Klimakurs: Gewerkschafts-Chef kritisiert Siemens

14.1.2020, 10:59 Uhr
Klimakurs: Gewerkschafts-Chef kritisiert Siemens

Die Entscheidung von Siemens-Chef Joe Kaeser doch an einer wichtigen Zulieferung für ein umstrittenes Kohlebergwerk in Australien festzuhalten, treibt die jungen Klimaschützer weiter auf die Straße. Auch am Montag demonstrierten nach Veranstalterangaben rund 100 Mitstreiter unter dem Motto "Stop zu Adani" vor dem Himbeerpalast in der Werner-von-Siemens-Straße in Erlangen.

Der bayerische IG- Metall-Chef Johann Horn kann die Proteste gut verstehen. Auch er ist von einem ökologischeren und nachhaltigeren Umbau der Industriegesellschaft überzeugt. Doch dieser Wandel, oder wie der IG- Metall-Bezirksleiter sagt, Transformationsprozess müsse auch "sozial und demokratisch" vonstatten gehen, weil die Betroffenen die Veränderungen andernfalls nicht akzeptieren und mittragen könnten. "Die Gewerkschaften sind im Moment diejenigen, die genau das im Blick haben und ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen", findet der 61-Jährige.


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Daher, so erläutert er im EN-Gespräch, müsse die IG Metall gemeinsam mit ihren Mitgliedern die Unternehmen dazu bewegen, diesen Umbauprozess ebenfalls in ihrer gesellschaftlichen Verantwortung wahrzunehmen. "Das ist das Wichtige, was wir brauchen plus die Politik, ohne sie wird das nicht funktionieren." Bislang schielten Arbeitgeber noch zu sehr auf ihre unternehmerischen Ziele und verlagerten Teile einfach ins Ausland. Bei Schaeffler, Bosch und Conti könne man diese Entwicklung gut beobachten.

"Wir brauchen Umbau und Alternativen"

Siemens ist für ihn mit seinem Ja zur technischen Ausstattung eines Kohleabbauprojekts für diese Haltung ein "schönes Beispiel": Am Ende, sagt Horn, entscheide sich ein Konzern dann doch für die Gewinne und weniger für die gesellschaftliche Verantwortung.

Der Gewerkschaftschef hätte sich gewünscht, dass Kaeser die Angelegenheit noch einmal in Ruhe gründlich prüft: "Den Auftrag gaben auch schon andere Unternehmen zurück, weil er ihnen zu brisant ist." Das zeige, dass sich der Konzernchef pro Gewinne ausspreche — und das gegebenenfalls auch zu Lasten der Ökologie. Dagegen müssten sich gerade jetzt Unternehmen Gedanken darüber machen, wie sich die Klimaziele (doch) noch erreichen ließen.


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Aber sehen das auch die von Umstrukturierungsmaßnahmen betroffenen Arbeitnehmer in den Betrieben so? Ist es nicht schwierig jenen, die in traditioneller Automobil- oder Metallbranche tätig sind, die neuen Wege zu vermitteln? "Natürlich", antwortet Horn, "daher brauchen wir einen Umbau und Alternativen zu den Produkten, die wir bisher dort herstellen." Über das Klima lasse sich nicht mehr verhandeln, das Pariser Abkommen verpflichte zu einem verringerten Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) und das müsse man einhalten.

In diesem Punkt sind sich IG Metall und die junge Ökobewegung einig. Auch in Erlangen hatten sich an Klimakundgebungen schon Metaller mit ihren roten Fahnen beteiligt. Horn selbst traf sich darüber hinaus mit FFF-Vertretern zum Gespräch.

Trotz aller Überstimmung teile man als Gewerkschaft aber nicht alle Positionen der Klimaaktivisten. Denn deren Erwartungen an eine sehr schnelle Energiewende seien doch sehr groß. Bei aller Notwendigkeit für den Umweltschutz dürften die Jobs nicht aus dem Blick geraten.

Zu wenig Gedankenspiele

"Der Umbau der Industrie und die Sicherheit der Arbeitsplätze — da brauche ich schon etwas Zeit, das hilft mir alles nichts ", betont Horn. Die Automobilindustrie lasse sich nicht von heute auf morgen einfach umschalten. "Wir brauchen noch sehr lange den Verbrenner." Zudem müsse man sich, neben der Elektrobatterie, über andere Möglichkeiten austauschen.

Solche Gedankenspiele aber sieht Horn bei den Unternehmen noch viel zu wenig: "Es gibt viele Betriebe mit sehr vielen Beschäftigten, die zu 70, 80 und manchmal sogar bis zu 100 Prozent abhängig sind vom Verbrenner. Und viele dieser Unternehmen haben keine alternativen Ideen der Zukunft. Das macht mich am meisten nervös."

Die Konzerne müssten heute über eine Neuausrichtung diskutieren, findet der IG-Metall-Chef. Doch das Gegenteil sei der Fall: "Die meisten wursteln einfach weiter, versuchen möglichst viel zu verdienen und wenn es gar nicht mehr geht, machen sie ihren Laden zu."

Möglichst großes Maß an Sicherheit

Wie groß aber ist der Spielraum, den die Gewerkschaft etwa in der schwächelnden Auto- und Zuliefererbranche hat — Stichwort Schaeffler, Bosch, Brose? Da schweben dem Funktionär sogenannte Zukunftstarifverträge vor. Mit diesen sollen Gewerkschaften gemeinsam mit Arbeitgeberverbänden mittel- und langfristig Investitionssummen vereinbaren. Zudem, so der Plan, sollen künftige Produktionstechniken und Produkte und, wenn nötig, auch mögliche Qualifizierungsmaßnahmen für die Beschäftigten stärker ins Visier genommen werden.

Man könne vorübergehend auch auf Instrumente wie Strukturkurzarbeit zurückgreifen, um die Mitarbeiter in den Betrieben zu halten. "Wir möchten den Arbeitnehmern ein möglichst großes Maß an Sicherheit bieten, damit sie in diesem Wandel nicht die Verlierer sind", sagt Horn entschieden.

Dass Transformationsprozesse möglich seien, zeige ja der bis 2038 vereinbarte Ausstieg aus der Kohlekraft: "Es ist gelungen, den Umbau zu organisieren, es gibt flankierende staatliche Unterstützungen und verschiedene Maßnahmen der großen Energieunternehmen", sagt Horn.

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