"Kein faireres Prozedere": Die Sportlerwahl in Erlangen

9.1.2019, 18:00 Uhr

© Foto: Harald Sippel

Anders als in den meisten Städten werden die Sportler des Jahres in Erlangen nicht bestimmt, sondern von einem Expertengremium und allen Bürgern gewählt. Wir sprachen mit Matthias Thurek, Vorsitzender des Stadtverbands der Sportvereine, über Wahlmanipulation, eine nicht ganz unkomplizierte Wahlsystematik sowie den Vorwurf, "der Sportverband mauschelt sich den Sieger zurecht".

Herr Thurek, warum werden in der Stadt Erlangen die Sportler des Jahres überhaupt über ein auf den ersten Blick nicht ganz unkompliziertes Wahlsystem ermittelt?

Da muss ich etwas weiter ausholen: Als ich vor über vier Jahren beim Stadtverband anfing, wurden die Sportler des Jahres noch einzig dadurch ermittelt, wer sich die meisten Zeitungen mit Wahlscheinen organisiert hatte. Da gibt es wilde Geschichten von zigfach fotokopierten Wahlscheinen und was weiß ich alles. Wir haben uns deshalb gefragt: Wollen wir das noch so? Wird das der Fragestellung gerecht, wenn derjenige oder diejenige gewinnt, der oder die vielleicht nicht objektiv die am höchsten zu bewertende Leistung gebracht hat – sondern die meisten Wahlscheine ergattert hat?

"Wir haben uns lang die Köpfe zerbrochen"

Also haben Sie ein System gesucht.

Genau, wir haben uns lang die Köpfe zerbrochen für die Grundfrage: Wie können wir es fair und transparent so gestalten, dass auch der sportliche Stellenwert angemessen abgebildet wird? Und da sind wir zu der nun existierenden Systematik gekommen.

Sind Sie auch vier Jahre später und trotz der aufgekommenen Kritik noch der Meinung: Das System ist fair?

Ehrlich gesagt ist mir bis heute kein besseres eingefallen oder vorgestellt worden: Kern ist nun doch, dass die Entscheidung auf viel breiteren Füßen steht, damit niemals auch nur im Entferntesten der Vorwurf kommen kann: Naja, der Sportverband mauschelt sich den Sieger am Grünen Tisch irgendwie zurecht.

Zuletzt ist aber genau dieser Vorwurf aufgekommen.

Weil die Systematik nicht verstanden wurde.

Machen Sie es sich da nicht zu einfach?

Ich denke nein: Die, die uns das vorwerfen, haben in meinen Augen die Systematik schlichtweg nicht verstanden. Natürlich kann es sein, dass – wenn die Ergebnisse aller Bausteine spitz auf Knopf stehen, wie im vergangenen Jahr – die Entscheidung der Jury am Ende den Ausschlag gibt. Aber das muss doch auch so sein dürfen, dass das Votum des Expertengremiums das Zünglein an der Wage ist. Das ist doch gerade im Sinne des sportlichen Erfolges, oder etwa nicht?

Wer sitzt denn in dieser Jury?

Leute, die über den normalen Beurteilungshorizont Dinge berücksichtigen, die ein anderer nicht unbedingt wissen kann: Welche Sportart hat welche Voraussetzungen oder Anforderungen, damit man zum Beispiel einen Bundesligaaufstieg schaffen kann?

Wer besitzt dieses besondere Wissen?

Die Sportbürgermeisterin, das Sportamt, die Sportpresse, der Stadtverband der Erlanger Sportvereine, ein Vertreter der Sportfakultät der Uni, sowie ein jedes Jahr wechselnder, nicht mehr aktiver Sportler, der mit den zur Wahl stehenden Sportarten idealerweise nichts zu tun haben sollte – damit auch hier nicht der Anschein entstehen kann, dass hier geklüngelt wird.

Wie groß ist denn der Anteil der Jury am späteren Endergebnis?

Das Ergebnis der anonymen Wahl innerhalb der Jury, die aus sechs Personen besteht, fließt zu 35 Prozent ein. Wobei man unbedingt beachten muss, dass diese Personen sich nicht etwa gemeinsam auf nur einen Sportler, eine Sportlerin und eine Mannschaft festlegen: Die 35 Prozent verteilen sich wiederum auf neun Nominierte – je nachdem, wem die Jurymitglieder eben wie viel Stimmen gegeben haben.

Das Wahlsystem: Jury, Ballbesucher, Leser, User

Welche Bausteine gibt es noch, die das Endergebnis dieser Wahl beeinflussen können?

Der Ballbesucher kann mit seiner Eintrittskarte abstimmen, das fließt mit 25 Prozent ein. Der Zeitungsleser, der bislang 100 Prozent ausgemacht hat, besitzt ebenfalls 25 Prozent. Und der Online-Voter 15 Prozent.

Warum haben User nur 15 Prozent?

Weil wir online nie ausschließen können, dass hier jemand einen Algorithmus schaltet, der unendlich viele Stimmen generiert.

Der Online-User kann also nicht allein entscheiden, wer gewinnt?

Nein. Das kann keiner dieser Bausteine alleine, nicht einmal die Jury. Nochmal: Ein einzelner Baustein entscheidet nur dann, wenn alle anderen nahezu gleichauf liegen.

Enttäuscht es Sie, Herr Thurek, wenn nun trotzdem der Vorwurf aufkommt, die Wahl sei ungerecht?

Nein, weil ich mir zu hundert Prozent sicher bin, dass es der fairste und ehrlichste Weg ist, die Sportler des Jahres zu bestimmen.

Dieser Konflikt findet schon seit geraumer Zeit öffentlich statt. Gab es vorher schon einmal oder seitdem weitere Sportler oder Funktionäre, die Kritik am Wahlsystem äußerten?

Nein, im Gegenteil.

Im Gegenteil?

Sagen wir so: Das Verhalten am vergangenen Sportlerball wurde von einigen als unsportlich empfunden. (Die Zweitplatzierten verließen nach der Wahlentscheidung den Saal, d. Red.)

Gab es darauf Konsequenzen von Seiten des Sportverbandes wie einen Ausschluss aus zukünftigen Wahlen?

Nein. Da sind wir sportlich genug, diese Diskussion auszuhalten. Weil wir überzeugt davon sind, dass wir eine faire Vorgehensweise gefunden haben, um die Sportler des Jahres zu ermitteln.

Im aktuellen Lokalsportcast, dem Sport-Podcast der Erlangen Nachrichten, stellen die Redakteure Christoph Benesch und Katharina Tontsch alle Nominierten noch einmal vor.

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