Kampf gegen Armut: Was wollen Erlanger OB-Kandidaten?

23.2.2020, 17:00 Uhr
Kampf gegen Armut: Was wollen Erlanger OB-Kandidaten?

© Andreas Arnold/dpa

In Zusammenarbeit mit Werkstatt Demokratie, einer Initiative von Bildung Evangelisch, veröffentlichen die Erlanger Nachrichten die Positionen der OB-Kandidatinnen und Kandidaten zu den wichtigsten kommunalpolitischen Themen. Teil zwei beschäftigte sich mit Bildung. Die Fragen stellen ausgewiesene Experten aus den jeweiligen Bereichen. Zum Themenkomplex "Armut" fragt Elke Bollmann, Leiterin der Erlanger Tafel: "Welche Maßnahmen planen Sie, um der steigenden Zahl von Menschen mit niedrigen Altersbezügen ein würdiges Leben im Alter zu ermöglichen?"

Jörg Volleth (CSU):  „Durch die Einführung der Grundrente hat die Bundesregierung einen wichtigen Schritt in Richtung Armutsbekämpfung im Alter getan. Auf viele Bereiche, wie z.B. bei der Zuzahlung zu Medikamenten hat die Kommunalpolitik keinen Einfluss, da dies der Bundesgesetzgebung unterliegt. Ich unterstütze im Kampf gegen die Armut Initiativen wie z.B. die Erlanger Tafel sowie die Schuldnerberatung der Caritas.

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Auch wenn die eigene Mietwohnung zu groß geworden ist, scheuen viele ältere Mitbürger den Wechsel der Wohnung. Wir unterstützen das Projekt ,Wohnungstausch‘ der Gewobau, das den Wechsel in eine kleinere Wohnung so unkompliziert wie möglich macht. Des Weiteren will ich den sozialen Wohnungsbau unterstützen, um bezahlbaren Wohnraum, durch kommunale Wohnungsbauförderung, in städtischer Hand zu halten.

Dabei gilt es zu beachten, dass alte Menschen nicht vereinsamen. Daher unterstütze ich Projekte wie z.B. Gestalt nachdrücklich. Ganz wichtig ist auch eine gute Beratung. Gerade alte Menschen scheuen sich oft nach Vergünstigungen zu fragen. Der Ausbau von Seniorentreffs muss weiter entwickelt werden.“

"Dabei gilt es zu beachten, dass alte Menschen nicht vereinsamen."

F lorian Janik (SPD): „Ich finde es ungerecht, dass die Rente nicht zum Leben reicht, obwohl Menschen ihr ganzes Leben gearbeitet haben. Die neue Grundrente muss kommen.

Aber auch vor Ort handeln wir: Das Sozialamt wirbt dafür, dass Senior*innen ihren Anspruch auf Sozialleistungen prüfen lassen. So können Sie auch den ErlangenPass bekommen, mit dem man viele Vergünstigungen erhalten kann, im Busverkehr, in den Bädern oder für Veranstaltungen.  Den ErlangenPass, der mit rund 5000 Nutzerinnen und Nutzern zu einem Erfolgsmodell geworden ist, werde ich weiterentwickeln.  Künftig werden ihn auch Personen bekommen, die wenig verdienen, aber keine Sozialleistungen beziehen. 

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Gerade für Ältere gibt es seit Jahresanfang ein neues Busticket. Für nur 25,50 Euro im Monat ist man ab 9 Uhr und an den Wochenenden in der ganzen Stadt unterwegs. 

Mit dem seniorenpolitischen Konzept, dass wir gemeinsam mit den Bürger*innen erarbeitet haben, werden wichtige Themen wie Wohnberatung, Unterstützung im Alltag, Bewegungsangebote oder den Ausbau der Nachbarschaftshilfe vorangebracht.“

Susanne Lender-Cassens (Grüne): „Wir setzen uns für eine glaubwürdige kommunale Sozialpolitik ein, die Teilhabe für alle ermöglicht, Armut bekämpft und dazu beiträgt, dass das Zuhause bezahlbar bleibt. Deswegen wollen wir einen kostenreduzierten Zugang zu kulturellen, sportlichen, bildenden und gemeinnützigen Einrichtungen der Stadt sowie eine Stärkung des Erlangen-Passes. Ebenso wollen wir ein Altern in Würde gewährleisten durch bedarfsgerechte Pflegeangebote und ambulante Dienste und Kooperation mit Betroffenenorganisationen.

