jamaika-Aus: Politiker-Reaktionen aus Erlangen und Höchstadt

21.11.2017, 06:00 Uhr
Jamaika-Aus: Politiker-Reaktionen aus Erlangen und Höchstadt

© Michael Kappeler/dpa

Der Stress in den langen Sondierungsnächten von Berlin war Stefan Müller in den vergangenen Tagen durchaus anzusehen. Als Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag gehörte er zum engen Kreis bei den Gesprächen. "Es war deutlich zu spüren, dass es Spitz auf Knopf stand", blickt Müller zurück. "Solche Sondierungen sind ja genau dazu da, Erfolgsaussichten für Koalitionsverhandlungen und eine eventuelle spätere Koalition auszuloten. Wenn ein Partner nach langen und intensiven Gesprächen keine Erfolgsaussichten sieht, ist ein Ausstieg konsequent. Insofern bin ich nicht enttäuscht."

Als eine "herbe Enttäuschung" hat hingegen Bayerns Innenminister und CSU-Bundestags-Spitzenkandidat Joachim Herrmann den Abbruch erlebt — "zumal eine gemeinsame Position greifbar war." Der Erlanger Politiker ergänzt: "Zugegeben: Eine Koalition mit den Grünen löst bei uns keine Begeisterungsstürme aus. Wir waren aber anders als die SPD bereit, Verantwortung zu übernehmen für unser Land."

Eigentlich hätte Martina Stamm-Fibich das Geschehen als Abgeordnete der SPD relativ entspannt beobachten können. Doch das Finale und Christian Lindners Auftritt lässt sie emotional reagieren: "Ich bin mir sicher, dass die Entscheidung nicht erst um Mitternacht feststand. Sie war gut vorbereitet und geplant. Er hat die Sondierungspartner und allen voran die Bundeskanzlerin rücksichtslos vorgeführt. Damit hat er Frau Dr. Merkel massiv beschädigt, die FDP allerdings auch. Was mich schockiert, ist die offensichtliche Verantwortungslosigkeit Lindners."

"Richtige Entscheidungen"

Das sieht Britta Dassler (FDP) ganz anders. Für die Herzogenauracherin ist der Abbruch der Sondierungen "die richtige Entscheidung". Sie und die weiteren liberalen Bundestagsabgeordneten, die nicht direkt an den Verhandlungen beteiligt waren, seien täglich von den FDP-Sondierern informiert worden. "Wenn es nicht geht, geht es nicht", urteilt die 53-Jährige auf Grundlage dieser Informationen. "Wir als Liberale haben uns viel bewegt", ist Dassler überzeugt.

Gleichzeitig habe man irgendwann sagen müssen: "Wir können nicht alles aufgeben, wofür wir stehen." Der Verhandlungsausstieg durch FDP-Chef Christian Lindner sei deswegen richtig gewesen. "Was wäre denn gewesen, wenn man es irgendwie hinbekommen hätte, und dann wäre es vielleicht schon im Frühjahr zu einer richtigen Krise gekommen?" Britta Dassler ist nun gespannt, wie es weiter geht. "Neuwahlen kann man ja nicht so einfach beschließen." Die FDP-Abgeordnete blickt jetzt noch in eine ganz andere Richtung: "Schauen wir doch mal, was die SPD jetzt macht."

Was im Bund nicht klappt, funktioniert im Erlanger Stadtrat längst. Zumindest eine gelb-grüne-Zusammenarbeit. "Berührungsängste gab es durchaus bei FDP und GL in Erlangen. Inhaltliche Differenzen gibt es auch weiterhin. Auf kommunaler Ebene geht es aber am Ende darum, ob die Menschen miteinander arbeiten können: Das gelingt durch ein Klima persönlicher Wertschätzung und dadurch, dass man versucht, Aufgaben geschickt zu verteilen", sagt Julia Bailey, Fraktionsvorsitzende der Grünen Liste Erlangen. Eine schwarz-grüne Zusammenarbeit auf Bundesebene ist für sie hingegen "keine Wunschoption". Trotzdem hatte sie "bis zuletzt darauf gehofft, dass es zu einem tragfähigen Kompromiss kommt". Bailey: "Neuwahlen halte ich nicht für eine gute Alternative, da ich nicht davon ausgehe, dass sich am Wahlergebnis viel ändern würde."

Wie geht es nun also weiter? "Grüne und FDP haben sehr ernsthaft mit uns sondiert. Die SPD stiehlt sich dagegen aus ihrer Verantwortung," schließt sich Müller der Aussage Herrmanns an. Ein Wiederaufleben der "GroKo" kann sich Stamm-Fibich nicht vorstellen: "Unsere Demokratie braucht eine starke und verantwortungsvolle Opposition. Für die SPD gilt deshalb, dass wir unsere staatspolitische Verantwortung als Oppositionsführerin wahrnehmen. Diese Rolle dürfen wir der sogenannten Alternative auf keinen Fall überlassen. Da vertraue ich sowohl auf die klare ablehnende Haltung der SPD-Basis wie auch der Parteispitze, die auch meine ist."

Über Minderheitsregierung nachdenken

Stefan Müller prognostiziert Neuwahlen: "Wenn die SPD ihre Haltung nicht überdenkt, rechne ich damit, dass der Herr Bundespräsident nach Gesprächen mit allen Parteien zügig Neuwahlen in die Wege leiten wird." Joachim Herrmann ergänzt: "Wenn sich die SPD nicht aus ihrer Blockadehaltung bewegen will, werden wir über eine Minderheitsregierung zumindest nachdenken müssen. Ich habe aber große Zweifel, ob das funktionieren kann. Deutschland hatte siebzig Jahre lang stabile Regierungsmehrheiten.

Eine stabile Regierung gehört damit sozusagen zum Markenkern der Bundesrepublik, den wir nicht einfach aufgeben sollten. Bleibt die SPD-Führung bei ihrer Haltung, stehen damit Neuwahlen im Raum."

Angesprochen auf die eigenen Ambitionen in Berlin sagt Herrmann: "Über meine persönliche Zukunft spekuliere ich nicht."

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