Jörg Volleth: Seit 100 Tagen 2. Bürgermeister von Erlangen

6.9.2020, 14:00 Uhr
Jörg Volleth: Seit 100 Tagen 2. Bürgermeister von Erlangen

© Edgar Pfrogner

Herr Volleth, wie fühlt es sich an, mit Herr Bürgermeister angesprochen zu werden?

(schmunzelt) Ich bin und bleibe Jörg Volleth. Natürlich ist es so, wenn ich im Rahmen eines offiziellen Anlasses mit Herr Bürgermeister angesprochen werde, würde ich lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich mich nicht geehrt fühle. Ich bin ja eher ein dezent auftretender Mensch, Titel sind für mich nicht besonders wichtig. Jede Amtsbezeichnung hat ja auch einen sinnhaften Hintergrund. Mir ist es wichtig, dass ich immer für meine Bürger ansprechbar bin und bleibe und die Anliegen der Bürger zu meistern versuche.

Was hat sich seit Ihrer Wahl zum Bürgermeister für Sie verändert?

Eigentlich gar nicht so viel. Klar, ich befinde mich jetzt in einem anderen Arbeitsumfeld. Aber als Fraktionsvorsitzender der CSU war ich auch schon vielfältig unterwegs und hatte einen gefüllten Terminkalender. Meine tägliche Joggingrunde beginnt jetzt früh um 6 Uhr und nicht erst am Nachmittag. Ansonsten sind viele Dinge auch berechenbarer geworden, weil ich mich nur noch auf meine Arbeit als Bürgermeister konzentrieren kann und nicht mehr ständig in zwei Welten der beruflichen und der politischen lebe.

Wie tief sitzt der Schmerz der Niederlage in der Stichwahl?

Ich sehe die Kommunalwahl als Ganzes. Eine Niederlage oder einen Sieg nur auf die Stichwahl der beiden stärksten Kandidaten zu reduzieren, wäre meiner Meinung zu kurz gedacht. Bei der Kommunalwahl agiert man als Team und als OB-Kandidat ist man Teil, aber auch Kopf des Teams. Meine CSU und ich, wir hatten drei Ziele vor der Wahl: 1. Wir wollten stärkste Fraktion werden. 2. Wir wollten wieder in die Verantwortung für die Stadt kommen. 3. Wir wollten den Oberbürgermeister stellen. Zwei von drei Zielen haben wir erreicht, weshalb ich insgesamt glücklich über den Ausgang der Kommunalwahl bin. 

Nun aber zu ihrer konkreten Frage. Selbstverständlich hat es am Anfang geschmerzt, wenn man einen engagierten Wahlkampf führt und dann in der Stichwahl knapp unterliegt. Auf der anderen Seite ist man gut beraten, wenn man sich als Herausforderer für das Amt des Oberbürgermeisters bewirbt, sich aber auch immer mit der Möglichkeit beschäftigt, dass man eine Wahl auch verlieren kann. Eine gute mentale Herangehensweise und meine grundsätzlich positive Lebenseinstellung war in diesem Zusammenhang kein Schaden. Also zusammengefasst: Der Schmerz ist zwischenzeitlich verflogen.

Mittlerweile sitzen CSU und SPD in einem Boot und kooperieren miteinander. Zwei Fraktionen, die sich die letzten sechs Jahren zum Teil heftig beharkt haben. Das soll jetzt anders sein?

Bisher läuft es sehr gut. Mitglieder beider Fraktionen treffen sich mehrmals im Monat und besprechen alle wichtigen Themen und tauschen sich offen und ehrlich aus. Das Gleiche gilt für den Oberbürgermeister und mir. Aber ja, Sie haben recht, wir haben uns in den letzten sechs Jahren auch stark beharkt. Das haben wir auch in unseren Kooperationsgesprächen thematisiert und auch eine Rückschau samt Aufarbeitung betrieben. Dabei haben wir festgestellt, dass wir bei vielen Themen gar nicht so weit auseinanderliegen. Beharkt haben wir uns häufig deshalb, weil wir als CSU über den Fahrplan beziehungsweise die Art und Weise des Vorgehens nicht einverstanden waren.

Wie ist Ihr Verhältnis zu OB Janik?

Die Chemie stimmt. Wir kennen uns ja schon lange, schätzen und respektieren uns. Es ist eine kollegiale, freundschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Trotz unserer unterschiedlichen politischen Herkunft und der dementsprechend unterschiedlichen Haltung die wir haben, wie zum Beispiel bei der Verkehrspolitik, sind wir doch beide pragmatische und lösungsorientierte Menschen.

Hat die Coronakrise dazu beigetragen, die Gräben zwischen Christsozialen und Sozialdemokraten zuzuschütten?

Wie bereits erwähnt, haben unsere Kooperationsgespräche aufgezeigt, dass die Gräben zwischen uns nicht so tief sind, dass man keine Brücken darüber bauen kann. Ich bin von Anfang an offen in diese Gespräche gegangen mit der Zielsetzung, alte Geschichten ruhen zu lassen. Die CSU Fraktion des Jahres 2020 ist eine moderne und paritätische Fraktion, die offen für die Herausforderungen ist, die auf die Stadt zukommen und bereit ist, an Lösungen mitzuarbeiten. Die Corona-Krise hat insofern vielleicht dazu beigetragen, dass sie uns gemahnt hat, den Blick zu schärfen, das Wesentliche zu erkennen und sich nicht zu sehr im "Klein Klein" zu verlieren.

Als Stellvertreter des Oberbürgermeisters tragen Sie gleichzeitig die Verantwortung für das neugebildete Referat Sport, Gesundheit, Brand- und Katastrophenschutz. Ein Referat, das Ihnen auf den Leib geschneidert ist.