Wohnen muss bezahlbar sein, insbesondere auch für ältere Bürger*innen. Wir bestehen auf der Einhaltung der geltenden Quote für sozialen Wohnungsbau in Bebauungsplänen. Wir wollen lebendige Stadtquartiere, belebte Plätze, kurze Wege und Barrierefreiheit. Es soll mehr preiswerten Wohnraum geben und Platz für Mehrgenerationenhäuser. Wir wollen wohnortnahe soziale Einrichtungen, Einkaufsmöglichkeiten und kulturelles Angebot.

 Mobilität im Alter ist wichtig. Notwendig ist der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, bessere Taktung, sowie günstigere Preise und ein einfacheres Tarifsystem.“

Holger Schulze (FDP): „Dass viele ältere Menschen aus Scham darauf verzichten, bestehende Hilfsangebote zu nutzen, ist ein Missstand, der gelöst werden muss. Hierzu sollten kurzfristig die Seniorenberater der Stadt verstärkt Aufklärungsmaßnahmen unternehmen.

 Da Wohnen gerade in der Stadt Erlangen zu den größten Kostenfaktoren und hohe Mieten damit zu den größten Armutsrisiken gehören, sollten durch die Schaffung zusätzlichen Wohnraums durch die städtische Gewobau mittelfristig mehr Sozialwohnungen für Berechtigte vorgehalten werden: Hier ist die größte Entlastung erreichbar.

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Langfristig betrachtet besteht der beste Schutz vor Altersarmut in besserer Bildung: Hier sind Bund und Land gefordert, aber auch die Stadt kann ihren Beitrag dazu leisten, etwa durch die Stärkung der für die individuelle Hirnentwicklung besonders wichtigen frühkindlichen Bildung: Hier fordere ich, die Kitas ab dem 3. Lebensjahr von Gebühren zu befreien, so dass jedes Kind diese wichtige Bildungseinrichtung auch besuchen kann.“

Joachim Jarosch (ÖDP): „Die Altersarmut steigt an, da die Regierungsparteien keine um- und weitsichtige Arbeits- und Rentenpolitik betrieben haben. Nun sind wir als ÖDP in den Kommunen gefragt, der steigenden Altersarmut wirksam zu begegnen.

Enttabuisierung des Themas ,Altersarmut‘: Ein Problem ist die hohe Zahl derjenigen, die in Altersarmut leben, aber sich mit diesem Problem allein gelassen fühlen. Wir wollen aufsuchende Sozialarbeit in den Stadtteilen leisten, um den Menschen ihren Anspruch auf ein würdiges Leben im Alter bewusst und Ihnen zustehende Leistungen bekannter machen.

Ausbau der Sozialstruktur vor Ort: Wir werden in den Stadtteilen Initiativen fördern, um der Einsamkeit zu begegnen. Die Nachbarschaftshilfe wollen wir flächendeckend ausbauen.

Sicherung und Anpassung des Wohnraums: Wir sorgen dafür, dass Menschen, die von Altersarmut betroffen sind, nicht aus ihrer gewohnten Umgebung müssen und ihr Wohnraum den Bedürfnissen des Alters entsprechend gestaltet wird.

Ausbau der Teilhabe am öffentlichen Leben: Dies schaffen wir durch die Kulturtafel, mehr ErlangenPass-Angebote und durch einen kostenfreien öffentlichen  Nahverkehr.“

 

Anette Wirth-Hücking (FWG):„Leider sind immer mehr Menschen in Erlangen auf Leistungen zur Grundsicherung im Alter oder einer Erwerbsminderung angewiesen. Als Kommune können wir die zugrunde liegende schwierige Einkommenssituation nicht direkt beeinflussen.

