Kampagne "Muslime gegen Rassismus" auch in Erlangen

26.10.2020, 06:00 Uhr
Kampagne

© Stefan Puchner/dpa

Die Hugenottenstadt ist eine von bundesweit 26 Städten, die die religiöse Gemeinschaft für ihre aktuelle Kampagne ausgesucht hat. Mit der Offensive wendet sich die islamische Gruppierung, die nach eigenen Angaben in Deutschland mehr als 40.000 Mitglieder und rund 50 Moscheen hat, gegen Ausgrenzung, Hass und Gewalt. Neben den Bildern, die etwa zwei Wochen lang in der Stadt zu sehen sind, soll es Info-Stände, Flyer und coronabedingt auch eine (Online)-Podiumsdebatte geben.

"Unsere Kampagne ist sehr umfangreich", erläutert Habib Nasir auf Anfrage. Der Theologe und Imam ist bei Ahmadiyya Muslim Jamaat (kurz AMJ) in Frankfurt/Main für die Abteilung interreligiöser Dialog zuständig. Der Austausch mit Nicht–Muslimen liegt ihm am Herzen. Vor allem deshalb, weil er glaubt, nur im Gespräch Vorurteile abbauen zu können.

"Mit dem Islam eine Lösung bieten"

"Es gibt auch Menschen, die den Islam kritisieren und ihn für rassistisch halten", sagt er. Das sei aber nicht richtig. Der Islam sei von Grund auf gegen jeglichen Rassismus. "Unsere Religion weist daraufhin, dass man keinen Menschen in eine Schublade stecken darf." Gerade mit Blick auf einen weltweit erstarkenden Rassismus und Rechtspopulismus sei es wichtig, nun auch als Muslime Position zu beziehen und gegen Rassismus zu mobilisieren, oder, wie Nasir sagt, "mit dem Islam eine Lösung zu bieten".

Mögliche eigene Erfahrungen mit Ausländerfeindlichkeit, etwa bei türkisch oder arabisch stämmigen Mitgliedern, seien nicht primär Auslöser für die Initiative. "Es passiert, dass wir angegriffen werden, ja, aber das ist nicht der Grund für unser Engagement", betont der Imam, "in unserem Fokus steht, dass Deutschland ein Problem mit Ausländerfeindlichkeit hat."

Anschlag von Hanau

Als Beispiel nennt er Hanau; dort waren im Februar dieses Jahres bei einem Attentat in und vor zwei Shishabars zehn Menschen getötet worden, etliche davon mit Migrationshintergrund. Es gebe auch Parteien, die Menschen verurteilten aufgrund ihrer Rasse, Nationalität oder Herkunft, sagt er, ohne jene Partei zu nennen, deren Vertreter zum Teil offen Seit’ an Seit’ mit Neonazis marschieren. Dagegen wolle die Ahmadiyya-Gemeinde vorgehen.

Aber auch rassistisches Verhalten eigener muslimischer Mitglieder könne man nicht tolerieren. "Ein Araber kann ebenfalls rassistisch geprägt sein" sagt Nasir, "auch dieser muss dann darüber aufgeklärt werden, dass das nicht in Ordnung ist und man es verurteilen muss."

"Antisemitismus eine Form von Rassismus"

Bei Demonstrationen und Aufrufen gegen Ausländerfeindlichkeit ist meist der Kampf gegen Antisemitismus mit genannt. Warum aber bei "Muslime gegen Rassismus" nicht? "Wir haben das nicht mit hineingenommen, weil Antisemitismus eine Form von Rassismus ist, wenn man Rassismus bekämpft, bekämpft man auch Antisemitismus", sagt Nasir.

Doch was ist mit Diskriminierungen etwa durch Ahmadiyya-Muslime selbst? 2007 zum Beispiel war in einem Jugendjournal der Ahmadiyya-Gemeinde ein Artikel mit dem Titel "Glücksschwein oder arme Sau" erschienen, in dem unter anderem ein Zusammenhang zwischen Schweinefleischverzehr und zunehmender Homosexualität hergestellt wurde. In dem Beitrag wurde unter anderem behauptet, ein "schamloses Tier" wie das Schwein, das im Unrat lebe, präge auch das Moralverhalten des Konsumenten.

Nasir verweist auf das im Islam geltende Schweinefleischverbot, aber auch andere Lehren verböten das Schweinefleischessen. Nur weil der Islam Schweinefleisch verbietet, bedeute das nicht, dass Menschen verurteilt würden, die das Fleisch dennoch verzehren.

Thema Homosexualität

Zur Homosexualität sagt der Imam und Theologe: "Es gibt homosexuelle Menschen, die haben eine andere Neigung, eine andere Orientierung; doch die menschlichen Werte bleiben erhalten, das ist sehr wichtig", betont er. Es werde kein homosexueller Mensch verurteilt, sagt er, und fügt, etwas hin und her lavierend, an: "Aber die islamische Lehre verurteilt natürlich die Homosexualität". Das müsse er klarstellen.

Man könne einen homosexuellen Menschen aufklären und ihm sagen, dass das gemäß des Islam keine "korrekte Orientierung" sei, sagt Habib Nasir. Zumal es auch "Probleme" mit sich bringe. "Aber wenn der Mensch sagt, ich will das, ich bleibe dabei, dann ist es nicht meine Aufgabe, diesen Menschen aufgrund seiner Haltung zu beschimpfen oder zu verurteilen".

Artikel brachte Kritik ein

Der Artikel hatte der Ahmadiyya-Gemeinde viel Kritik eingebracht. Völlig unumstritten ist die Ahmadiyya Muslim Jamaat, die 2013 in Hessen als erste muslimische Organisation den Status Körperschaft des öffentlichen Rechts bekommen hat, daher nicht.

Die deutsch-türkische Soziologin Necla Kelek etwa bezeichnete die Gemeinschaft, die sich oft selbst als Reform-Bewegung darstellt und bei der Kalifen die Leitung übernehmen, als hermetisch abgeschottet und streng konservativ. Auch das Frauenbild entspreche ganz den patriarchalen Strukturen und unterscheide sich nicht von anderen islamischen Gemeinschaften, sagen Kritiker. So müsse sich jede Frau verhüllen, ansonsten drohe soziale Beschämung in der Gemeinde.

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