Ja, so sehe ich das auch. Man könnte es auch als Verhandlungserfolg bezeichnen. Das Referat ist ja nicht zufällig so entstanden, sondern es war genauso mein ausdrücklicher Wunsch. Ich wollte mich für Themenbereiche verantwortlich zeigen, mit denen ich mich auch identifizieren kann. Das fängt mit der Feuerwehr als Sicherheitsunternehmen der Stadt an, geht über den Sport und die Gesundheitsförderung weiter. Ich habe immerhin über 30 Jahre bei der Polizei ebenfalls einem Sicherheitsunternehmen gearbeitet und war dort in den letzten zwölf Jahren unter anderem für den Bereich Sport und Gesundheitsförderung verantwortlich. Darüber hinaus besitze ich den B- und C-Trainerschein und war auch schon als Funktionär in einem Sportverein tätig. Mit unserem Eigenbetrieb 77, der Abfallwirtschaft, der Straßenreinigung und der Abteilung Stadtgrün verbindet mich vor allem meine landwirtschaftliche Herkunft. Viele der dortigen Themen sind mir nicht unbekannt.

Als OB-Kandidat der CSU haben Sie im Kommunalwahlkampf "echten" Neustart für Erlangen gefordert. Von einem Neustart ist allerdings noch wenig zu spüren, so jedenfalls die Opposition im Stadtrat.

Ich denke schon, dass man viel von einem Neustart spürt. Wir wollen in den nächsten sechs Jahren 100 Millionen Euro für den Klimaschutz ausgeben. Dies ist einmalig in Deutschland und somit der Startschuss für ein phänomenales Projekt. Wir wollen mehr Dialog, auch zwischen den Fraktionen, so werden seit unserem Neustart alle Fraktionen noch mehr und besser in die Arbeit des Stadtrates eingebunden. Zum Thema Teilhabe von Bürgern an Projekten haben CSU und SPD vereinbart, die Erlanger Bürgerschaft nach Abschluss der Planungen nochmals über die StUB abstimmen zu lassen. Auch das ist neu und zeigt, wir sind bereit, die Bürger mitzunehmen, bevor die Stadt mit wichtigen Projekten beginnt.

Themenwechsel: Vor welchen Herausforderungen sehen Sie die Stadt angesichts der Coronakrise?

Wie im ganzen Land, so leben natürlich auch in Erlangen viele Menschen in Angst um ihre Gesundheit und haben Sorge um ihren Arbeitsplatz. Menschen, die der Risikogruppe zugerechnet werden, müssen geschützt und Verhaltensregeln ständig aktualisiert werden. Der Kita- und Schulbetrieb muss geregelt und bestmöglich aufrechterhalten werden. Die Stadt selbst steht vor immensen Steuerausfällen und bisher kann noch niemand abschätzen, wohin dies führen wird.

Mit welchen Rezepten wollen Sie der Krise begegnen?

Unser oberstes Ziel muss sein, dass wir die Krise so handhaben, dass alle systemrelevanten Bereiche problemlos funktionieren. Darüber hinaus müssen wir ein besonderes Augenmerk auf unsere Einzelhändler, Gastronomen, Kulturschaffenden, Schausteller und sonstigen Gewerbetreibenden haben und sie unterstützen so gut und unbürokratisch wie wir können.

Welche Ziele wollen Sie kurz- und mittelfristig erreichen? Was werden die Schwerpunkte Ihrer Arbeit in nächster Zeit sein?

Ich will unseren Kooperationsvertrag umsetzen. Die 100 Millionen Euro für den Klimaschutz müssen auf die Straße gebracht werden. Das bedeutet, dass ich vor allem bei unserer eigenen Fahrzeugflotte bei unserem eigenen ÖPNV auf umweltverträgliche Antriebsarten setzen. Die Stadt soll noch grüner und mehr Bäume gepflanzt werden. Erste Konzepte für die Werner-von-Siemens-Straße und die Hofmannstraße liegen schon in der Schublade. Ebenfalls unter Klimaschutz und Ressourcenschutzgründen wird derzeit geprüft, ob die Stadt tatsächlich ein weiteres Verwaltungsgebäude neu bauen muss oder ob es nicht genügt, sich eines demnächst leer stehenden Gebäudes zum Beispiel in der Werner-von-Siemens-Straße zu bedienen. Konkret für mein Referat arbeiten wir am Masterplan Feuerwehr, der Weiterentwicklung unserer Feuerwehr am jetzigen Standort. Für den Bereich Klimaschutz konnten wir schon in diesem Haushalt Gelder für ein spezielles Fahrzeug für die Waldbrandbekämpfung einstellen. Im Bereich Sport arbeiten wir an einem Sonderprogramm, welches die Vereine unterstützt, energetische Maßnahmen an ihren Vereinsgebäuden zu ermöglichen. Hohe Förderungen werden hier in Aussicht gestellt.

Wo sehen Sie die Stadt Erlangen zur Halbzeit der Legislaturperiode in drei Jahren?

Die Corona-Krise wurde überwunden. Erlangen ist wirtschaftlich auf einem guten Weg. Auf der Innenstadtlinie fahren Elektrobusse. Erste Müllautos mit Wasserstoffantrieb fahren durch unsere Straßen. Das erste Nullenergie-Vereinsgebäude ist im Bau. Das Forum Masterplan Erlangen hat seine Arbeit aufgenommen. Die Erlanger Bürgerschaft hat die Möglichkeit, sich in Workshops an einem Konzept zur Stadtentwicklung zu beteiligen.

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