 Mein Ziel ist es, die Lebensgrundlage der älteren Menschen möglichst zu verbessern. Deshalb ist es mir wichtig, z.B. die ,Erlanger Tafel‘ zu unterstützen und auch weniger mobilen älteren Mitbürger*innen zugänglich zu machen. Mit finanziellen Vergünstigungen, wie z.B. der Teilnahme an öffentlichen und kulturellen Angeboten (,ErlangenPass‘) und die vergünstigte Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs, kann für ältere, von Armut betroffenen Menschen die soziale Teilhabe gesichert werden. Dieses Angebot möchte ich gerne beibehalten und weiter ausbauen.

 Durch mehr Information und Aufklärung können wir als Stadt selbst dazu beitragen, die Rate der Inanspruchnahme von Grundsicherungsangeboten im Alter und bei Erwerbsminderung zu steigern. Bezahlbare Mieten (mehr sozialer Wohnungsbau) und die Verhinderung von Luxussanierungen tragen ebenfalls zu einer Verbesserung bei.“

Johannes Pöhlmann (Erli): „Wir lehnen die Hartz-Gesetze als ,Armut per Gesetz‘ ab und fordern eine sanktionsfreie Mindestsicherung, die allen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht.

Wir fordern eine sanktionsfreie Mindestsicherung.

Dass Tafeln notwendig sind, ist für uns ein fortdauernder Skandal. In Erlangen fordern wir: Keine Strom- und Gasabschaltungen wegen Armut. Für alle mit einem Einkommen von (derzeit) unter 1200 Euro netto: Den Erlangen-Pass mit 90 Prozent Preisermäßigung bei allen städtischen Einrichtungen, städtisch geförderten Kultureinrichtungen und mit halbem Preis im Nahverkehr (ohne Ausschlusszeiten!).

Für Empfänger* innen von ,Hartz-4‘ oder Grundsicherung (im Alter): Zusätzliche einmalige Beihilfen durch die Stadt (Weihnachtsgeld). Kostenlose Sozialberatung und umfassende Aufklärung der Betroffenen über ihre Rechte und Ansprüche durch von der Stadt geförderte unabhängigen Sozialhilfe- Initiativen und Beratungsstellen.

Bei der Wohnkostenerstattung: Ermessensspielraum der Stadt (nach oben !) voll ausschöpfen und die Mietobergrenzen jährlich anheben. Keine Zwangsumzüge, weil ,Wohnung zu teuer‘! Am zweiten Arbeitsmarkt: Tariflohn statt Ein-Euro Jobs.“

Sebastian Hornschild (Klimaliste Erlangen): „Liebe Frau Bollmann, sie haben völlig Recht, auch in einer wohlhabenden Stadt wie Erlangen sehen wir eine Zunahme sozialer Ungleichheit, gerade unter älteren Menschen. Dies ist nicht hinnehmbar! Hier müssen soziale Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit endlich gemeinsam gedacht und umgesetzt werden.

Soziale Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit müssen endlich gemeinsam gedacht und umgesetzt werden.

Bei Klimagerechtigkeit geht es darum, wie wir es schaffen, dass jetzige und künftige Generationen die Last der Klimakrise schultern, ohne die bestehenden Ungleichheiten zu verstärken oder gar neue zu provozieren. Ältere Menschen, gerade die mit niedrigem Einkommen, besitzen einen meist sehr kleinen CO 2-Fußabdruck (kein großes Haus, das im Winter mit Öl/Gas beheizt wird, keine Fernflüge, kein Auto, wenig Konsum). Diese Menschen finanziell zu entlasten, um sie für ihren CO 2-armen Lebensstil zu belohnen, ist völlig logisch.

Gleichzeitig ist es notwendig, Menschen, die weiterhin CO2-reich leben wollen, zu entgegnen, dass dies in Zukunft für sie nicht mehr oder nur unter höchsten finanziellen Anstrengungen möglich sein wird. Klimagerechtigkeit wird so zum Schlüssel für soziale Gerechtigkeit.“

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